Mittwoch, 13. März 2013

Franzi also.



Ein interessanter Aspekt der heute erfolgten Papstwahl ist die Entlarvung der Journalistischen Prognosen als völlige Makulatur.
Alle Namen, die die Großsprecher als Papabili ausposaunten kann man jetzt wieder vergessen. Paul Badde, Andreas Englisch, Jüsten, Dobrinski – sie alle hatten eben auch keine Ahnung was in den Köpfen der Purpurträger vorgeht.
Die Konklave-Berichterstattung ist überwiegend lächerliches Zeug. Kein Wunder: Fast alle Journalisten halten das Thema Kirche an sich für mittelalterlichen Schwachsinn.   Die derzeit in allen Details verhandelte Frage nach den Favoriten bei der morgen beginnenden Papstwahl ist ein Klassiker des fernfuchtelnden Hausfrauenjournalismus. Keiner hat eine Ahnung, aber alle haben etwas zu sagen. […] Also interviewen Journalisten, die ihre Basisinformationen von aus dritter Hand informierten Journalisten haben, Journalisten, die immerhin aus zweiter Hand informiert sind und zudem über den unschätzbaren Vorzug verfügen, dass sie die Tanten von Journalisten kennen, die einmal bei einer Zeitung gearbeitet haben, bei der es einen gibt, der sich „Vatikanist“ nennt.

Die Option, die Wahrheit zu sagen und zu schreiben, existiert offensichtlich nicht. Die Wahrheit ist: Wir haben keine Ahnung, weder von den Mechanismen in den Führungsetagen der römisch-katholischen Kirche, noch von den Mustern und Inhalten der Interaktion unter den Wahlberechtigten, eigentlich nicht einmal in Grundzügen von der Organisation, um die es geht. Ist aber so: Es gibt in Redaktionen kaum noch Menschen, die die katholische Kirche nicht für eine skurrile Ansammlung von wirklichkeitsfremden Idioten mit kinderschänderischen Neigungen halten, deren Noch-Existenz sie für ein im Grunde unverzeihliches Versäumnis der Evolution halten.
Erstaunlich an dieser kollektiven journalistischen Schmach ist die Tatsache, daß der Neue, Franzi, (nicht der Erste! Beim Ersten sagt man das noch nicht!) bis vor kurzem noch Jorge Mario Kardinal Bergoglio SJ (* 17. Dezember 1936 in Buenos Aires, Argentinien), enorm gut in das Anforderungsprofil der RKK passt.

Bergoglio ist schon deswegen nicht sehr überraschend, weil er auch schon im Konklave 2005 ein heißer Kandidat war und an die 40 Stimmen zusammenbrachte, bevor er zu Gunsten Ratzis zurückzog. (Im ersten Wahlgang 10, im zweiten Wahlgang 35 und im dritten Wahlgang soll er 40 Stimmen erhalten haben.)

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er eben nicht zur Kurie gehört.
 Offensichtlich hat man allgemein übersehen wie extrem unbeliebt die Vatikanischen Kardinäle geworden sind. Zu offensichtlich war das totale Regierungs- und Verwaltungsversagen während der Herrschaft Woytilas und Ratzinger.
Vatileaks, Bischof Williamson, Moto Proprio, Personalentscheidungen, Vatikanbank IOR. Selbst Kurienbischöfe mußten mindestens acht Monate auf einen Termin beim Papst warten. Es gab noch nicht einmal Kabinettssitzungen, weil die einzelnen Vatikanischen Ministerien (Präfekturen/Diskasterien) eifersüchtig auf ihre Einflussgebiete achteten und stets gegeneinander arbeiten.
So konnte es nicht weitergehen. Das sprach klar gegen einen Kurienkardinal und gegen einen Italienischen Kandidaten.

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er Südamerikaner ist.
 Südamerika ist nun einmal der katholischste Kontinent des Planeten. Dort leben fast 50% der Katholiken. Im globalen Süden wächst die RKK, in Europa schrumpft sie. 
Die enorme personelle Dominanz der Europäer im Kardinalskollegium ist ein abzuschaffendes Relikt.

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er als persönlich bescheiden gilt.
Die Prunksucht Benedikts ging schließlich mehr und mehr Menschen auf die Nerven. 
Was war das heute für ein Unterschied zu Ratzingers Auftritt im April 2005 nach seiner Wahl – er trat im maximalen Protz mit allen päpstlichen Insignien vor die Gläubigen, reckte beide Arme im Politikergestus über sich.
Franziskus hingegen kam in der ganz schlichten weißen Soutane, jubelte nicht und zeigte sich demütig.

