Montag, 10. Dezember 2018

Der neue CDU-Wind.


Hurra, nach 18 Jahren und acht Monaten Merkel-Vorsitz wird alles anders und die Wähler bekommen vor Aufregung solche Hummeln im Hintern, daß die CDU binnen kurzer Zeit von 26% wieder auf 32% geklettert ist. (Unnötig zu erwähnen, daß die SPD mit Desaster-Nahles bleiern im Umfragekeller verharrt.)
Nachdem sich Merz bereits wieder beleidigt zurückgezogen hat – wenn er nicht der Chef sein darf, spielt er nicht mit – fürchten die Konservativen in der Union einen weiteren Linksruck ihrer Partei. Dafür gibt es gewichtige Indizien:
AKK und Merkel hassen sich nicht, AKK ist eine Frau und AKK hat einen Doppelnamen.
Damit das Spahnmerz-Lager nicht rebelliert, bekommt es von der neuen Chefin den stramm rechten Ziemiak-Knochen vorgeworfen. Der 33-Jährige neue Parteigeneral ist Studienabbrecher, Aussiedler (wurde im polnischen Stettin/Szczecin geboren), konservativer Katholik, Familienvater, verfolgt eine ultra-unternehmerfreundliche Politik und kann Zuwanderer und Muslime so gar nicht leiden.
Nach dem Motto „eine Links, einer Rechts“ wird sich die CDU schon wieder ausbalancieren.
Die Linken und Liberalen sind ebenfalls froh, weil Merz all die scheußlichen sozialen Grausamkeiten eingeführt hätte.
Das bleibt uns nun erspart. Also erst mal Ruhe im Puff.
Wenn sich Journalisten hauptsächlich damit beschäftigen wie man Annegret Kramp-Karrenbauer ausspricht, scheint es ja keine wichtigen Themen zu geben.

Die eben beschriebene Sichtweise ist natürlich Bullshit.

1.)

So wie man Russland = Moskau = Putin gern (und fälschlicherweise) synonym benutzt, wird auch Regierung, Kanzlerschaft und CDU-Vorsitz gern vermengt.
Wäre Merz CDU-Chef geworden, hätte dennoch Frau Merkel weiter die Richtlinien der Politik bestimmt. Selbst wenn Merz im Koalitionsausschuss für die CDU konservativer getönt hätte, wäre es dennoch eine Koalition aus drei Parteien mit Koalitionsvertrag geblieben.
Natürlich hätte Merz also keineswegs all die bösen Dinge einführen können, vor denen so viele Linke zittern, denen bei AKKs Wahl die Steine vom Herzen fielen.

2.)

Und Ziemiak? Seit Heiner Geißler hat kein CDU-General die Partei geprägt. Selbst Merkel, die wie auch AKK aus dem Amt den Sprung an die Parteispitze schaffte, schlug in ihrer Zeit als Generalin keinerlei erinnerliche Pflöcke ein.
Oder fiele irgendjemand etwas Inhaltliches ein, das die CDU durch Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer prägt?
Nein, Parteigenerale werden hoffnungslos überschätzt. Das zeigen auch Klingbeil, Beer und Kellner; sie alle sind unbeschriebene Blätter, mit denen sicher niemand eine inhaltliche Positionierung assoziiert.
Herr Kellner ist dabei schon über fünf Jahre im Amt und durchaus „nett“. Aber eben auch langweilig und irrelevant.

3.)

AKK tickt politisch nicht genau wie Merkel, weil sie auch eine Frau ist. Was ist das eigentlich für eine idiotische Sicht der Dinge?
Auch Merkel war nie liberal, sondern setzte gern konservative Lobbyinteressen durch. Aber sie ist eben auch beliebig und achselzuckend bereit jede Position zu räumen, wenn es Macht-taktische Vorteile bringt.
Die neue CDU-Vorsitzende dürfte sogar etwas konservativer als ihre Vorgängerin sein, weil sie verbohrter ist. Das zeigt ihr unpopuläres Beharren auf Homo-Diskriminierung.
Der Drops ist allerdings gelutscht, die „Ehe für Alle“ wird nicht wieder abgeschafft werden, weil die schwulenfeindlichen CDU-Frauen Karliczek, Kramp-Karrenbauer und Merkel das gern so hätten.

