Gelegentlich haben sich im Volke bestimmte Meinungen festgesetzt und werden von riesigen Mehrheiten vertreten.
Dazu
gehört beispielsweise die Auffassung Merkel wäre eine besonders
vertrauenswürdige Bundeskanzlerin, daß man „den Russen“ nicht trauen dürfe, daß
„die Griechen“ mehr sparen sollten oder daß Schlepperbanden allesamt bösartige
Kriminelle wären.
Ich
nehme solche demoskopisch erhobenen Daten gern als Beweis für die
Untauglichkeit von plebiszitären Elementen.
Das Volk
direkt zu befragen statt den kundigeren Fachleuten, den Volksvertretern die
Entscheidungen zu überlassen mündet in der Diktatur der Inkompetenz.
Es ist
schon schlimm genug nur dieses eine Volk zu haben, welches schon Gauck, Merkel,
Wulff und Guttenberg zu seinem beliebtesten Politiker kürte, das schließlich
auch die Parlamentarier aussucht.
Es steht
also einem Politiker gut an sich auch mal gegen die überwältigende Volksmeinung
zu stemmen und Entscheidungen wie die für den Euro per Order di Mufti
durchzupauken.
Umgekehrt
wird allerdings auch kein Schuh draus.
Gelegentlich
gibt es auch große Mehrheiten im Volk für richtige Dinge, die aber hartnäckig
von der politischen Klasse ignoriert werden.
Eine
Majorität der Deutschen wünscht Legalisierung von aktiver Sterbehilfe, „Homo-Ehe“
und Marihuana. Die allermeisten Deutschen waren gegen den Irakkrieg, den die
gesamte CDU vehement unterstützte.
Ginge es
nach Volksbefragungen würden außerdem Waffenexporte drastisch eingeschränkt,
Millionäre besteuert, Kapitalertragssteuern und Steuern auf Aktiengewinne
erhoben, würde TTIP gestoppt und auch Datenkrakigkeit wäre schnell am Ende.
Daß sich
in diesen Fällen Politiker so deutlich gegen den Mehrheitswillen ihrer Wähler
stemmen, liegt offensichtlich an sehr effektivem Lobbydruck.
Kirchen und
Finanzindustrie haben alle Möglichkeiten Politiker unter Druck zu setzen und
von ihnen Gehorsam zu erpressen.
Ein
gefährliches Spiel. Denn wenn man wie zum Beispiel die Westerwelle-Rösler-FDP
zu offensichtlich nur Politik nach den Zuwendungen in die Parteikasse betreibt,
steht man womöglich bald ohne Amt und Mandat da.
Nur
wenige Politiker wie Guttenberg oder Merkel sind völlig immun gegen Volkszorn.
Sie
können noch so offensichtlich lügen und betrügen und werden dennoch hartnäckig
von mindestens zwei Dritteln der Wähler adoriert.
Für
andere Politiker kann es in der eigenen Partei und im Ansehen bei den Wählern
schnell bergab gehen, wenn nicht zu begreifen ist, weswegen sie so strikt wider
die Interessen der Mehrheit agieren.
TTIP-,
Ceta- und Vorratsdatenspeicherungsfan Sigmar Gabriel hat es besonders schwer,
da die Gegner seiner Lieblingsprojekte vornehmlich in der Partei hocken, deren
Vorsitzender er ist.
Ich
warte voller Spannung auf stichhaltige Begründungen meines Parteichefs.
Mit
sachlichen Argumenten wäre ich durchaus zu überzeugen; ich bin schließlich kein
Ideologe.
Gabriel
liefert aber nicht.
Er verweist
beispielsweise auf vage ökonomische Versprechen, die industriefreundliche
Institute liefern und die dennoch so grob verfälscht interpretiert werden
müssen, um überhaupt einen Sinn aus TTIP zu destillieren.
Politik und Wirtschaft
sagen Aufschwung und neue Jobs voraus: Werbung für das Freihandelsabkommen
TTIP. Blöd nur, wenn sie sich verrechnet haben. Nun muss auch die EU die
Prognosen korrigieren. […]
Bei der
Datenspeicherung steht Gabriel sogar noch blamierter da.
Er ist
unsolidarisch und düpiert den einzigen richtig guten Minister der SPD: Haiko
Maas.
Da hat
man ausnahmsweise als Sozi mal Grund wirklich stolz auf einen Minister zu sein
und dann kommt der eigene Vorsitzende und haut ihn um.
Parteiintern geht
Gabriel damit auf Konfrontationskurs zu Bundesjustizminister Heiko Maas, der
die Vorratsdatenspeicherung kategorisch ablehnt und es "fahrlässig"
genannt hatte, "den Leuten weiszumachen, dass Anschläge damit zu
verhindern seien". Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann trat in Sachen
Vorratsdatenspeicherung zuletzt auf die Bremse, warnte vor "hektischem
Aktionismus" und erinnerte daran, dass "die beiden höchsten Gerichte
in Deutschland und der EU" diesbezüglich sehr strenge Auflagen erteilt
hätten.
