Dienstag, 13. Mai 2025

Goldig!

 

Ende der 1980er brauchte ich für meine erste eigene Wohnung einen neuen großen Kleiderschrank und bekam über drei Ecken den Tipp „Geh mal nach Domäne hin, die haben gute Sachen und sind billiger als IKEA“.

Das Googlen und Navi-Fahren war noch nicht erfunden, also ließ ich mir genau erklären, wie man in den nächsten Domäne Einrichtungsmarkt GmbH & Co. KG (ab 2008 POCO) und staunte nicht schlecht. Nachdem ich zwei Etagen nur Teppiche gesehen hatte, erreichte ich die Schlafzimmerabteilung und die scheußlichsten Ensembles, die es gibt. Allerbilligste Materialen, alles nur Plastik und Polyester, aber dafür umso reicher mit Gold, Ornamenten und Blumen verziert. Muster, knallige Farben, die Augenkrebs auslösen. Überall Glitzer, Funkeln und Goldfarbe. Natürlich nicht etwa aus Swarowski-Kristallen, sondern tatsächlich aus Plastik und entsprechender Bemalung. Ich konnte es nicht fassen. Das konnte doch niemand freiwillig kaufen. Aber ich bemerkte auch schnell meine eigene Arroganz, denn viele Kunden gingen mit strahlenden Augen durch die Auslagen, bewunderten die satanischen Designs und nickten anerkennend bei den Preisschildern. Mir fiel eine Schulfreundin ein, mit der ich Weihnachten immer ein paar Stunden zu ihren verarmten Großeltern fuhr (sie hatte kein Auto). Im Jahr zuvor hatte sie mir gesteckt, daß die sich zwei neue Kaffeetassen wünschen und als ich nachfragte, (Farbe, Stil), sagte sie ganz sachlich „du kennst doch Oma und Opa, möglichst scheußlich“. Das funktionierte wirklich bei ihnen. Ich suchte die scheußlichsten verziertesten kreisch-orangen Tassen aus, die ich finden konnte und sie waren begeistert. Domäne in den 1980ern wäre ihr Paradies gewesen. Da gab es überbordende Scheußlichkeit im Überfluss. Gleichzeitig verstand ich auch da erst das IKEA-Konzept: Das war der Gegenpol, für alle Menschen mit schmalen Geldbeutel, die NICHT unter schwerer Geschmacksverirrung litten und cleanes, schlichtes Design ohne bunte glitzernde Bordüren wollten. Normalos, die zu Hause genug Gelsenkirchener Barock gesehen hatten.

Mein Vater hatte mir damals den rassistischen Ausdruck „nigger rich“ zugeflüstert. So nannte man in seiner Jugend in den USA abscheulichen Einrichtungsgeschmack der Unterschicht, des White (und sonstigen) Trashs, die es nicht besser wußten und sich auch nichts besseres leisten konnten.

Als US-Amerikaner darf ich sagen, daß schlechter Geschmack nach wie vor eine der unbestrittenen Stärken meiner Landsleute ist. Sicher, das Land ist heterogen und insbesondere an den Küsten gibt es auch Menschen mit ausgezeichneten Geschmack. Aber jeder, der schon mal auf HGTV und Co in US-amerikanische Einrichtungs- und Immobiliendokus gestolpert ist, kennt den Hang zu absolut scheußlichen Klamotten und Möbeln. Insbesondere die Reichen toben sich bei der Deko aus, daß man als Europäer schreiend wegrennen möchte. Gold, Glitzer, Kronleuchter, Kristall, Messing. Ganz schlimm.


Daß Trump raffgierig und korrupt ist, weiß jeder und muss an dieser Stelle nicht extra dargelegt werden. Kriminalität und Bestechung sind die Apotheosen seines gesamten geschäftlichen und politischen Seins. Es geht ihm immer um sich und seine persönliche Bereicherung. Immer noch staunen kann ich aber über seine enorme Plumpheit. Daß er seine Gier und Prahlerei so gar nicht kaschieren kann. 



Daß er es nicht bemerkt, wie alle ihn für seinen grauenvollen Kitsch-Geschmack auslachen. 


Wie sein berühmt-berüchtigtes Apartment im New Yorker Trump-Tower, wie in Mar A Lago, dem Palast der Scheußlichkeit, verwandelte er in 100 Tagen auch das Oval Office in eine groteske Gold-Show der geschmacklichen Primitivität.


So, und nur so, erklärt sich auch die 400 Millionen-Dollar-Bestechung aus Katar. Er nimmt die Boeing 747 als neuen Regierungsflieger an, weil das Ding von innen ebenfalls grotesk mit Gold verziert ist. Die bisherigen Air Force Ones sind nach seinem Geschmack viel zu schlicht. Er mag es goldig.





Und ganz wichtig; nach dem Ende seiner Amtszeit, darf der fliegende Gold-Palast natürlich nicht an seinen Amtsnachfolger übergehen, sondern er wird den Jet privat als seine „Bibliothek“ behalten, um weiter damit fliegen zu können.