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er als Jesuit a priori als Asket gilt.
Der Name Franziskus ist natürlich Programm. Der heilige Franz von Assisi, 1181-1226, Gründer der Franziskaner propagierte absoluten Verzicht auf jede Form von materiellem und geistigem Besitz.
Welch kluger PR-Schachzug des Konklave so einen Mann der steinreichen Kirche mit ihren Luxus-verliebten Kardinälen vorzusetzen.
In der Kurie pflegte man bisher einen ganz anderen Stil.
Geistliche teilen sich Palazzo mit Schwulensauna

[…] 19 Geistliche, unter ihnen ein Kardinal, wohnen in einem Palazzo Tür an Tür mit Europas größter Schwulensauna. So viel Nähe zur Homosexualität pflegt die katholische Kirche in der Öffentlichkeit sonst eher selten.

[…]  In der Ewigen Stadt wohnt der 76-jährige Inder [Kardinal Ivan Dias] laut der britischen Zeitung Independent in einem schicken Zwölf-Zimmer-Luxusappartement - nur einen Stock über Europas größter Schwulensauna, dem "Europa Multiclub".  […] Laut Independent und BBC hat sich der Vatikan 2008 für rund 23 Millionen Euro in den Gebäudekomplex eingekauft. Den Saunaklub beherbergt der riesige Palazzo seit 2004.

Ein beworbenes "Special" der Schwulensauna ist die "Bären-Nacht". In einem Video tritt ein rundlicher Mann auf, der strippt. Bevor er sich auszieht, verwandelt er sich in einen Priester im Gewand.
Solche Pressemeldungen möchte man doch zukünftig bitte vermeiden.
Dennoch gehen die Kurialen mit Bergoglio nicht das Risiko ein die Kirche völlig umzukrempeln. Der Mann ist immerhin 76 und gilt als gesundheitlich angeschlagen.
Da wird er schon nicht allzu forsch die Diskasterien ausmisten, mag mancher Präfekt insgeheim denken.

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er trotz seiner Parteinahme für die Armen und seines persönlichen Desinteresses an Statussymbolen, moraltheologisch als stramm konservativ gilt. Als unter der Präsidentin Cristina Kirchner in Argentinien als erstes amerikanisches Land die volle rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Ehen eingeführt wurde, hielt der Erzbischof von Buenos Aires stramm dagegen. Schwule, Verhütung, Kondome, Frauenpriestertum – all das wird es mit Franziskus nicht geben.

Bergoglio hat den Riesenvorteil, daß er unter den stramm konservativen Kardinälen als angenehm rechts gilt. Mit menschenrechtsfeindlichen Faschisten arrangierte er sich offenbar gern.
Bergoglio wurde verschiedentlich eine zu große Nähe zur Militärdiktatur 1976–1983 vorgeworfen, die ca. 30.000 als „subversiv“ eingestufte Personen entführen und ermorden ließ. Der Menschenrechtsanwalt Marcelo Perrilli warf dem in Argentinien als „Kardinal der Armen“ verehrten Bergoglio 2005 vor, in das Verschwindenlassen der Jesuiten Franz Jalics und Orlando Yorio im Jahr 1976 verwickelt gewesen zu sein. Perrilli erstattete deshalb Anzeige gegen Bergoglio bei einem Gericht in Buenos Aires. Ein Sprecher des Kardinals bezeichnete die Anzeige als Verleumdung. Nachdem sie wieder freigekommen waren, sagten Jalics und Yorio gegenüber dem Ordensgeneral Pedro Arrupe in Rom aus, sie seien von Bergoglio denunziert worden. Noch während die beiden Priester verschwunden waren, hatte Bergoglio Arrupe brieflich mitgeteilt, Jalics und Yorio seien aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen worden.

Während der Militärdiktatur kam es zu weiteren Entführungen und Misshandlungen von Seminaristen, Mitarbeitern des Colegio Máximo San José und politischen Aktivisten in San Miguel, einige davon unter Beteiligung des Jesuitenpaters Martín González. Betroffene und Zeitzeugen sind der Ansicht, dies hätte nicht ohne das Wissen Bergoglios geschehen können, der während seiner Amtszeit als Ordensprovinzial seinen Sitz im Colegio Máximo hatte.
(Wikipedia)
Man wird Franzi erst genauer beurteilen können, wenn er Personalentscheidungen getroffen hat.

Als Atheist bin ich natürlich enttäuscht, da er wesentlich sympathischer als sein Vorgänger wirkt und daher nicht unbedingt die Kirchenaustritte so effektiv wie Benedikt XVI. fördern wird.

Aber ich bin zuversichtlich; auch er wird schnell demonstrieren, daß man aus seinem Verein austreten muß.