Gabriels
Argumente sind nicht nur schwach, sondern geradezu bösartig und perfide. Wie ein
pawlowscher Hund reiht sich Gabriel in die Reihe der wirklich doofen CSUler
ein, die nach jedem Gewaltakt Vorratsdatenspeichelfluss generieren.
Der
SPD-Parteichef legt sich freiwillig in die Schublade zu Hans-Peter Uhl (CSU),
Wolfgang Bosbach (CDU), Hans-Peter Friedrich (CSU), CSU-Generalsekretär Dr.
Andreas Scheuer und Thomas de Maizière (CDU) – PEINLICH!
Gabriel entblödet
sich nicht mal zu behaupten die NSU-Morde wären mit Vorratsdatenspeicherung
verhindert worden. Das erinnert stark an Lügenminister Thomas de Maizière (CDU),
der das gleiche über die Charlie-Hebdot-Morde sagte, obwohl es in Frankreich
Vorratsdatenspeicherung GIBT, die bewiesenermaßen eben NICHT so eine Tat
verhinderte.
[….]
Und Heiko Maas setzt einen SPD-
Parteitagsbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung um, den wir schon Ende 2011
gefasst haben. Wir sorgen jetzt dafür, dass wir ein verfassungskonformes Gesetz
machen. Hätten wir das bereits zum Zeitpunkt der ersten NSU-Morde gehabt,
hätten wir weitere vermutlich verhindern können. Deshalb werden
Kommunikationsdaten auch nur für schwerste Straftaten und immer nur unter dem
Vorbehalt eines Gerichtsbeschlusses für die Strafverfolgung zugänglich sein.[….]
Als Parteigenosse
darf ich Sigmar ja duzen und sage ihm:
Was
redest Du nur für einen unfassbaren Schwachsinn, wenn der Tag lang ist?
Du kannst doch auch manchmal richtig brillieren, mit Nachdenklichkeit imponieren und grandiose Reden halten; warum also jetzt wieder so eine sagenhafte Eselei???
Du kannst doch auch manchmal richtig brillieren, mit Nachdenklichkeit imponieren und grandiose Reden halten; warum also jetzt wieder so eine sagenhafte Eselei???
Hast Du
überhaupt kein Schamgefühl die zehn Mordopfer des dreckigen Nazi-Terrortrios so
zu instrumentalisieren?
Schäm Dich, Sigi!
Schäm Dich, Sigi!
An dieser Stelle weiß
mensch nicht so recht, wo man ansetzen soll: In Bezug zu den lange
vorherrschenden Ermittlungsansätzen, die einen rechten Hintergrund konsequent
ausschlossen, würde es nicht verwundern, wenn sich Angehörige der Opfer nun
nicht nur (erneut) verhöhnt, sondern auch ohne jede Grundlage
instrumentalisiert fühlen.
„Pietätlosigkeit“ mag
ein passender Begriff sein. Doch in Bezug auf den Umstand, dass der NSU vom
Verfassungsschutz nicht nur mehrfach von V-Menschen beobachtet und infiltriert,
sondern auch gefördert wurde und allem Anschein nach auch heute noch gedeckt
wird, verbleibt einem nur noch die Sprachlosigkeit.
Anstatt aus der Rolle
und der Tätigkeit der involvierten Behörden Konsequenzen zu ziehen oder diese
zumindest zu hinterfragen, fordert Gabriel nun die Wiedereinführung eines
Gesetzes, welches genau diesen Diensten ein sehr mächtiges
Überwachungsinstrument an die Hand gab. In ihrer bisherigen, als
verfassungswidrig erklärten Umsetzung war die Vorratsdatenspeicherung für
Geheimdienste wie den Verfassungsschutz sogar ohne jeglichen richterlichen
Vorbehalt nutzbar.
Bereits vor rund zwei
Wochen sprach sich Gabriel schon einmal für die Wiedereinführung der
Vorratsdatenspeicherung aus: Er begründete die Forderung mit den Anschlägen von
Oslo – hier habe das Instrument dabei geholfen, Anders Breivik zu stellen.
Dumm nur, dass Breivik
weder durch eine Vorratsdatenspeicherung gefasst wurde noch dass es dieses
Instrument in Norwegen offiziell überhaupt gab. Inoffiziell gab es
pikanterweise jedoch wohl eine tolerierte Vorratsdatenspeicherung durch
amerikanische (!) Geheimdienste, welche allenfalls abgefragt wurde, um
festzustellen, dass Breivik keine Komplizen hatte.
Die Massenüberwachung der
NSA und des britischen GCHQ sowie die damit derzeit untersuchten Verstrickungen
des BND scheinen also ein politisches Umdenken des Vizekanzlers nicht einmal im
Ansatz anstoßen zu können.
[…]