Montag, 31. Januar 2022

DIE Sachsen – Teil II

Es gibt Jobs, die ich wirklich unter keinen Umständen machen könnte/wollte:
Soldat, Fischverkäufer, Podologe, US-Präsident, Gerichtsvollzieher, Bundesgesundheitsminister, Kindergärtner.

Am wenigsten gern wäre ich allerdings sächsischer Ministerpräsident.

Ja, sicher, Pauschalurteile können nur falsch sein, aber wie soll man sich für ein Volk einsetzen, welches in weiten Teilen unsolidarisch und xenophob ist?


Ein Volk, in dem 32 Jahre nach dem Abbruch der Mauer energisch die Grundpfeiler der Demokratie bekämpft werden, dem Gewaltenteilung, Wahlen und Pressefreiheit so zuwider sind, daß Journalisten sich nur noch mit Bodyguards unter die Sachsen mischen können. Dresden ist ein so gefährliches Pflaster für Journalisten, daß dort mit "Between the Lines" ein privater Schutzdienst speziell für Kamera-Leute gegründet wurde. Die aggressiven Pegidioten/Covidioten/Freien Sachsen sind zu gewalttätig, um sich ungeschützt unter sie zu mischen.

[….] Klemens Köhler organisiert ehrenamtlichen Begleitschutz für Journalisten, damit diese, wenn es darauf ankommt, ihre 30 Sekunden haben - 30 Sekunden zur Flucht - und zwar nicht in China, Russland oder Somalia, sondern mitten in Deutschland. [….] An diesem Vormittag in Dresden, wo Freiwillige lernen, wie man Journalisten vor Angriffen schützt, geht es um ein elementares Grundrecht: Artikel 5, Grundgesetz, die Freiheit der Presse. Die Freiheit, ungehindert berichten zu können, ohne Zensur, ohne Gefahr für Leib und Leben. Ob Korruption, Machtmissbrauch oder Demonstrationen, es geht darum, Dinge zu hinterfragen. Dieses Grundrecht ist eine der Säulen jeder Demokratie. Journalisten, die in undemokratischen Systemen arbeiten, sind schon lange gefährdet. Weltweit wurden laut der Organisation "Reporter ohne Grenzen" im vergangenen Jahr 46 Medienschaffende getötet. [….] In Kreisen, die das Coronavirus leugnen, Verschwörungsmythen verbreiten, das Land in einer Diktatur wähnen, und unter Neonazis gelten Journalisten als Feinde. Es ist hier nicht, wie in autoritären Ländern, der Staat, der Journalisten bedroht. Die Einschüchterungsversuche, die Gewalt, sie kommen in Deutschland von einer Minderheit, die sich gerne als "das Volk" bezeichnet. [….] Auf der Weltkarte von "Reporter ohne Grenzen" ist Deutschland seit einem Jahr nicht mehr weiß, sondern gelb eingefärbt, statt "gut" nur noch "zufriedenstellend". Als Hauptgrund dafür gab die Organisation damals die Gewalt gegen Medienschaffende an, die "eine noch nie dagewesene Dimension erreicht" habe. Seitdem ist nochmal viel passiert. [….] Journalisten berichten von Gewalt und Drohungen. Wie sie bespuckt und beworfen werden. Sie erzählen von Gesten, die "Kehle aufschlitzen" bedeuten. Von beiläufigen Schlägen im Vorübergehen. Vom Hinweis eines älteren Herren bei einer Demo: "Name und Adresse von dir haben wir schon." Und zu Hause bekommen die Journalisten dann noch Nachrichten ohne Absender, aber voller Hass. [….]

(SZ, 31.01.2022)

Natürlich sind nicht alle Sachsen so, aber die netteren Sachsen, insbesondere die Akademiker, die ebenfalls entsetzt auf ihre aluhütigen Impfgegner-Landsmenschen blicken, verlassen das Bundesland.


Es bleibt DDR, Der Doofe Rest, also die rechten Schreihälse auf den Straßen, deren Sympathisanten und Rudimentär-Demokraten, die keine Notwendigkeit sehen, sich dem braunen Mob entgegen zustellen, die sich mit den AfD-Lokalpolitikern arrangieren und Faschismus für eine legitime Meinung halten – selbst wenn sie persönlich ganz anders denken.

(….)  Sachsens CDU will also dem Beispiel Österreich folgen, zu Nord-Ungarn werden.  Dafür spricht insbesondere der auserwählte Nachfolger, der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, der just sein Bundestagsmandat verlor.  Der Partei-Erneuerer soll also ein abgewählter Rechtsaußen sein, der gruseliges Anti-Ausländer-Vokabular propagiert.  Immer wenn es in den letzten Jahren richtig widerlich braun wurde am rechten CDU-Rand, mischte der designierte Sachsen-MP Kretschmer mit. (….)

(Tiefer in den Sumpf, 18.10.2017)

Ich verstehe die anständigen Sachsen so gut, wenn sie es nicht ertragen können mit ihren braunen Landsleuten in einen Topf geworfen zu werden.

Natürlich gibt es auch in Sachsen Linke, Antifaschisten und Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.

Das sind mutige Menschen. Ich nenne als Beispiel nur die großartige Familie des Wirtschaftsministers Martin Dulig, die den Kopf hinhält. Auch Duligs Sohn wurde schon wegen seines humanistischen Engagements von Nazis gejagt. Was können die Engagierten für ihre tumben Nachbarn?  Nichts, natürlich.

Aber „die Sachsen“ müssen sich eben gefallen lassen von außen betrachtet allesamt in der braunen Schublade zu stecken, weil sie in der Mehrheit zu indolent sind, sich nicht kümmern.

