Montag, 22. Juni 2015

Linke nerven und linke Nerven.


Nach dem kleinen SPD-Parteitag am Wochenende, überschlagen sich wieder laute im linken Spektrum aktive Menschen mit SPD-Bashing.
Jetzt könne man die SPD nicht mehr wählen, heißt es dort ebenso häufig wie „schon seit Schröder ist die SPD unwählbar“.

Das hört man besonders massiv von den Typen, die ohnehin nie SPD wählen, weil sie deutlich weiter links stehen, oder denjenigen, die durch Nichtwählen oder ein Kreuz bei der Linken oder den Piraten letztendlich für Frau Merkel gestimmt haben.

Dessen muß man sich immer bewußt sein: Wenn man sich als ehemaliger SPD-Wähler nun beleidigt abwendet und gar nicht mehr wählt, bzw seine Stimme einer Partei gibt, die unter der 5%-Hürde bleibt, freut sich nur eine: Frau Merkel.
Damit ist sie wieder eine Stimme näher an der Kanzlermehrheit.
Diejenigen, die von der SPD gefrustet ihre Stimme dem Gesamtkuchen entziehen, sind letztlich dafür verantwortlich, daß es noch wesentlich übler als die angeblich so rechte SPD kommt: Nämlich CDU.
Schon bei der Wahl 2013 hätten wir um ein Haar CDU/CSU-pur bekommen.
Dann gäbe es aber gar keinen Mindestlohn, wesentlich mehr Überwachung, garantiert keine Homoehe oder doppelte Staatsbürgerschaft. Dann gäbe es keine Mietpreisbremse, sondern Steuerentlastungen für die Reichsten.
Neben den Gaga-Projekten Maut und Herdprämie würden weitere xenophobe Programme durchgedrückt werden. Schon jetzt schreit die CSU wieder nach mehr Abschiebungen und Asylrechtsverschärfungen.
Die CDU würde massiv aufrüsten und in der Außenpolitik noch brutaler gegen Russland und Griechenland vorgehen.
Und auch wenn man Gabriel noch so sehr verachtet: Er hat so viele Rüstungsexporte verhindert wie noch keine andere Bundesregierung zuvor.
Ohne die SPD in der Bundesregierung und im Bundesrat könnte man Patientenverfügungen vergessen – ebenso wie Integrationskurse, Hilfen für die Bundesländer bei Sprachförderung und Bildungseinrichtungen.
Ohne die SPD gäbe es mit Sicherheit kein Bestellerprinzip bei Wohnungsvermittlungen; es würden weiterhin VERmieter den Makler bestellen und den MIETER drei Monatsmieten Courtage zahlen lassen.
Ohne Gabriel und Maas würde die NSA bis heute ungeniert den BND instrumentalisieren und es bestünde gar keine Chance etwas über die geheimen Selektorenlisten zu erfahren.
Es gäbe keinen Justizminister, der sich gegen rechtsradikale Umtriebe von Pegida und Co engagieren würde. Keine Umweltministerin würde das Ego-Bundesland Bayern zwingen auch seinen Beitrag bei der Atom-Endlagerung zu leisten.
Ohne die Sozis säßen wieder die Lobbyisten des Atomoligopols direkt im Bundesumweltministerium, um sich selbst die passenden Gesetze zu schreiben.

Es gibt also eine Menge rein inhaltlicher Überlegungen, die eine CDU-Bundesregierung mit SPD-Beteiligung wesentlich besser als CDU-pur oder Schwarzgelb machen.

Natürlich ist das was Gabriel am Wochenende erzwang, also seine Partei auf Vorratsdatenspeicherungskurs zu bringen, aus meiner Sicht der blanke Unsinn.
Ich finde es inhaltlich völlig falsch und glaube – offenbar im Gegensatz zu Gabriel – daß dieser Schwenk auch bei zukünftigen Wahlen eher schadet.

Am Wochenende ist die SPD-Spitze so heftig kritisiert worden, daß ich mir jetzt keine eigenen Formulierungen aus den Fingern saugen muß.
Christoph Hickmann beispielsweise spricht mir aus der Seele:

Sigmar Gabriel hat sich durchgesetzt, die SPD steht zur Vorratsdatenspeicherung. Um das zu erreichen, hat der Parteichef dem bislang erfolgreichen Justizminister Maas die Glaubwürdigkeit genommen, einen tiefen Graben durch die SPD gezogen und den Grünen mal wieder die Gelegenheit gegeben, das Bild einer Law-and-Order-Sozialdemokratie zu zeichnen. All dies für ein Gesetz, das der SPD allenfalls unterhalb der Promillegrenze Stimmen bringen dürfte. Warum tut der Mann sich und seiner Partei das an?
[…..] Sein Einsatz für die Vorratsdatenspeicherung speiste sich aus der Sorge, dass es hierzulande irgendwann einen Terroranschlag geben könnte und dann alle Welt, die Union vorneweg, schnell auf die Sozialdemokraten gezeigt hätte: Weil die nicht wollten, haben wir jetzt halt keine Vorratsdatenspeicherung! Der entscheidende Einwand, dass man den Anschlag damit ja nicht verhindert hätte, wäre in der innenpolitisch aufgeheizten Atmosphäre mit ziemlicher Sicherheit untergegangen - so jedenfalls Gabriels Überlegung. […..] Gabriel ist sich seines Kurses umso sicherer, je lauter die Parteilinken aufjaulen. […..]
        (Hickmann, SZ, 22.06.15)


Aus meiner Sicht war es also inhaltlich und taktisch absurd was die Parteispitze am Wochenende durchzog.
Ja, da muß man sich als einfaches Mitglied mal wieder schämen.

Aber anders als die CDU sind wir keine Abnickerpartei.
Immerhin 40%, also 88 Delegierte, haben NEIN gesagt.
Das war schon ordentlich Gegenwind für den Vorsitzenden. Er kann beim besten Willen nicht behaupten die Basis stünde in dieser Frage voll hinter ihm.
Bei der nächsten derartigen Frage müssen eben noch mal 10% mehr Delegierte mobilisiert werden.
Immerhin hatte man als Parteimitglied so zu wiederholten Male (nach der Mitgliederbefragung über die GroKo) direkten Einfluss auf die Bundesregierung.
Blöderweise gehörte ich in beiden Fragen zur Minderheit, aber das muß ja nicht immer so sein.



Und außerdem betrachte ich Wahlentscheidungen immer noch als Suche nach dem kleinesten, aber realistisch möglichen Übel.
Meine Traumpartei, die 100% aller meiner Wünsche im Programm hat würde ich nicht wählen, wenn sie entweder nicht über 5% käme, oder sie wie die Linke 2013 als Koalitionspartner ausgeschlossen worden wäre.
Und die Grünen, die jetzt so von oben herab über die SPD spotten, sind die Partei, die fest an der Seite der schwarzbraunen Hessen-CDU (Roland Koch, Hohmann, Kristina Schröder, Erika Steinbach, Kanther, Dregger, jüdische Vermächtnisse) steht und zudem inzwischen zu einem Subunternehmen der protestantischen Kirche geworden ist.
Das ist tatsächlich unwählbar für mich.