AKK begeistert sich allerdings noch für weitere Positionen aus der 1950er Jahre-Mottenkiste.

[….] Ganz unsolidarisch möchte Anne Will von Kramp-Karrenbauer wissen, wie sie eigentlich zu Paragraf 219a steht, also dem Informations- und Werbeverbot für Abtreibungen. Hier droht Streit in der Koalition, geht es doch um eine ethische Grundfrage.
[….] Worauf die CDU-Chefin auf Samtpfoten um das Problem herumschleicht, so lange, bis Will starken Applaus für die simple Nachfrage bekommt, was denn nun ihre Position sei. Kramp-Karrenbauer: "Das Werbeverbot darf und soll nicht abgeschafft werden." [….]

Eine vordemokratische Ungeheuerlichkeit.
Es ist ohnehin absurd, daß von einer Kinderfickerorganisation so viel Druck entfaltet wird, daß es immer noch strafbar ist Schwangerschaften zu unterbrechen. Das hat gefälligst die Schwangere zu entscheiden und nicht ein kirchlicher Berater.
Auf Druck der Ultrakonservativen in der CDU dürfen aber Ärzte noch nicht mal darüber informieren, wie so ein Eingriff funktioniert.
Und die neue angeblich so moderne, demokratische CDU-Chefin unterstützt das.
Allein das ist ein Grund niemals CDU zu wählen und eine Frau sollte das schon erst recht nicht tun.

Ähnlich wie beim §218 (Nur 16% der Deutschen gegen Abtreibung) gibt es auch beim §219a schon lange keine gesellschaftliche Mehrheit für diesen skandalösen Schwachsinn. Menschenfeindliche Christen und C-Politiker können das nur mit Tricks weiter gelten lassen.
Würde im Bundestag offen über den §219a abgestimmt, fiele er zu AKKs Leidwesen, weil auch viele in der CDU den Unsinn nicht unterstützen.
Aber offene Abstimmung ist der CDU-Chefin nun doch viel zu viel der Demokratie. Das darf nicht sein, daß jeder Abgeordnete dem GG §38(1) folgt.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Grundgesetz? Wo kämen wir denn dahin? Nicht mit der CDU!
Wenn im Bundestag erneut über den §219a abgestimmt wird, dann bitte gefälligst so wie es die Chefin befiehlt.

[…..] Zum An­sin­nen füh­ren­der SPD-Po­li­ti­ker, den Frak­ti­ons­zwang für die Ab­stim­mung über die Re­form auf­zu­he­ben, heißt es in der Spit­ze der Uni­ons­frak­ti­on: »Das wäre der Ko­ali­ti­ons­bruch.« Auch Eli­sa­beth Win­kel­mei­er-Be­cker, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frak­ti­on, sagt: »Die Ab­stim­mung über den Pa­ra­gra­fen 219a zur Ge­wis­sens­fra­ge zu ma­chen ist nicht nach­voll­zieh­bar«. Uni­ons­kol­le­ge Mar­cus Wein­berg se­kun­diert: »Das Vor­ge­hen, die Ab­stim­mung über den Pa­ra­gra­fen 219a frei­zu­ge­ben, wird in un­se­rer Frak­ti­on kei­ne Mehr­heit fin­den.« Wäh­rend vie­le Ge­nos­sen den Pa­ra­gra­fen gern strei­chen wür­den, hält eine Mehr­heit der Uni­ons­ab­ge­ord­ne­ten an ihm fest. […..]
(DER SPIEGEL Nr.50, 08.12.18, s.11)

So viel zum neuen CDU-Wind unter der Merkel-Nachfolgerin.

 […..] Und keine Sorge: Die CDU ist auch mit einer weiteren Frau an der Spitze noch eine konservative Partei. Sie war es übrigens auch in den vergangenen Jahren. […..] Annegret Kramp-Karrenbauer ist katholisch geprägt. Sie ist gegen die Aufhebung des §219a. Die Ehe für alle hält sie für ein Einfallstor für Forderungen nach der Heirat von Verwandten oder der Vielehe. Und sie will härter abschieben lassen als Horst Seehofer. AKK ist womöglich konservativer als Friedrich Merz und Jens Spahn zusammen. [….]