Freitag, 30. Juni 2017

Glaubwürdigkeit und so



Nur noch sechs Tage bis Putin, Erdoğan und Trump in meiner Stadt einfallen. Ganz schön was los hier, 11 Polizeihubschrauber kreisen die ganze Nacht über mir, weil die ortsfremden Piloten üben müssen über einer dunklen fremden Stadt zu fliegen (Hamburgs Polizei hat nur zwei eigene Libellen).
Der Verkehr kommt jetzt schon zum Erliegen.

Einen G20-Gipfel in einer Stadt wie Hamburg, die keine breiten Alleen hat, auf einem Areal unmittelbar der extremsten linksautonomen Szene Deutschlands durchzuführen, ist, nun ja, nicht schlau.

Bis auf die 300 Berliner Polizisten, die öffentlich „gebumst haben“ und daher zurück geschickt wurden, sind die Beamten, die das Megatreffen schützen müssen, nicht erfreut.
Einer macht seinem Ärger in einem offenen Brief Luft.

[…..]  Ich bin Ende 30 und Polizeibeamter. Ich versehe meinen Dienst derzeit auf einem Stadtrevier im Streifendienst, vorher habe ich einige Zeit in der Bereitschaftspolizei meines Bundeslandes den Dienst versehen. Mittlerweile bin ich seit über 15 Jahren bei der Polizei.
[…..]     Der von Ihnen geplante G20 setzt all diesen Dingen jedoch die Krone auf. Allein die Kosten, die vermutlich erst nach dem Gipfel abzusehen sein werden, sind eine einzige Frechheit. Soll allein die GeSa (Gefangenensammelstelle) tatsächlich über vier Millionen Euro kosten? Ihr Ernst?
    Ich lade Sie gern ein, wenn Sie noch einen Programmpunkt zwischen teurem Essen und Konzertbesuch frei haben, mal eine Schicht im Streifendienst zu begleiten. Schauen sie sich gern Familien am Rande der Gesellschaft an, die wir in polizeilichen Einsätzen oft erleben.
    Die Menschen, die ohne Obdach auf der Straße (er)frieren, oder die, die sich beim Discounter um die Ecke eine Packung Toastbrot und Käse klauen, um den Kindern Brote für die Schule zu machen. Ist es tatsächlich ihr Ernst, solche Schicksale tagtäglich zu dulden, um an zwei Tagen Milliarden von Euro für Ihr belangloses Stelldichein zu verschwenden, die in unseren sozialen Systemen besser angelegt wären?
[…..]     Wie gut könnte man das Geld in den Pflegeeinrichtungen oder in der Flüchtlingsarbeit gebrauchen? Ich will jetzt nicht die ganz große Keule schwingen, aber bedenken sie bei Ihren teuren Gängemenüs, dass täglich durchschnittlich 40.000 Kinder in Entwicklungsländern verhungern. […..]     Eine komplette Stadt wird lahmgelegt, damit Sie, liebe Staatschefs, Ihre Partner und Freunde, drei schöne Tage in der Hansestadt Hamburg verbringen. In meiner Ausbildung habe ich mal etwas über “Erforderlichkeit” und “Verhältnismäßigkeit” gelernt, nach deren Vorhandensein polizeiliche Maßnahmen geprüft werden sollen.
[…..]     Wir wissen doch alle, dass Ihr Milliardenschwerer Ausflug keinen Konflikt der Welt entschärfen, keine Hungerkrise lösen und kein Heilmittel für eine tödliche Krankheit liefern wird. Nach diesem katastrophalen G7, auf dem nicht ein Problem wirklich angegangen wurde, von dem lediglich Nachrichten über verschärfte Töne und zu fest geschüttelte Hände geblieben sind. [….]

Für mich ist es schwer in das „Gipfel bitte nicht in Hamburg“-Lamento einzustimmen, da ich ja nun einmal selbst Hamburger bin und es doch zu sehr nach dem St. Florians-Prinzip aussähe.

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Gipfel. Sie müssen irgendwo stattfinden. Aber natürlich kann in dieser superkurzen Zeit – 48 Stunden für 10.000 Gesprächspartner – nichts Sinnvolles daraus resultieren.

Da man aber, wieder einmal, nicht auf mich hört, ist der Hamburger G20 so wie er ist.
Einer, der brasilianische Präsident Temer, ist schon abgesprungen.
Es bleiben also nur noch rund 9.999 Teilnehmer, 30.000 Polizisten und erwartete 200.000 Gegendemonstranten.

Mit dem Beifall aller Bundestagsparteien erteilte die GroKo-Bundesregierung Erdoğan Redeverbot in Deutschland. Noch einer eingenordet.

