Sonntag, 13. Juni 2021

Endlich wieder Zeit sparen.

Dafür, daß ich mir so viele zeitraubende Hobbys konsequent verkneife – Ausgehen, Sport, Tiere, Familie, Frau, Kinder, Reisen, Computerspiele, Saufen, Drogen, Kino, Theater, Essengehen, Heimwerkern, Garten, Modeleisenbahn, Autowaschen, lange schlafen, Grillen, Videochats, Spieleabende, Krimis, Thriller, Gameshows, Talkshows, uvam – habe ich erstaunliche Probleme mit meinem Zeitmanagement.

Allein zu wohnen bedeutet natürlich; sofern man keine Domestiken hat; schon einen täglichen Zeitverlust von ein paar Stunden.

Es hilft ja nichts. Man muss aufräumen, Fenster putzen, einkaufen, waschen, kochen, bügeln, saubermachen, tanken, abwaschen, Wäsche aufhängen, Überweisungen machen, an Versicherungen schreiben, Insekten hinterher jagen, Krimskrams sortieren, Schuhe putzen, duschen, Haare föhnen, Bett beziehen, Pakete abholen, Müll sortieren, Altpapier wegbringen, Biomüll entsorgen, den ekelhaften Küchenabzugsfilter wechseln.

Hinzu kommt das blöde Geldverdienen und schlafen muss man auch irgendwann; auch wenn das in meinem Fall nie mehr als fünf oder sechs Stunden sind.

Meine ganz großer Zeitfresser sind natürlich das Lesen und das Informationen aufsaugen im Allgemeinen. Und es sind immer mehr Bücher, Dokumentationen und Zeitungsartikel, als ich bewältigen kann in 24 Stunden pro Tag.

Manchmal sagen sich Leute, die so sind wie ich – und die gibt es, auch wenn meine Spezies ausstirbt – es wäre schön, nur noch Bücher zu lesen und sich ganz auf Literatur zu konzentrieren.

Aber natürlich klappt das nicht, weil da so viele Zeitungen sind, die für mich als Gatekeeper meines Vertrauens unter den Milliarden täglichen Meldungen das Promille herausfiltern, das so wesentlich ist, daß man davon wissen sollte.

In der ersten Hälfte meines Lebens funktionierte das ganz gut.

Ein neues Thema in der ZEIT oder dem SPIEGEL wurde dort hinreichend ausführlich besprochen, daß man sich gut informiert fühlte. Faszinierte eine bestimmte Angelegenheit darüber hinaus, kaufte man ein Buch, um sich eingehend damit zu beschäftigen.

Heute ist das Internet Segen und Fluch. Informationen sind nur ein paar Klicks, also wenige Sekunden entfernt und so kann bei Interesse immer mal schnell googeln. Die verdammten Algorithmen kennen mich aber so gut, daß es fast nie klappt, nur diese eine kleine Information nachzusehen, nach der man suchte, sondern man bleibt hängen und saugt noch alle möglichen Aspekte dazu ein, die, weil sie nicht strikt aus einer Gatekeeper-Redaktion stammen, schnell auf Abwege führen. Ob man will oder nicht, nach einer halben Stunde ist das Hirn mit Informationsmüll kontaminiert, den man da eigentlich nie reintun wollte. Was Attila Hildmann nun wieder Ungeheuerliches gepostet hat, daß irgendein Königlicher ein Balg geboren und benamst hat oder daß die Twens von heute von ASMR-Videos geil werden.

Aber zum Glück beginnen gerade wieder einmal internationale Fußballwochen.

Das ist ein Segen für mich, da meine Zeitungen, Nachrichtensendungen und Social-Media-Welten ausführlich über allerlei Spieler, Spiele, Spielerfrauen, Spielerkrankheiten und Spielerbefindlichkeiten berichten.  In der SZ sind das gern mal sechs oder acht Seiten. Im Hamburger Abendblatt vier.   Zehn Seiten, die ich komplett ignorieren kann und ungelesen in den Müll werfe.

