Sonntag, 15. Juli 2012

Alle Mann zurück!



Manchmal frage ich mich insgeheim, ob das Seth-McFarlane-Axiom wirklich zutreffend ist.

Seine These lautete, daß die Kirchen mit ihrem Widerstand gegen Aufklärung ihre Zeit verschwenden.
Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Frauenemanzipation, Folterverbot, Abschaffung der Sklaverei, Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit der Kunst, Abschaffung der Prügelstrafe, Tierrechte, Ächtung von Antisemitismus, Schwulenrechte, Abschaffung des Verbots gemischtrassiger Ehen, Abschaffung des Verbots gemischtkonfessioneller Ehen, Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe, etc pp - all das mußte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.

Die Kirchen waren dagegen und verschwendeten damit sinnlos über Dekaden ihre Kraft.
Glücklicherweise hat sich der kirchliche Widerstand üblicherweise als Mißerfolg erwiesen, weswegen Seth Macfarlane es als Zeitverschwendung betrachtet auf Seiten der Kirche zu stehen:

It is a huge waste of time; if you look back in history every civil rights-movement; the blacks or woman, they always lose. Anyone who tries to fight the advance on any particular minority-group is going to lose - whether it is now, whether it is 20 years from now.
They are wasting their time.

Vielleicht nutzen sie ihre Möglichkeiten aber doch ganz gut. 
Einigermaßen fassungslos beobachte ich wie Parteien, die einst für Bürgerrechte standen - SPD, Grüne und FDP - willig den religiös-archaischen Zirkumzisions-Fetischisten folgen und darüber das Kindeswohl und Religionsfreiheit des Einzelnen opfern.

In Amerika ist ebenfalls ein konservatives Rollback zu beobachten.

Die hässliche Fratze des Rassismus‘ erhebt ihr Haupt, ohne daß sich die Weißen schämen.
Interessanterweise zielt der Hass auch dann auf die Eigenschaft „schwarz“, wenn sie nur partiell vorkommt.

Barack Obama ist selbstverständlich „afro-american“, obwohl er einen weißen und einen schwarzen Elternteil hat. 
Er ist also 50:50 und könnte mit demselben Recht als „WEISS“ bezeichnet werden. 

Genauso ergeht es einem anderen weltberühmten schwarzen Amerikaner, nämlich Tiger Woods, dem besten Golfspieler aller Zeiten, der es bisher mit seinen kleinen Bällchen schon eine Milliarde Dollar verdiente.
Auch Woods gilt für die Amerikaner eindeutig als „schwarzer Golfer“, obwohl er noch nicht mal zur Hälfte „Afro-American“ ist und genauso gut als „Thai“ durchgehen könnte.

Woods' Vater, Earl Woods, war ein afro-amerikanischer Oberstleutnant der United States Army im Ruhestand mit chinesischen und indianischen Vorfahren und war bis zu seinem Tod am 3. Mai 2006 Vorsitzender der wohltätigen Tiger Woods-Stiftung. Seine Mutter Kutilda Woods stammt aus Thailand, hat jedoch auch chinesische und niederländische Vorfahren.

Wer in den Südstaaten "gemischtrassig" ist, gilt als "negro", als Schwarzer. Das fand der Schriftsteller Ilija Trojanow bei seinem Studium Amerikas heraus.

Konsens.

Als Elly A. vor Jahren in die USA einreiste, wurde sie kurze Zeit darauf im Café von einer am Nebentisch sitzenden Gruppe schwarzer Frauen gefragt, wo sie denn herkomme. "Meine Mutter stammt aus Ghana, mein Vater aus England, doch aufgewachsen bin ich -", da fiel ihr schon eine der Frauen ins Wort: "You are either black or you're not, honey."

Nicht Konsens sind hingegen die heftigen rassistischen Attacken auf den US-Präsidenten aus den Tiefen der Teebeutler-Seelen. Daß man Menschen nicht aufgrund ihrer Rasse beurteilen soll, gehört für die der Vergangenheit an.


Jene, die die moralische Weiterentwicklung der Gesellschaft als Knute der politischen Korrektheit begreifen, können die Tabugrenzen wieder verschieben. Wie anders soll man erklären, dass Barack Obama als zaghafter Zentrist von einem beachtlichen Teil der Öffentlichkeit so respektlos wie kein Präsident vor ihm behandelt wird; wie anders soll man den unbändigen Hass begreifen, der ihm in Radiosendungen, TV-Shows und Blogs entgegenschlägt?
Respektlose Behandlung des Präsidenten
Als sich vor einigen Monaten die Republikaner des Staates Montana im Städtchen Missoula versammelten, wurde vor dem Konferenzgebäude ein Plumpsklo aufgestellt, daran hing ein Schild mit der Aufschrift "Obama Presidential Library", so bemalt, als wäre es von Kugeln durchsiebt worden. Drinnen befand sich eine gefälschte Geburtsurkunde eines gewissen "Barack Hussein Obama", versehen mit einem Stempel: "bullshit" (Jeder sechste Wähler ist weiterhin überzeugt, Obama sei insgeheim ein im Ausland geborener Moslem.)
 Auf den Highways sieht man gelegentlich Autoaufkleber mit dem Konterfei eines Schimpansen, darunter in Großbuchstaben "Obama 2012". Eine neue Vulgarität macht sich breit, angestachelt von den zunehmend irrationaler werdenden Konservativen.
Vor allem der Mittlere Westen und die Südstaaten sind fest im Würgegriff von Hetzpredigern, die mit Schaum vor dem Mund den Dämon an die Wand malen und den Untergang der Nation beschwören. "Schwarz" verschwimmt mit "Kommunist" und "Sozialist", verschwimmt mit "Teufel". Auch dies ein altes Muster der Angst und der Verachtung.
Selbst der Wahlerfolg von Obama wird ins Gegenteil verkehrt. Tea-Party-Republikaner wie der Kongressabgeordnete Joe Walsh behaupten inzwischen, Obama sei nur gewählt worden, weil er schwarz sei.

