Gerade legte „meta“ meinen Instagram-Account still.
Das ist im Grunde irrelevant, weil es sich dabei nur um ein kleines privates Profil mit 200 Abonnenten handelt. Stein des Anstoßes war eine Anti-Trump-Karikatur aus dem April 2020, die der Zuckerbergsche Algorithmus schon knapp zwei Jahre später entdeckte und mir daher die Verbreitung von gesundheitlichen Fehlinformationen attestierte.
Dazu gibt es eigentlich nur zwei Anmerkungen.
Erstens sollte ich längst wissen, daß Ironie in Social Media grundsätzlich nicht verstanden wird. Die Algorithmen sind zu doof, um erkennen, daß ich damit natürlich nicht zu einem Desinfektionsmittel-Einlauf gegen Corona raten wollte, sondern mich, ganz im Gegenteil, über diese Falschaussage des damaligen US-Präsidenten empörte.
Zweitens sollte ich längst wissen, daß es sich bei Twitter, Facebook und Co natürlich um private Firmen handelt. Wer da freiwillig mitmacht, akzeptiert deren Nutzungsbedingungen. Wer die Nippel-Verbotspolitik im Zuckerberg-Reich ablehnt, ist schließlich nicht gezwungen dort einen Account anzulegen.
Es ist gewissermaßen wie beim schwedischen Surströmming, dem durch Milchsäuregärung vergammelten Dosenfisch, der geradezu bestialisch faulig stinkt: Unfassbar ekelhaft, aber statt sich darüber zu beschweren, kann man es auch einfach lassen, sich das Zeug zu kaufen, die Dose zu öffnen und das auch noch zu essen.
Die Löschung meines Accounts passiert mir nicht das erste mal, da ich ein Kritiker der Konservativen und der Kirchen bin. Ich habe selbst Schuld, wenn ich mich dennoch bei den privaten Medienkonzernen anmelde. Ärgerlich ist es aber dennoch, weil ich mich mit denen vergleiche, die eben nicht gelöscht werden.
Der rechtspopulistische Verschwörungstheoretiker und Extrem-Covidiot Niklas Lotz, alias „NeverforgetNiki“ versammelt 85.000 Facebook-Abonnenten, 303.000 auf seinem Youtube-Kanal, 62.000 auf Telegram und 53.000 Twitter-Follower hinter sich und verbreitet damit täglich xenophobe und Anti-Impf-Hetze, die eindeutig nicht ironisch gemeint ist, an ein Millionenpublikum.
Kennengelernt habe ich den Posterboy der schwulen Nazi-Szene natürlich über David Bergers PP-Blog. Berger liebte und förderte den Mamas-Liebster-Teenager in Lederjacke von Anfang an so sehr, daß ich bereits spekulierte, bei Lotz handele es sich in Wahrheit um den unehelichen Sohn von David Berger und Michael Kühnen.
[….] In seinen Videos, in denen er starr in die Kamera spricht, wettert Lotz gegen „Massenmigration“ und die Medien, gegen die Grünen, die SPD, die Klimabewegung oder Seenotrettung. Auch die CDU bekommt ab und zu ihr Fett weg. Kritik an der AfD sucht man vergeblich. Auf seinem offiziellen Instagram-Kanal folgt Lotz der AfD, der FPÖ und rechten Youtubern wie Timm Kellner oder Lisa Licentia. Unsere Recherche zeigt: Niklas Lotz wird von einem Netzwerk aus Bloggern, Youtubern und Autoren unterstützt. Sie gaben ihm eine Plattform – und nicht nur ihm. [….] Die Unterstützer der jungen Influencer haben viel gemeinsam: Sie bewegen sich in der Sphäre der Neuen Rechten, die sich eine eigene Medienöffentlichkeit aufbaut und Nachwuchs heranzieht, um ein junges Publikum zu erreichen. Sie verbreiten Desinformation. Und sie kennen sich. [….] Ein Mann half [….] Niklas Lotz bei [….][seinem] ersten Schritt in die Öffentlichkeit: David Berger, der Betreiber des rechten Blogs Philosophia Perennis. Nachdem „Neverforgetniki“ 2016 ein paar Videos über selbstgeschriebene Gedichte veröffentlicht hatte, entstand auf seinem Kanal eine Lücke bis Anfang 2019. Dann tauchte im Januar 2019 ein Gastbeitrag von ihm bei Philosophia Perennis auf, und nur wenig später veröffentlichte er sein erstes politisches Video. Die Richtung, die Lotz einschlug, war damit im Grunde bereits vorgezeichnet. David Berger gehört zu den Publizisten der Neuen Rechten, die sich in der „Vereinigung der Freien Medien“ zusammengeschlossen haben. Im Mai 2019 wurden sie von der AfD zu einer Konferenz in den Bundestag eingeladen. CORRECTIV hat außerdem schon so einige Beiträge von Philosophia Perennis als Falschmeldungen entlarvt. [….]
