Das Schlimme ist, daß man sich schleichend an die ungeheuerliche
Amoral unserer engsten Partner in Washington und London gewöhnt.
In Ankara, Moskau, Manila, Peking, Budapest und Brasilia
sitzen auch keine liebenswerten Altruisten in den Präsidentenpalästen, aber mit
ihnen bildet Deutschland auch keine traditionelle enge Wertegemeinschaft.
Es schmerzt anders und untergräbt die eigene Glaubwürdigkeit
umso mehr, wenn die diplomatischen Neandertaler im eigenen Boot sitzen.
Whatabaoutism ist immer eine erbärmliche
Verteidigungsstrategie, weil sie den argumentativen Widersacher nur mundtot
machen soll und die eigenen Verfehlungen nicht rechtfertigt.
Aber wenn man mit Boris Johnson und Donald Trump im Bett
liegt, muss man sich nicht wundern, wenn in Teheran die Samthandschuhe
ausgezogen werden und wenn Populist Lafontaine lautstark die Heuchelei der
Moskau-Kritiker beklagt.
Der ehemalige SPD- und Linken-Chef, der inzwischen im
angebräunten Querfront-Lager sitzt und zusammen mit seiner Ehefrau Sahra Wagenknecht
mit allen Mitteln eine Rotrotgrüne Regierung bekämpft,
also unbedingt die CDU im Kanzleramt behalten will, packt in seine
antiamerikanischen prorussischen Suaden viele Fakten, die schwer von der Hand
zu weisen sind.
[…..] Der russische Regime-Kritiker Nawalny wurde vergiftet. Unterstellen wir
mal - was nicht bewiesen ist - eine wie auch immer geartete Mitverantwortung
der russischen Regierung.
Kanzlerin Merkel hat im Namen der Bundesregierung das Verbrechen
verurteilt. Der russische Botschafter wurde einbestellt. Die EU sucht nach
einer gemeinsamen Antwort.
Ja, die Bundesregierung hat Recht. Eine den Menschenrechten
verpflichtete Demokratie darf solche Verbrechen nicht widerspruchslos
hinnehmen.
Aber ist die Bundesregierung moralisch berechtigt, solche Verbrechen
gegen die Menschlichkeit zu verurteilen? Eine Regierung, die sich selbst an
völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt, in denen viele Tausende Menschen
grausam ums Leben kommen?
Eine Regierung, die zulässt, dass der US-Drohnenkrieg von deutschem
Boden aus geführt wird?
Ist der Tod eines Kindes, das von US-Drohnen zerfetzt wird, nicht auch
ein Verbrechen?
Wird ab jetzt jeden Tag der US-Botschafter einbestellt? Wird die EU Sanktionen
beschließen, um die täglichen Verbrechen der US-Oligarchie zu ahnden?
Die Vergiftung des Regime-Kritikers Nawalny ist ein
verabscheuungswürdiges Verbrechen. Und viele Menschen werden dieses Verbrechen
verurteilen. Aber die Empörung der US-Vasallen in den europäischen Metropolen
ist feige, erbärmliche Heuchelei. […..]
Die Lafo-Whataboutism-Argumentationsliste wird täglich
länger.
Trump manipuliert die eigenen Wahlen, ruft seine Wähler zu massenhaften Wahlbetrug auf, hebelt die US-Verfassung aus.
Der Mann leidet so offensichtlich an einer schweren narzisstischen
Persönlichkeitsstörung (Narcissistic personality disorder, NPD), daß sich niemand
mehr wundert, wenn er wie ein drittklassiger Gangster in Paris Kunstgegenstände aus
der US-Botschaft stiehlt, um sie mit ins Weiße Haus zu
schleppen.
Der Mann ist so geschmacklos und ungebildet, daß er gar
nicht bemerkte, daß es sich um Repliken handelt.
Boris Johnson will seinem Idol Trump in nichts nachstehen
und lügt inzwischen so dreist und bricht derartig perfide das Recht, daß Jonathan
Jones, der Chefjustiziar der britischen Regierung heute aus Protest gegen die Brexit-Verhandlungen seines Premiers
zurücktrat.
