Es gibt
diese Politiker wie Guido Westerwelle und Donald Trump, die mit wenig Detailwissen
und ohne Aktenfresserei auskommen.
Ihnen
geht es nicht um die Sache, sondern um Macht.
Im
politischen Alltag sind sie sich selbst Fixstern und bewerten alle anderen
danach, ob sie für oder gegen einen sind.
Sie
oszillieren letztendlich nur zwischen beleidigen und beleidigt sein.
Niemand
zog so über Sozialdemokraten und Grüne her, wie der gelbe Chefbeleidiger Guido
Westerwelle bis er nach endlosen Jahren endlich sein erstes und einziges
Regierungsamt errang: Vizekanzler aus dem Stand.
Noch nie
vorher in einer Gemeinde, einer Stadt, einem Bundesland oder gar der
Bundesregierung gearbeitet zu haben, kann dann zu einem Kollaps der
Erwartungshaltung führen. Gaga-Guido, eben noch im quietschegelben Guidomobil
unterwegs, erwartete daß das hohe Amt augenblicklich die ihm fehlende
natürliche Autorität kompensierte.
Nun
würden ihn alle nur noch unterwürfig und voller Respekt behandeln. Endlich
würde man ihn als Zentrum des Universums anerkennen und ihm uneingeschränkt
huldigen.
Na, das
war eine harte Landung, als Westerwave feststellen mußte, daß einige
Journalisten ihn weiterhin als nicht sakrosankt ansahen und es wagten ihn in
Frage zu stellen.
Seine
Reaktionen sind legendär.
Nein,
ich will kein englisch sprechen, es ist Deutschland hier. Ich bin nicht als
Tourist in kurzen Hosen hier, was ich sage, das zählt! Jetzt ist mal Schluß mit
spätrömischer Dekadenz.
Wehe
einer zeigte nicht endlich den Respekt, von dem Guido immer geträumt hatte!
Dann wurde er fuchsteufelswild und teilte aus.
Mit
dieser Methode kann man viel Aufmerksamkeit generieren und es womöglich weit
nach oben bringen; das zeigt gegenwärtig auch Donald Trump.
Nicht so
hilfreich sind solche Charaktereigenschaften, wenn man sachpolitisch
vorankommen will und sich auch länger an der Macht halten will.
Angela
Merkel ist zwar bezüglich ihrer kaum vorhandenen politischen Überzeugungen ganz
ähnlich wie Westerwelle, aber dafür habituell das diametrale Gegenteil von ihm.
Abgesehen
von der Grundeitelkeit, die jeder Spitzenpolitiker haben muß, ist Merkel nicht
dafür bekannt Glamour anzustreben und auf Statussymbole erpicht zu sein.
Ihre
ganze äußere Erscheinung ist eher unauffällig und man kann sich bei ihr kaum
vorstellen, daß sie wie einst Westerwelle täglich bei Yellowpress- und BUNTE-Events
auftaucht, wenn sie nicht muß.
Merkel
kann man nicht beleidigen.
Größtmögliche
Demütigungen, die Trump oder Westerwelle vor Zorn beben lassen würden, nimmt
sie stoisch und regungslos hin.
Wir
haben das zuletzt auf dem CSU-Parteitag im November 2015 erlebt, als Seehofer sie öffentlich vorführte.
Aber
Merkel war schon immer so.
Als sie
2011 auf dem Weg nach Indien stundenlang im Iranischen Luftraum aufgehalten
wurde, weil Teheran sie ärgern wollte, nahm sie ihre Verzögerung mit einem
Achselzucken hin. Westerwelle wäre an ihrer Stelle ausgerastet und hätte sofort
den Iranischen Botschafter einbestellt.
Die Kanzlerin sparte sich die Energie und freute sich darüber ein, zwei
Stündchen länger schlafen zu können.
Es ist
schlau von Merkel sich nicht von unnützen Cortisol-Ausschüttungen irritieren zu
lassen; das wird ihr manchen Verhandlungserfolg ermöglicht haben.
Ihre
Methode stößt aber auch an Grenzen, denn in ihrem Job geht es ganz ohne
Machtwort nicht.
Typen
wie Erdogan und Obama nutzen Merkels stoisches Wesen aus, um ihr auf der Nase
herumzutanzen. Immerhin so viel Rückgrat zu haben, daß
sie zur Armenienresolution stünde, wäre schon nett.
Und
immer wieder Crazy Horst.
Er ist
natürlich stinksauer darüber, daß sie ihn immer an sich abtropfen lässt und
sich nicht genügend aufregt.