Es geht deutlich bergab mit Amerikas Moral seit die ultrareligiösen Christen immer mächtiger werden.

Der Amerika-Freund und langjährige ARD-Korrespondent in Washington, Klaus Scherer, zeigt sich regelrecht entsetzt.

tagesschau.de: Hat sich die politische Kultur Amerikas verändert?
Scherer: Eindeutig ja, zum Schlechteren. Der Wahlkampf gegen Obama hat im Grunde nie aufgehört, alle Geldschleusen für Großspender sind offen, Stilregeln gelten nicht mehr. Ich habe Mitt Romneys Vorwahlkampf begleitet, da fragte ihn einer aus dem Publikum, ob er ihm als Präsident weiter Waffen zugestehe, um sich gegen eine "tyrannische" Regierung zu verteidigen wie die jetzige. Ich bin sicher, früher hätte jeder dem Mann zunächst geraten, Tyrannen woanders zu suchen. Romney ließ es stehen. Die Republikaner haben Angst vor Obama, deshalb heißen sie alles gut, was ihm schadet. Ihr Haussender Fox News betreibt das mit messbarem Erfolg. Dass hier so viele glauben, Obama sei Moslem, Sozialist und eigentlich gar kein US-Bürger, ist ein Armutszeugnis auch für die Eliten im Lande.
[…]  tagesschau.de: Wie erklären Sie sich den Furor und Zuspruch der Tea-Party-Bewegung?
Scherer: Da kam vieles zusammen. Zuerst der Frust der Wahlverlierer von 2008, die sich ein Ventil suchten, das nicht unter Rassismusverdacht fiel. Dazu die Unterstützung durch potente Geldgeber und durch rechte Politgurus, die jeden ihrer neuen Abgeordneten vor Zeugen unterschreiben lassen, dass er nie mehr eine Steuer erhöht, oder eben durch Fox News, wo die Gesundheitsreform allen Ernstes mit dem Angriff auf Pearl Harbour gleichgesetzt wurde.
Amerika, du hast es besser?

Der Spruch ist veraltet.

tagesschau.de: Ein weiterer gewaltiger Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist wohl das Verhältnis zu Geld und Schuldenmachen. Das merken wir gerade wieder, da die Amerikaner die Eurozone zum Geldausgeben animieren und ein Überdenken des Sparkurses fordern. Gibt es da eine so gänzlich andere Mentalität?
Scherer: Als ich hier ankam, ein Auto kaufte und bezahlte, schaute mich der Händler an als hätte ich Antennen an den Ohren. Das System "Kaufe jetzt, zahle später" war einfach zu lange zu erfolgreich. Das dreht sich so schnell nicht. Andererseits, das Spardiktat der Deutschen hat Europa auch nicht eben stabilisiert. Und dass es in Amerika Sinn machen würde, jetzt Geld in den Strukturwandel zu stecken, weiß jeder Ökonom. Doch statt Kabel unter die Erde zu legen und Bauarbeitern durch die Krise zu helfen, fällt hier weiter nach einem Gewitter tagelang der Strom aus, bei 40 Grad Hitze und mit grotesken Folgeschäden.
tagesschau.de: Ein hartnäckiger Mythos von den USA, der gerne in Deutschland verbreitet wird, ist der vom Dienstleistungsparadies. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?
Scherer: Nach fünf Jahren als Korrespondent schillert der Buchtitel "Wahnsinn Amerika" mit Absicht. Ich bin hier wunderbaren Menschen begegnet, habe begeisternde Städte und Natur bereist. Aber ich wunderte mich in der Tat auch oft, wie schlecht manches funktioniert, welch schludrige Buchhaltung sich dieses Land leistet, wie viele Kundenfragen der Anruf-Computer dezent abblockt. Ich dachte, am freien Markt setzt sich Qualität durch. Vergessen Sie’s. Ich habe zuletzt an Stromversorger, Gaswerk und Telefonbetreiber geschrieben, dass wir umziehen und um die letzte Rechnung gebeten. Keiner hat geantwortet. Und als ich die Bank bat, darauf zu achten, dass die Einzugsermächtigungen storniert seien, sagte mir der Kundenbetreuer, darauf habe eine Bank hier keinen Einfluss.
(TS 09.07.12)