[…..] Um ökonomische Realitäten schert sich der Premierminister nicht - und
Skrupel hat er kaum. […..] Wie es
aussieht, hat Boris Johnson sein Drehbuch für das Drama entworfen. Der
britische Premier baut eine Drohkulisse auf, um Brüssel unter Druck zu setzen.
Johnson verknüpft dabei Deadline und Drohung: Sollte bis zum 15. Oktober keine
Einigung gelingen, werde es keinen Freihandelsvertrag geben. Das Datum ist
geschickt gewählt, denn da findet ein EU-Gipfel statt. Johnson will die Staats-
und Regierungschefs in die Pflicht nehmen, die sich bislang hinter ihrem
Chefverhandler und den EU-Spitzen versteckt haben. […..] Diese Unberechenbarkeit ist Johnsons größter
Vorteil in den Verhandlungen. Die EU täte jedenfalls gut daran, die
No-Deal-Drohung aus London ernst zu nehmen. Denn Johnson könnte durchaus
versucht sein, die wirtschaftlichen Folgen eines harten Brexit mit den weitaus
schwerwiegenderen Folgen der Corona-Pandemie zu kaschieren. Das wäre zwar
zynisch, aber es ist möglich.
Was Boris Johnson noch alles zuzutrauen ist, das zeigt ein Bericht der
Financial Times. Demnach soll er vorhaben, Teile des Austrittsvertrags mittels
nationaler Gesetzgebung auszuschalten. Sollte dies tatsächlich wahr sein, was
man bei Johnson nie wissen kann, würde der Premierminister nicht nur einen
Vertrauensbruch gegenüber der EU riskieren, sondern auch einen Vertragsbruch. […..]
Die britische Regierung wird von einem verlogenen Windei ins
Desaster geführt, während der Kollege in Washington Demokratie, Kultur und
Anstand planiert.
Eine Freude für die Lafontaines dieser Welt.
[…..] Pharisäer und US-Marionetten
[…..] Ohne Anspruch auf Vollständigkeit fallen einem sofort die CDU-Politiker
Röttgen, Merz und Wadephul ein, die als treue Vasallen den Stopp von Nordstream
2 fordern. Bei der SPD ist an vorderster Front Außenminister Maas zu nennen,
der tapfer an Guaidó als venezolanischem Präsidenten festhält und heute in
„Bild am Sonntag“ Putin mit dem Stopp der Gasleitung droht. Von der FDP ist
immer Alexander Graf Lambsdorff zur Stelle, wenn es darum geht, in „Bild“ die
Russen niederzumachen. Bei den Grünen, die im Bundestag seit Joschka Fischer
den verlängerten Arm des US-Außenministeriums geben, sind neben vielen anderen
Bütikofer, Baerbock, Özdemir und Nouripour immer mit von der Partie. Aber jetzt
schießt Katrin Göring-Eckardt wieder den Vogel ab: Sie fordert das Ende des
Baus von Nordstream 2 und ruft Ex-Bundeskanzler Schröder auf, seinen Posten als
Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG zu räumen und sich zu
entscheiden, „ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte steht“.
Da kann man nur bedauern, dass die Grünen zur gerade beendeten
Klausurtagung ihrer Fraktion nicht Jimmy Carter eingeladen haben, der sie mit
seinem Urteil „die USA sind eine Oligarchie mit grenzenloser politischer
Bestechung" vielleicht aufklären könnte. Stattdessen haben sie Madeleine
Albright als Ehrengast zugeschaltet, die mit ihrem berüchtigten Satz zum Tod
von 500.000 Kindern im Irak durch die US-Sanktionen („Wir glauben, es ist den
Preis wert“) die menschenverachtende Politik der US-Verbrecherclique aller Welt
vor Augen geführt hat.
Natürlich kommt Göring-Eckardt mit ihren Freunden von der grünen
Menschenrechtspartei nicht auf die Idee, den ehemaligen Außenminister Fischer
aufzufordern, seine Zusammenarbeit mit der ehemaligen US-Außenministerin in der
Albright-Group aufzugeben und sich zu entscheiden, „ob er auf der Seite der
Demokratie und der Menschenrechte steht“. […..]