Die
CDU-Chefin verhält sich gegenüber dem CSU-Chef so wie eine Kindergärtnerin auf
Valium gegenüber einem schwer ADHS-gestörten Gör auf Ritalin-Entzug.
Seehofer
stichelt, kreischt und stampft. Er bettelt um Aufmerksamkeit und von ihr kommen nur sanfte wolkige Ermahnungen.
Leider
ist der der unartige Bayer aber nicht nur der zappelige kleine Horst, den man
ignorieren kann, sondern wesentlicher Teil der Bundesregierung, der sich nicht
aussitzen läßt.
An ihm scheitert
Merkel.
Ihre
gestrige Mahnung gen Bayern - "Politiker, die wie wir hier Verantwortung
tragen, sollten sich in ihrer Sprache mäßigen" – verhallte nicht nur
ungehört, sondern trieb den Irren aus Ingolstadt regelrecht zur Weißglut.
Nun flippt
die CSU noch mehr aus und überholt die AfD von rechts.
[….]
Gerade erst hatte die Bundeskanzlerin zur
verbalen Mäßigung aufgerufen. Da kommt die CSU mit Forderungen um die Ecke, die
nichts anderes als eine Ohrfeige sind.
Keine 24 Stunden hat
es gedauert, bis Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel zeigt, was er von ihrer
gestrigen Aufforderung zur Mäßigung hält: Rein gar nichts. Das Papier, das der
CSU-Parteivorstand am Wochenende zur Flüchtlingspolitik beschließen soll, ist
jetzt an die Öffentlichkeit gelangt. Es ist kein Papier der Mäßigung. Es ist ein AfD-Nachplapper-Papier.
Die Forderungen reichen
von einer gesetzlichen Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, über
Transitzonen an der Grenze, der Zurückweisung von Ausländern ohne Bleiberecht
bis hin zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, einem Burka-Verbot
und einem "Einwanderungsbegrenzungsgesetz".
Alles gipfelt in der
Aussage: "In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem
christlich-abendländischen Kulturkreis." Und: "Wer auf Burka und
Niqab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen."
Das klingt nach mitternächtlichem Bierzeltbesuch. Grölende Zustimmung ist
garantiert. Krachlederner lässt sich eine Position jedenfalls kaum vertreten.
CSU "Deutschland
muss Deutschland bleiben" Video
[….]
Seehofers CSU aber macht es ganz wie die
AfD, die sich auch nicht um Fakten und Evidenz schert. [….] Wer mit solchen Vorschlägen die politische
Debatte zu bestimmen versucht, der stärkt am Ende die AfD, aber nicht die
eigene Position. [….] Das Papier der
CSU ist in seinen Forderungen und - fast noch schlimmer - in seiner Tonalität,
ein Eingeständnis, dass die AfD doch irgendwie recht hat. Und dass schon was
dran ist an den oft irrationalen Sorgen und Ängsten vieler Menschen. [….]
Mit
Seehofer kann man nicht vernünftig sein.
Da hilft
nur ein Macht-Showdown, den Merkel aber nicht wagt.
Daran
könnten beide untergehen. Nun ist die Regierung doch noch ernsthaft in Gefahr
geraten.
[….]
Der Moment des Innehaltens ist sehr kurz
geblieben. Gerade mal einige Stunden schafften es am Mittwoch die Merkel-CDU,
die Oppermann-SPD und die Hasselfeldt-CSU, zurückhaltender, bescheidener,
leiser aufzutreten. Einen Augenblick lang konnte man die Hoffnung haben, die
gegenseitigen Anschuldigungen seien endlich dem Versuch gewichen, den
Rechtspopulisten der AfD nicht durch die Desavouierung der eigenen
Koalitionspartner immer mehr Zulauf zu verschaffen. 24 Stunden später zeigt
sich: Diese Hoffnung ist eine Illusion geblieben.
Dass die CSU am
Donnerstag ein Papier zum Umgang mit Flüchtlingen präsentierte, das in der Tonlage
aggressiv daherkam, unterstreicht, wie zerstritten CDU, CSU und SPD mit der
größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung umgehen. Die Koalition, die
sich große Koalition nennt, ist im Ringen um gute Politik zum Zwerg verkommen.
Ihre Unversöhnlichkeit richtet sich dabei längst gegen sie selbst. Was in
harmloseren Zeiten noch als parteipolitisches Scharmützel belächelt werden
konnte, hat durch die Erfolge der AfD eine ganz andere Bedeutung bekommen.
Jetzt scheint sich zu bestätigen, was die Rechtspopulisten behaupten: dass die
in Berlin es eh nicht mehr können. Dass die Koalition das zulässt, ist zum
Verzweifeln. [….]