Sonntag, 25. August 2019

Das postamerikanische Vakuum.


Auch die rassistischen, misogynen, homophoben Vereinigten Staaten von Amerika  vor 50, 70 oder 100 Jahren waren unterm Strich eher ein Segen für den Rest der Welt.
Einerseits sperrten sie ausschließlich rassistisch begründet asiatisch-stämmige US-Amerikaner in KZ-artige Internierungslager, warfen zwei Atombomben über zivilen Städten ab und rückten mit einer Apartheits-Armee in Europa ein.
Tatsächlich haben gerade die Deutschen immer noch Grund zur Dankbarkeit.
Deutschland konnte weder allein das bestialische Nazi-Regime loswerden, noch die Demokratie oder Pressefreiheit einführen. All das musste von den drei Westalliierten mit Gewalt installiert werden.
Tatsächlich hätten die Deutschen wie 1944 von Hannelore und Helmut Schmidt prognostiziert eine Zukunft auf primitivsten Jäger- und Sammler-Niveau mit Behausungen in Erdhöhlen vor sich gehabt, wenn sie US-Sieger nicht so sehr viel großzügiger als die Deutschen in den Jahren zuvor gewesen wären, mit Marshall-Plan, Berliner Luftbrücke und Care-Paketen geholfen hätten.
Eine undemokratische Rassisten-Armee schaffte das.

[….] Ausgerechnet die US-Armee, die Westeuropa vom Nazi-Rassenwahn befreite, gehorchte im Inneren dem Prinzip der Rassentrennung. [….] Ihre meist nur aus Afroamerikanern bestehenden Einheiten wurden getrennt von den Weißen untergebracht, sie galten in jeder Hinsicht als Kameraden zweiter Klasse. [….]  Noch in den späten Fünfzigern durfte Leutnant Colin Powell, später einmal oberster Soldat und danach Außenminister der USA, seinen Stützpunkt in Georgia nicht verlassen - wegen der Rassentrennung. [….]

Schwarze US-Amerikaner durften keine Offiziere werden und mussten getrennt von den weißen GIs essen.
100.000 schwarze Soldaten kämpften auf US-Seite für die Befreiung vom Nationalsozialismus in einer Armee mit strikter Rassentrennung.

Washington bestand sogar kategorisch darauf, daß Schwarze keinen Anteil am Siegesruhm haben durften.

[….] Bevor am 26. August 1944 die Befreiung von Paris von den Alliierten mit einer großen Parade über die Champs-Élysées gefeiert wurde, stellten die Amerikaner eine Bedingung. Für die Geste, an der Spitze des Zuges französische Soldaten marschieren zu lassen, sollten Charles de Gaulles Forces françaises libres sicherstellen, dass darunter keine schwarzen Soldaten sein würden. Keine leichte Aufgabe, denn die Truppen von Charles de Gaulle rekrutierten sich zu zwei Dritteln aus den französischen Kolonien. Aber die US-Führung blieb hart. Schließlich herrschte in ihrer Armee noch strikte Rassentrennung. […..]

Bis heute haben es Schwarze noch nicht in alle Top-Ränge geschafft.

[….] Zum ersten schwarzen General stieg 1975 der US-Luftwaffenoffizier Daniel „Chappie“ James, Jr. (1920–1978) auf; die US-Army zog 1982 mit der Beförderung von Roscoe Robinson Jr. (1928–1993) nach. Wieder folgte die US-Navy mit bemerkenswerter Verspätung: Erst 1996 gelangte mit J. (Joseph) Paul Reason (* 1941) ein Schwarzer in den Rang eines Full Admiral. Im Marine Corps steht die Beförderung eines Afro-Amerikaners zum Full General bis heute aus. [….]

Aber die USA der letzten 100 Jahre entwickelte sich. Bürgerrechte wurden erkämpft, Schwarzen stehen formal alle Karrierewege offen, es gibt die Ehe für alle und beinahe wäre sogar 2016 eine Frau US-Präsidentin geworden. Hillary Clinton bekam drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump.
Die USA konnten weiterhin immer wieder segensreich für den Rest der Welt wirken.
Heute kommen die besten Dramaserien von dort, herausragende Schriftsteller, Drehbuchautoren, Sänger, Wissenschaftler.
Nahezu unermessliche reiche amerikanische Stiftungen wirken überall in der Welt segensreich, indem sie Wasseraufbereitungsanlagen liefern, Impfkampagnen starten.
Ja, und manchmal ist sogar die US-Army ein Segen.
Wenn Kalifats-Fanatiker auf die Idee kommen alle Jesiden als „Ungläubige“ abzuschlachten, hat nur die USA die Power das zu verhindern.

Soziale Medien, ultrareiche Nazis wie die Koch-Brüder (David hat glücklicherweise vor wenigen Tagen den Löffel abgegeben), die Mercers, Murdoch oder Adelson trugen dazu bei die Vereinigten Staaten von Amerika auf einen neuen Kurs zu bringen. Kurs Mordor.