Der Türkische Staatschef ist allerdings ein moderner Liberaler verglichen mit dem steinzeitlichen Massenhinrichter König Salman, der mal eben den Rest der Welt dazu zwingen will den Journalismus im Nahen Osten abzuschaffen und der viel zu reich ist, als daß irgendein Westler ihm widerspräche.


Aber, kein Problem, Salman ist unser Freund.

Worüber Merkel mit ihm reden will?

Stabilität, Klima, Wirtschaft, Nachhaltigkeit!

[…..] Seit Beginn der G20-Treffen im Kreis der Staats- und Regierungschefs setzt sich Deutschland dafür ein, dass der Dialog über den Klimaschutz und über die Herausforderungen einer nachhaltigen und umweltverträglichen Entwicklung fest auf der G20-Agenda etabliert ist.
Das Ziel ist, dass die G20 positive Impulse für die im UN-Rahmen laufenden Verhandlungen gibt. Auf dem G20-Gipfel in Antalya im November 2015 bekannte sich die G20 zu langfristigem Klimaschutz und Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels als Signal für die unmittelbar bevorstehende COP21 in Paris. Sie bekräftige den Willen der G20 zum Abschluss eines ambitionierten, dauerhaften, dynamischen und rechtsverbindlichen Weltklimaabkommens. [….]

[….] Die G20 setzt sich zudem dafür ein, die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen zu stärken. So einigte sich die G20 auf das Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu verbessern und den noch bestehenden Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Erwerbsbeteiligung bis 2025 um 25 Prozent zu verringern. [….]

Klima, Nachhaltigkeit, Teilhabe von Frauen.
Dafür setzt König Salman, der ganz allein Hamburgs prächtigstes und edelstes Hotel, das Vier Jahreszeiten, okkupiert, wirklich Zeichen.
Der Mann ist bescheiden.

[…..]  Die haben in Hamburg 400 Zimmer gemietet, davon 160 bei uns. Der König und sein innerer Zirkel werden bei uns wohnen. […..] Wir haben eine ganz normale Kalkulation durchgeführt und unsere normalen Raten berechnet - angesichts des Gipfels sind das natürlich die Höchstraten des gesetzten Preisgefüges. […..] Der König hat einen exzellent arbeitenden Reisestab. Die waren jetzt schon mehrmals im Vorfeld des Gipfels hier, haben alle Suiten und Zimmer fotografiert, Fluchtwege inspiziert und alle nötigen baulichen Veränderungen mit uns geplant. […..] Etliche der Gäste haben Sonderwünsche, etwa, was die Badezimmertechnik angeht. In der Suite des Königs montieren wir temporär Panzerglas vor die Fenster. Ein paar Wände mussten umgesetzt werden. Und für den König ist auch unsere Royal Suite im Grunde viel zu klein - der braucht große Empfangsräume. Unsere Festsäle haben in etwa das Format königlicher Wohnzimmer und werden mit Sofas und anderen Möbeln für die Zeit seines Aufenthalts zu Lounges und Wohnbereichen umgebaut. Dort wird auch der Thron stehen, den der König mitbringen wird.
[…..]  Der König bringt […..] seine eigenen Köche mit. […..]
Und da sind auch Spezialisten dabei: Leute, die nur Tee kochen, andere, die nur für das Obst zuständig sind. [….]

Salman kommt auch nicht bloß mit popeligen zwei Boeing-Jumbojets wie Donald Trump, sondern gleich mit sechs Jumbos – eben das nötigste Gepäck für zwei Tage.

Ja, Frau Merkel, wenn man die Gäste so anreisen lässt, werden die Themen „Nachhaltigkeit, Entwicklungshilfe und Klimaschutz“ umso glaubwürdiger.
Denn so geht umweltschonendes Reisen!

[….] Seit er sie hat, verreist er nicht mehr ohne: Eine goldfarbene transportable Rolltreppe ist das neueste Reise-Accessoire des saudischen Königs Salman. Das klappbare Gerät made in Germany wird auch in Hamburg zu sehen sein, wenn Seine greise Majestät (81) den Flieger verlässt. Den letzten Meter schwebt er mit einem Lift zu Boden. […..]
Außerdem traditionell im Reisegepäck: die eigenen Limousinen – zur Asienreise in diesem Februar etwa zwei Mercedes S-Klassen. Und Kamele. Auch für den Besuch beim G20-Gipfel wird der Monarch mehrere Kamele einfliegen. Platz genug ist ja, wenn man mit sechs Boeings anreist. Die Wüstenschiffe spenden die für ein saudisches Frühstück benötigte magere Milch. In der Ferne soll eben alles genauso schmecken wie daheim, da unterscheidet ein Herrscher sich nicht vom Pauschal-Touri. Darum auch 30 tiefgefrorene Lämmer, die die Hofköche in der Hotelküche des „Vier Jahreszeiten“ grillen sollen.  [….]