Dienstag, 15. Juni 2021

Ärger im Paradies.

 Die christlichen Konfessionen haben in den USA ein anderes Image als in Europa.

Während in der alten Welt die Katholiken mit ihrer Homophobie, dem Zölibat und der strikten Verbannung der Frauen von den Kanzeln als stockkonservativ gelten, haben die evangelischen Kirchentage inzwischen eher ein grünes, feministisches Image. Die deutschen Pietisten und evangelischen CSU-Männer (Beckstein, Söder) fühlen sich bei der Synode schon ganz fremd,

 In den Staaten sind die Evangelen eine ganz andere Kategorie, nämlich evangelikal. Das sind die Harcore-Christiban, die die Bibel wörtlich auslegen – natürlich nur jene Stellen, die gut in ihr konservatives Weltbild passen und nicht das sozialistische Zeug mit der Barmherzigkeit und dem Leitbild der Armut.

Der evangelikale Jesus ist Republikaner, hasst Schwule und die allgemeine Krankenversicherung. Dafür liebt er aber Todesstrafe, Folter, Open-Carry-Guns und AR15s.

Damit verglichen, sind die amerikanischen Katholiken eher liberal, weil sie europäisch geprägt sind und sich nicht ganz so extrem an den lokalen NRA-Ausprägungen orientieren. Die Demokraten John F Kennedy und Joe Biden -  beide nach evangelikalen Maßstäben linksextreme Kommunisten – sind Katholiken.

Dies alles ist natürlich eine vereinfachte Darstellung. Auch in Deutschland gibt es eigentümliche evangelische Freikirchen und immerhin über eine Million erzkonservative Evangelikale.

Die US-Protestanten existieren ebenfalls in vielen verschiedenen Ausprägungen, zumal völlig durchgeknallte Irre laufend eigene Kirchen mit sich selbst als Messias gründen. Trumps persönliche religiöse Führerin Paula White ist ein Beispiel für diese völlig aller Moral und aller Realität entrückten faschistoiden Hass-Kirchen, die politisch am äußersten rechten Rand stehen, mit Verve auf alle Schwachen und Minderheiten eindreschen, selbst dabei unfassbar reich werden und das alles als den unverfälschten Jesus pur aus der Bibel verkaufen.

Die Evangelikalen wurden eigentlich erst mit Ronald Reagan und den Bush-Präsidenten eine enorm starke politische Macht.

Sie nannten sich „moral majority“ und bildeten den Gegenpol zu allem, das sie an den 1960er Hippies und den 1970er Feministen und 1980er Schwulen hassten.
Sie trugen das Banner „family values“ wie eine Monstranz vor sich her, bekämpften Verhütung, voreheliche Beziehungen, Schwulerei, aufmüpfige Frauen, sexy Kleidung und waren die Inkarnation der Prüderie.

Ein GOP-Politiker, der mit einer anderen Frau geflirtet hatte, war erledigt, weil die Millionen erzkonservativen weißen Christen mit ihren lautstarken Megachurch-priests die Daumen senkten.

In einer sich lockernden gesellschaftlichen Stimmung, umwarben die Republikaner immer mehr die Evangelikalen, ließen sich regelrecht ihre Agenda diktieren und machten sich vollkommen lächerlich mit ihren öffentlichen Frömmigkeitsbekundungen.

Aber es war ein gutes Geschäft, weil die Evangeliban zuverlässig Wählerstimmen lieferten.

So wurde auch Donald Trump zum Evangelikalen; indem er einfach behauptete es zu sein.

Wieso sich die Apologeten der Prüderie ausgerechnet hinter einem in dritter Ehe Verheirateten sammelten, ist erst auf den zweiten Blick zu verstehen.

Sie hatten die gemeinsamen Feinde. Die People Of Color, Obama, Gay Marriage, liberale Familienplanung, Regenbogenpartnerschaften.

Kurzum, Evangelikale wie auch Trump, sind ungebildet, intolerant, Rassisten, Revanchisten, misogyn, wissenschaftsfeindlich, xenophob, Impfgegner, Nationalisten, Klimawandel-Leugner, Creationisten und homophob.

Es lief auch gut – Trump wurde gewählt und zerschlug sofort alle internationalen Bande, hetzte gegen Muslime und Migranten, schaffte Dutzende Queer-freundliche, ökologische und Klimaschutz-Regeln ab.

Und er ernannte 200 Bundesrichter, sowie drei Supreme Court-Richter, so daß nun alle evangelikalen Wunschträume erfüllt werden können: Ende der Gay Marriage, totales Abtreibungsverbot, Schluß mit allen Antidiskriminierungsregeln und jeder noch so kleinen Einschränkung beim Waffenrecht.

Blöderweise gingen die letzten Wahlen alle schief.  Trump sitzt nicht mehr im Weißen Haus, die GOPer haben keine Mehrheit mehr.

Da gibt es nun doch einige, die zweifeln und es nicht ganz so toll finden, einen Vollproleten, der immer lügt und mit Pornosternchen  kopuliert als ihren Messias anzusehen. 16.000 Evangelikale rotten sich gerade in Nashville bei der Southern Baptist Convention (SBC) zusammen und haben Redebedarf.

[…..] Die US-Evangelikalen diskutieren in Nashville ihre Zukunft - und streiten über ihr Verhältnis zu Donald Trump.  […..] Die größte evangelikale Konfession in den USA ist heillos zerstritten. […..] Wie eng soll das Bündnis der SBC mit den Republikanern sein - sprich: mit Donald Trump, der in der Praxis immer noch der Anführer der Partei ist? Soll die Konfession sich in die von ihm angestachelten Kulturkämpfe stürzen? […..] Die SBC hat gut 14 Millionen Mitglieder, jeden Sonntag gehen um die vier Millionen Southern Baptists in die Kirche. Der politische und gesellschaftliche Einfluss der Konfession ist enorm - von der Gemeindeebene bis hoch nach Washington. Dass Donald Trump, der mehrfach geschiedene Sexprotz, der mit dem sechsten Gebot so wenig anfangen kann wie mit dem achten, es geschafft hat, die überwältigende Mehrheit der evangelikalen Christen auf seine Seite zu ziehen, war eine taktische Meisterleistung und hat erheblich zu seinem Sieg 2016 beigetragen.  Doch die Allianz mit Trump ist für die SBC nicht ohne Folgen geblieben. Es gibt in der Führung durchaus Leute, die mit Entsetzen sehen, wie die Kirche sich an einen Ehebrecher und Lügner gekettet hat. […..] Wo es Reformer gibt, gibt es auch Gegenreformer: Viele Pastoren an der Basis, die die Bibel als politisches Dokument lesen, die Gott für einen Republikaner halten und die in ihren Kirchen für Donald Trump beten lassen, sperren sich gegen alles, was irgendwie links aussieht. Das gilt ganz besonders beim politisch so aufgeladenen Thema Rassismus. […..]

(Hubert Wetzel, SZ, 14.06.2021)