Schluß mit Menschenrechten. Schluß mit Rechtsstaat, Schluß mit Umweltschutz, Schluß mit Internationalität, Schluß mit Gewaltenteilung, Schluß mit Schwulenrechten, Schluß mit sozialem Gewissen, Schluß mit Nachhaltigkeit.
Willkommen Rassismus. Willkommen Autokratie, Willkommen Diktatur.

[….]  “I guess I’m going to have to re-evaluate my low opinion of prostate cancer. He was 79, but his family says they wish he could live longer, but at least he lived long enough to see the Amazon catch fire.
Condolences poured in from all the politicians he owned, and mourners have been asked in lieu of flowers to just leave their car engines running. As for his remains, he’s been asked to be cremated and have his ashes blown into a child’s lungs. Now, I know these may seem like harsh words and harsh jokes, and I’m sure I will be condemned for them on Fox News, which will portray Mr. Koch as a principled Libertarian who believed in the free market. He and his brother have done more than anybody to fund climate-science deniers for decades, so fuck him. The Amazon is burning. I’m glad he’s dead and I hope the end was painful.” [….]

Die USA haben aber nicht nur ihren politischen Kurs geändert.
Sie sind vor allem keine Meritokratie mehr.
Der sprichwörtliche Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ ist vorbei für die meisten.
Was in den 40ern, 50ern, 60ern, 70ern noch selbstverständlich war, nämlich sich mit einem normalen Arbeitseinkommen eine Existenz aufzubauen, ein Haus zu kaufen und die Kinder zum College zu schicken, ist längst vorbei.



Wer sich so ein Vorstadt-Idyll-Leben im Jahr 2019 ermöglichen will, schafft das nicht mehr allein. Man muss schon DINK sein (Double Income No Kids) und wenn man doch Nachwuchs haben möchte, reicht nicht mehr ein Job pro Person, sondern es müssen Zweit- und Drittjobs her.
Die Kochs haben ganze Arbeit geleistet; Trump war ihr Vollstrecker.
Das Geld wird jetzt nur noch zu dem reichsten 1% der Amerikaner umgeleitet.
Man kann also immer noch sehr reich werden. Aber de facto nur noch mit einer Methode: Erben.


Dafür ist Trump das perfekte Beispiel. Geschäftlich vollkommen unfähig, stolperte er von Pleite zu Pleite, doch stets eilte sein Milliardär-Papi zur Hilfe.
Donald erbte Papas Reichtum und politisch erbte er Obamas gute Wirtschaft.
Genau wie bei seinen privaten geschäftlichen Aktivitäten der letzten Dekaden, fährt er nun offensichtlich auch die US-Wirtschaft gegen die Wand.





Die Welt braucht einen seriösen großen Global Player, der vorangeht, wenn alle anderen zu schwach sind oder finstere Ansichten haben.
So eine „Führungsnation“ muss nicht perfekt sein, wie wir am Beispiel der USA sahen.
Aber sie darf nicht so schlecht wie Trumpmerika sein.
Nach dem moralischen und intellektuellen Totalausfall Washingtons fragt sich, wer in die Lücke springt.
China?
Und wäre das wünschenswert?
Nach dem Ende des amerikanischen Zeitalters wäre es durchaus wünschenswert, wenn ein demokratisches, soziales EU-Zeitalter anbräche.
So eine EU könnte (wie die USA im Jahr 1945 mit Pressefreiheit und Demokratie) andere Nationen mit Menschenrechten und Umweltschutz nerven.

Aber wie soll das gehen mit Nationen wie Polen, Ungarn, Österreich, Italien und Großbritannien?
Wie soll das gehen, wenn die stärkste Macht Europas bräsig die Zukunft verschläft und mit einer alternden müden Merkel noch nicht einmal daran denkt die eigenen Hausaufgaben zu machen?
Keine Dynamik, nirgends. Außer in Paris. Aber Paris steht allein da.

[…] [Deutschland] ist seiner Selbstzufriedenheit zum Opfer gefallen. Und einer Politik, die eine historische Ausnahmesituation nur verwaltet hat, anstatt die Zukunft zu gestalten.
[…] Deutschland [sorgt] für globale Verzerrungen im Handel […], weil es sich vor lauter Exportstolz und "schwarzer Null" wenig dafür interessiert, die Binnennachfrage anzukurbeln - und damit das Wachstum in Europa. […] Es gab in der Merkel-Ära keine Projekte, die mit Entschiedenheit und Leidenschaft über lange Zeit verfolgt wurden. Das Land ist bräsig geworden. […] Zweitens muss sich die Bundesregierung auf eine neue wirtschaftliche Realität ausrichten, in der Exportstolz nicht mehr ausreicht. In vielen Teilen Deutschlands funktioniert das mobile Internet nur lückenhaft, weder der Mittelstand noch die großen Konzerne sind hinreichend auf die digitale Transformation und künftige vernetzte Produktionsmethoden ausgerichtet. Deutschland muss deshalb investieren in Technologien, Netze, es braucht ein neues Projekt, aus dem in den nächsten Jahren eine neue deutsche Wirtschaftswundergeschichte entstehen könnte, zum Beispiel eine wirkliche Energiewende.
Dafür braucht es Ideen, aber auch Geld. Deshalb gehört dazu auch ein Abschied von der Leitlinie der schwarzen Null. […]
(SPIEGEL LEITARTIKEL, 24.08.2019)