An dieser Stelle würde ich normalerweise ein paar Beispiele für die braunen Aluhut-Ansichten von Niklas Lotz einfügen. Aber seine Hetze gegen Uğur Şahin, Karl Lauterbach, Christian Drosten, Annalena Baerbock oder Claudia Roth ist so perfide, daß ich keinesfalls auch nur mittelbar zur der Verbreitung beitragen will. Aus diesem Grunde unterlasse ich in diesem Beitrag auch alle Links. Wer sich selbst ein Bild machen will, kann ihn leicht finden und möge ihn bitte bei den Betreibern melden.
Möglicherweise kann man Lotz dadurch in der meta-Welt ein paar Probleme bereiten. Bei Youtube und Twitter haben rechte Verschwörer ohnehin noch mehr Narrenfreiheit. Bei Telegram schließlich, gelten gar keine Gesetze mehr, dort sind Fakten geradezu unerwünscht.
[….] Verschwörungstheorien aller Art sind in sozialen Medien ohnehin allgegenwärtig, aber auf Telegram entwickeln sie eine besondere Energie. Weil das Teilen so einfach ist, ergibt sich in vielen Kanälen und Gruppen ein regelrechter Hagelsturm an Verschwörungsinhalten, die zu einem Amalgam der ständig drohenden, kaum mehr überschaubaren Weltuntergänge werden, wie so oft mit antisemitischer Grundierung: Bill Gates vergiftet uns per 5G, verschwiegene Impfschäden samt Massensterben der Geimpften, George Soros und Angela Merkel sperren uns grundlos ein, Corona wahlweise als Fake-Pandemie oder supergefährliche Biowaffe, Rothschild und die Globalisten, die Pharma-Mafia und das absolut Böse, die uralten, weltbeherrschenden Familien, die an der Apokalypse arbeiten, und so weiter. Die anhaltenden Maximalbedrohungen von allen Seiten lösen eine Dauererregung aus, die zur Sucht werden kann, aber vor allem die Funktion hat, sich als Opfer zu fühlen. Die Opferpose ermöglicht Radikalisierten, Gewalt anzuwenden, die sie als Widerstand und Notwehr begreifen. […..]
Es gibt das Poppersche Toleranz-Paradoxon.
„Weniger bekannt ist das Paradoxon der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
(Karl Popper: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 1“ 1945)
Wenn Falsches und Wahres in den Medien gleichwertig betrachtet werden, kann das nur in die Katastrophe führen.
Anne Will und Sandra Maischberger und Markus Lanz und Frank Plaßberg müssen verstehen, daß man nicht einen Flacherdler und einen Runderdler mit ähnlichen Redezeit-Anteilen in eine Diskussionsrunde setzen kann und damit suggeriert, die Wahrheit läge irgendwo dazwischen. Das ist Schwachsinn. Die Erde ist nicht wie ein Frisbee oder Football geformt. Die Form der Erde ist keine „Meinung“.
Derjenige, der sagt, die Erde ist rund und umkreist die Sonne hat Recht. Derjenige, der sie für flach hält und auch noch den Geozentrismus vertritt hat Unrecht. Simple as that.
Daher muss unsere Gesellschaft eine Methode finden, den Niklas Lotzes der Social Media-Welt ihr Sprachrohr zu entziehen.
Nicht, weil ich gern anderen das Wort verbiete, sondern weil sie rechte Impfgegner-Echokammern bilden, damit das Impfen vieler verhindern und so zu vielen Toten führen.
Da muss die Toleranz ein Ende haben.