Denn nichts finde ich idiotischer, ordinärer und nationalistischer als Fußball.

(…..)  […..] Schwennicke  […..] stellt sich der übergroßen Mehrheit der deutschen Fußballfans entgegen. Er versucht nicht nur die Angelegenheit auf Normalmaß zu schrumpfen – es ist nur ein Sport; es gibt keinen Grund, daß alle Politiker und Journalisten ununterbrochen Fußballmetaphern  verwenden müssen, um sich volksnah zu zeigen – sondern zeigt den Mittelfinger.

 [….] Ich finde Fußball doof. Nein, ich finde Fußball grässlich – und ungemein langweilig. Ein Reigen alter Männer steht am Rand und schreit herum, viele mehr oder weniger junge Männer rennen auf einer Wiese herum, erst alle nach links, dann Ballverlust, dann wieder nach rechts, Ballverlust, wieder nach links. [….] Dieses Spiel ist unästhetisch und ordinär. Schon der Klang, wenn der Ball getreten wird, macht mich übellaunig. Es ist ein zutiefst ordinäres Geräusch, es klingt so ähnlich wie die Schläge von Bud Spencer in den alten Prügelfilmen mit Terence Hill. Die Spieler haben keine Manieren, tun sich absichtlich weh, sind nicht nur furchtbar verschwitzt, sondern oft auch noch sehr verdreckt und vom Regen pitschenass und rotzen dauernd auf die Wiese. Manchmal sogar ins Nackenhaar eines Gegners. Das ist so unappetitlich.   Viele Spieler sehen haarsträubend lächerlich aus, obwohl sie sich unwiderstehlich finden. Bei Bayern München gibt es einen, der hat sich sein glänzendes Hemdchen wie ein Ganzkörperkondom auf den Leib schneidern lassen, dazu tippelt er mit kleinen, wichtigen Schrittchen über den Platz, was so hühnerartig aussieht, dass man sich das Lachen verkneifen muss. Der Mann ist ein Star. Für mich ist er eine Witzfigur.   Vollends peinlich wird es, wenn versucht wird, diesem primitiven Sport eine politische oder philosophische Überhöhung zu geben. Dieser Theweleitismus ist noch schlimmer als die plumpe Fußballleidenschaft, die nach schalem Bier riechend, am Wochenende grölend die Bahnabteile füllt. Das ist wenigstens authentisch und stimmig. [….]

(CICERO, 28.04.2013)

Für diese wahren Worte werde ich dem CICERO-Chef ewig dankbar sein.

Er hat so Recht; als Nicht-Fußballer gewinnt man so viel schöne Lebenszeit und erspart sich all die Frustration und schlechte Laune. (…..)

(Ordinär und national, 16.05.2018)

Das Fernsehprogramm, die Zeitungsinhalte, die Internetmeldungen schrumpfen derzeit erheblich für mich. Ich komme viel schneller als sonst durch die Nachrichten, weil ich so viel „Schland“-Müll auslassen kann.

Sogar die TV-Sender, die keinen Fußball zeigen, passen sich an, da sie annehmen, wegen der Bällchentreter-Übertragungen ohnehin keine Einschaltquoten erzielen zu können. Die parallel zum Fußball laufenden Fernsehprogramme sind also ohnehin so ausgedünnt, daß man auch dort auf keine zeitraubenden Inhalte trifft. Derzeit gibt es kein ZAPP, kein Extra3, keine Heute Show, keinen Böhmermann.

SPIELANALYSE

Der Sieg war von uns angedacht.

Dann fiel das null zu eins.

Der Gegner hat ein Tor gemacht,

Nur wir, wir hatten keins.

 

Nach vier Minuten null zu zwei.

Darauf ein Eigentor,

Dann greift der Tormann knapp vorbei,

Das kommt halt leider vor.

 

Beim null zu sieben dachte ich,

Das Spiel ist noch zu drehn.

Am Ende waren’s neunzehn, nich‘?

Jetzt muss man weitersehn.

(Gunnar Homann, Titanic, 05/21)