Heute habe ich einen Umzug durchgeführt.
Der alte Herr zwei Häuser weiter, den ich
schon lange betreue, kam in ein Pflegeheim.
Ich hatte in den letzten Jahren alles nur irgendwie Mögliche
getan, um ihm Hilfe zu organisieren, daß er in seiner vertrauten Umgebung
bleibt, aber ab einem gewissen Stadium der Demenz ist das nun mal nicht mehr zu
verantworten.
Verwandte gibt es nicht, also hängt es an mir.
Da ich als Wrack mit einer Menge Edelstahlteilen in den Knochen
nur sehr bedingt als Möbelpacker tauge, holte ich mir Hilfe von Herrn Durrani, einem
pakistanischen Kleinst-Unternehmer, der mir schon ein paarmal bei Transporten geholfen
hatte.
Wenn es einen Unterschied zwischen Deutschen und Ausländern
gibt, so ist das die Flexibilität.
Erst Donnerstagabend hatte sich die Chance ergeben den Umzug
heute, am Samstag zu machen.
Ruft man aber Freitags einen deutschen Handwerker/Umzugsunternehmer
an, gehen die ohnehin nicht ans Telefon ist, weil es ja nur „ein halber Tag“
ist und wenn man nach Terminen MORGEN fragt, auch noch am Wochenende, lachen
die sich tot oder legen auf.
Herr Durrani hingegen geht immer ans Telefon. Ob nun am
Wochenende oder nachts; das ist egal. Und er ist immer gut gelaunt, zuvor
kommend.
Seine Antwort ist immer „kein Problem.“
Leicht irritiert war er nur als ich nach Luftpolsterfolie
fragte. Daß man Wandgemälde vor einem Transport in Schutzhüllen packt, war ihm
neu.
Aber auch das war selbstverständlich „kein Problem“, er
kauft gern noch vorher diese Folie bei Bauhaus.
Er rief sogar noch mal an aus dem Laden, weil ihm die Dinger
offenbar nicht geheuer waren, „wie viele soll ich kaufen? Zwei ganze Rollen?“
Wir kamen fast gleichzeitig vor dem Haus an, er stand breit
grinsend
- Kurze Hose,
ausladender Bauch, Flipflops – da und vermittelte den Eindruck, er habe sich
noch nie über etwas so sehr gefreut, wie mich zu sehen.
Verblüffend, denn ich freute mich überhaupt nicht auf den
Tag.
Der Herr, dessen Haushalt ich umzog, wußte nämlich nichts
von seinem Glück.
Ich hatte ihn trickreich kurz zuvor zum Friseur gebracht, wo er ausgibig behandelt wurde und nun die Aufgabe in seiner Abwesenheit seine persönlichen Sachen einzupacken und wegzuschleppen.
Ich hatte ihn trickreich kurz zuvor zum Friseur gebracht, wo er ausgibig behandelt wurde und nun die Aufgabe in seiner Abwesenheit seine persönlichen Sachen einzupacken und wegzuschleppen.
(Natürlich legal; ich habe die notarielle Vollmacht.)
Aber ich bin so deutsch sozialisiert, daß ich extremen Widerwillen
davor habe in die Privatsphäre anderer Menschen einzugreifen. Ich klaube nicht
gern den Inhalt des Schreibtisches und Nachschranks anderer Leute auseinander.
Herrn Durrani störte hingegen gar nichts.
Seine Arbeitsweise war auch viel effektiver als Meine.
Während ich schnell im Staub saß, schwitzte und fluchte, stellte sich sein „zweiter
Mann“ (um den ich gebeten hatte), als Duo heraus. Zwei junge Pakistaner,
höflich, klein, dünn, kein Wort deutsch sprechend, packten nämlich nicht „mit
an“, sondern sie waren „die Anpacker“.
Herr Durrani guckte ganz irritiert, als ich ihm einmal einen
Blumenkübel in die Hand drücken wollte. Nein, er sei nur da zum Koordinieren. „Ich
gebe hier die Anweisungen“.
Die beiden Jungs flitzen, schwitzten, schufteten. Ich
schwitze und schuftete. Herr Durrani grinste immer mehr, erzählte, guckte zu
und koordinierte.
Ob der Bewohner wohl sehr alt wäre, schließlich wären die
Möbel alle antik. Ihm gefiel das sehr; er liebe alte Handwerkskunst und möge
kein IKEA.
Klar, ihm konnte es ja auch egal sein, ob man die schweren
Stücke auseinanderbauen kann.
Als ich im erklärte, der Besitzer der Möbel wisse noch gar
nichts von seinem Umzug, weil er schon zu dement sei, um mit ihm zusammen zu
planen, fragte er nach dem Alter, pfiff kurz erstaunt auf und meinte, das wäre
auch zu alt.
Er plane mit 75 zu gehen. In der nächsten Welt wäre es
ohnehin viel schöner und da gäbe es keine Demenz.
Von der nächsten Welt hielte ich nichts, gab ich zu
bedenken, aber ja, auch ich hoffte möglichst vor der Alzheimerkeule den Löffel
abzugeben.
Nun wurde er kurz ernst, die nächste Welt sei real, Mohammed
habe sie mit eigenen Augen gesehen. Der habe sie besucht und von Allahs
Herrlichkeit und dem Glück, welches uns alle erwarte genau berichtet.
Wie könne er sich da so sicher sein, warf ich ein.
Schließlich sei Mohammeds Bericht schon 1.500 Jahre alt und man wisse doch wie
im Laufe der Zeit Geschichten verändert würden.
Das allerdings verstand er wirklich gar nicht. Nein, Mohammeds
Prophezeiungen gelten selbstverständlich für „alle Millionen Jahre und für alle
Menschen“ grinste er wieder zufrieden in sich ruhend. Ich sah einen völlig zufriedenen Menschen vor mir.
Und dann koordinierte er noch ein wenig.