Weite Teile der Bundesregierung liegen durch ihre vollkommen unfähigen Unionspolitiker brach. Nicht auszudenken, in welche Abgründe wir stürzen würden, wenn die Träume der linken Sozis wahr würden und auch noch die sechs fähigen Bundesminister (von der SPD!) das Kabinett verließen und nur noch tumb-faule Lobbyhuren à la Klöcker, AKK, Seehofer, Spahn und Altmaier zu bestimmen hätten.

[….] Die Drei von der Baustelle
Das Verkehrsministerium könnte so viel bewegen. Doch es steht vor allem für Stillstand. Was sind die Gründe? Und was haben die Minister von der CSU damit zu tun? [….]

Ein Drama. Wo soll denn der Weiße Wal herkommen, wenn Tölpel Trump versehentlich die gesamte Weltwirtschaft hinabzieht?

[….]Trump könnte zum Initiator eines weltweiten Abschwungs werden
    Auf die neuen Zölle Pekings reagiert US-Präsident Trump seinerseits mit weiteren Strafabgaben - und einer Tirade auf Twitter, in der auch sein eigener Notenbankchef zur Zielscheibe wird.
    Jüngst hatte der US-Präsident indirekt eingestehen müssen, dass der von ihm angezettelte Handelsstreit immer mehr zur Belastung für die eigene Bevölkerung wird.
    Experten befürchten schon eine globale Rezession.
Donald Trump war außer sich - so sehr, dass er seinen eigenen Notenbankchef am Freitagmittag kurzerhand zum Staatsfeind erklärte und zugleich allen amerikanischen Unternehmen, die Waren in China fertigen, den "Befehl" erteilte, sich nach neuen Produktionsstätten umzuschauen. Was den US-Präsidenten so in Rage gebracht hatte, war die Ankündigung seines vermeintlichen "Freundes" Xi Jinping: Der chinesische Staatschef hatte zuvor mitteilen lassen, dass die Volksrepublik als Reaktion auf die jüngsten Zollankündigungen der Amerikaner ihrerseits weitere Strafabgaben auf US-Warenlieferungen im Gesamtwert von 75 Milliarden Dollar erheben werde. Sie sollen am 1. September und am 15. Dezember in Kraft treten. Mit einer solchen Verschärfung des laufenden Handelskonflikts hatte Trump offenkundig nicht gerechnet.
Noch vor Wochen hatte der US-Präsident einmal mehr erklärt, es sei für ihn ein Leichtes, Handelskriege zu gewinnen. Nun jedoch muss er feststellen, dass Xi offenbar nicht bereit ist, einzuknicken. […]

So wie die USA in den letzten 100 Jahren nie perfekt waren, ist auch Macron nicht perfekt.
Aber er ist um Welten besser als alles was wir sonst zu bieten haben.
Engagiert sich für internationale Zusammenarbeit, Klimaschutz und Konfliktlösungen.
Es gibt erhebliche Unterschiede verglichen mit den deutschen Interessen (Atomkraft, Rüstungsexporte, Russlandpolitik), aber doch genügend Gemeinsamkeiten, um sich nicht nur gegen Trump, Johnson und Salvini zu wehren, sondern international ein positives Beispiel zu setzen, Initiativen zu starten – WENN Merkel nicht so verdammt bräsig und total desinteressiert an allem wäre.
Wenn die Deutschen endlich mal wieder einen Kanzler wie Gerd Schröder hätten, der etwas von internationalen ökonomischen Zusammenhängen versteht.
Unter Merkel und Altmaier befindet sich die deutsche Wirtschaftspolitik leider aber auf schwäbischem Kindergartenniveau.

[….] Warum öffnet die Bundesrepublik nicht endlich die Geldschleusen? Warum legen die Deutschen jetzt kein großangelegtes Ausgabenprogramm auf, das die lahmende Konjunktur anschieben könnte? Fast täglich erheben internationale Institutionen, Ökonomen und Regierende solche Forderungen in Richtung Berlin. Die Argumentation geht in etwa so: Die Bundesrepublik habe enorme finanzpolitische Spielräume, aber die nutze sie nicht. Mit ihrer "Schuldenobsession" schade sie sich selbst und der Weltwirtschaft, schrieb Starökonom Paul Krugman dieser Tage in der "New York Times". Sein Fazit: "Die Welt hat ein Deutschland-Problem."
Tatsächlich gibt es unter den großen westlichen Volkswirtschaften keine andere, die derart niedrige Staatsschulden und einen laufenden Haushaltsüberschuss ausweist. Dabei ist die Bundesrepublik wahrscheinlich inzwischen in einer Rezession. [….]