In Hamburg versuchen Pegida und AfD auch immer mal aufzumarschieren. Aber dann finden sich immer sofort so viele Hamburger zusammen, die sich der braunen Pest entgegenstellen, daß die Rechten frühzeitig wieder abhauen und nicht ihre Bilder bekommen. Ja, einmal gab es diese Schill-Peinlichkeit. Aber immerhin wurde das erkannt und zwei Jahre später sank seine Partei von 19,1 % bei den vorgezogenen Neuwahlen ins bodenlose Nichts weit unter die 5%-Hürde ab.  Wir schämen uns heute wenigstens für Schill. (….)

(DIE Sachsen, 21.12.2017)

Kretschmer ist immer noch Ministerpräsident und ließ sich sogar bundesweit dafür feiern, sich so intensiv mit seinem aufmüpfigen braunen Pöbelvolk zu beschäftigen, immer wieder das Gespräch zu suchen und das Proletenpack in den Schoß der Demokratie holen zu wollen.

Es ist honorig, das Gespräch mit seinen Gegnern zu suchen. Mit dieser Begründung führt auch Annalena Baerbock Gespräche.

[….] Entgegen der Meinung von Außenministerin Baerbock ("wer redet, schießt nicht") wird oft geschossen und geredet, manche schießen sogar, um dann zu reden.  […..]

(Kurt Kister, SZ, 30.01.2022)

Baerbock erweist sich an dieser Stelle mal wieder etwas naiv und überfordert, aber zu Recht sucht sie das Gespräch mit Russland, da das größte Land der Erde einen sehr realen Machtfaktor darstellt.

Michael Kretschmer hingegen wertet mit seiner ewigen Rücksichtnahme auf den radikalisierten Menschenhass einer großen lauten Minderheit, den gefährlichsten Feind der deutschen Demokratie auf.

Dabei sind die brutalen Straßennazis eben keine realpolitische Macht wie Putin, sondern wollen es erst werden, wenn die sächsische CDU und ihre Wähler sie genügend gepampert haben.

 [….]  Zwischen Anbiedern und Einknicken: Wie die sächsische Politik mit den Coronaprotesten umgeht.

Ein CDU-Landrat, der auf einer Corona-Demonstration ankündigt, die Impfpflicht für Pflegepersonal missachten zu wollen. Ein Oberbürgermeister, der sich mit Querdenkern solidarisiert. Ein Ministerpräsident, der auf die zugeht, die ihn regelmäßig attackieren und ihn am liebsten verhaften und vor Gericht stellen lassen möchten. Alltag in Sachsen. Die Coronaprotestbewegung treibt die Politik vor sich her. [….]

 „Ich denke nicht, solange wie von der Polizei in Richtung der Demonstranten keine Gewalt ausgeht, wird es auch keine gewaltsame Antwort darauf geben. Die Bürger verteidigen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.“  - Stefan Hartung, NPD

Widerstand, notfalls Gewalt als legitimes Mittel, wenn einem die Politik der gewählten Vertreter nicht passt? Warum also versucht der Ministerpräsident gerade mit diesen Leuten immer wieder ins Gespräch kommen? Franziska Klemenz berichtet seit zwei Jahren von der Corona-Protestbewegung für die Sächsische Zeitung. Sie ist der Ansicht: Kretschmers Gesprächsbereitschaft wirkt nicht souverän. Vielmehr noch, sie ermutige die Szene.

 „Jetzt gerade ist die Folge aus dieser Überforderung von Politik und Polizei mit den Protesten, dass viele Leute sich als der Stärkere im Kräftemessen mit dem Staat wähnen. Die Träumen vom Umsturz. Ich höre da ganz oft, dass sie sich als Sieger einer künftigen Zeit sehen. Und das ist brandgefährlich. Es gibt in Sachsen gerade rechtsfreie Räume, wo wir Journalisten abhauen müssen, weil diejenigen, die Gewalt anwenden, die Stärkeren sind.“ – Franziska Klemenz.

Statt klare Kante zu zeigen, gehen inzwischen einige Lokalpolitiker immer weiter auf die Protestbewegung zu. So der Vize-Landrat in Bautzen. Der CDU-Politiker ist gerade im Wahlkampf. Am Montag erklärte er vor über 2.000 Demonstranten, dass sich das Landratsamt weigern wird, die Impfflicht durchzusetzen. Ab März soll sie für Mitarbeiter von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutschlandweit gelten:

"Wenn sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird, ab dem 16.3., dann werden wir unserm Gesundheitsamt, unseren Mitarbeitern im Landkreis Bautzen, im Pflege- und medizinischen Bereich kein Berufsverbot, betretungsverbot etc. aussprechen." – Ude Witschas (CDU), Stellv. Landrat Bautzen.

Damit kommt der CDU-Politiker einer der Hauptforderungen der „Freien Sachsen“ nach. Sofort feiert die rechtsradikale Partei die Aussage in ihrem Kanal als Sieg.  Von Radikalen gesteuerte Proteste und Politiker, die ankündigen, geltendes Recht nicht umsetzen zu wollen - eine zunehmende Gefahr für den Rechtsstaat. Das Kalkül der so genannten „Freien Sachsen“, die zu immer weiteren Protesten aufrufen, scheint voll aufzugehen.  […..]

(KONTRASTE, RBB 27.01.2022)

Nein, Herr Kretschmer, nein Merz-CDU, man marschiert nicht gemeinsam mit Neonazis, man duldet keine völkischen Schwurbler wie Maaßen und Otte in seinen eigenen Reihen und man wertet NPD-Demo-Anmelder nicht kontinuierlich medial auf, indem der Ministerpräsident ihnen eine Bühne bietet.