Freitag, 6. Mai 2022

Maximal-Whataboutism

Vielleicht geht es nur mir so, aber ich meine, im Zuge der Massenvermehrung der Querdenker-Covidioten-Pegidioten wird Whataboutism eine immer häufigere Argumentationslinie.

Das ist nur zu verständlich, denn manchmal ist die Heuchelei der „Guten“ so enorm, daß es einfacher ist, deren Missetaten anzuprangern, statt seine eigene wackelige Position zu verteidigen.

Das beste Beispiel ist die US-Empörung über die vorgeschobenen und erlogenen Angriffsgründe Putins auf die Ukraine.

Biden und Blinken haben allen Grund zur Empörung. Die Empörung ist echt. Aber sie sind die falschen Empörten, weil gerade die USA eine lange Geschichte der vorgeschobenen und erlogenen Angriffsgründe auf andere Nationen haben und damit Millionen Tote produzierten.

Wer also auf Putins Seite steht, während Putin aus Washington wüst beschimpft wird, hat es sehr leicht, Washington der Heuchelei zu überführen und damit die Ernsthaftigkeit der US-Vorwürfe zu desavouieren.

Viel schwieriger ist es hingegen, den Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen; da muss man schon zu gewaltigen geistigen Pirouetten greifen, so wie beispielsweise Putins bester Freund Kyrill I., der Patriarch, also Quasi-Papst der 150 Millionen Orthodoxen Christen. Er sieht in diesem Angriff eine legitime Verteidigung gegen die Homosexualität in der Ukraine.

(….) Ich finde den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schlecht und falsch. Wladimir Putin und viele Russen, finden diesen Krieg immerhin richtig, einige sogar gut und richtig.

Zu der Fraktion gehört Patriarch Kyrill I., (bürgerlich Wladimir Gundjajew), der Herr über 150 Millionen russisch-orthodoxe Christen. Quasi der Papst der Rus.  Kyrill mag vor allem Reichtum, teure Uhren, Juwelen und seine Privilegien. Deswegen liebt und unterstützt er seinen Namensvetter Wladimir Putin. Die beiden Wladimirs sind ein Herz und eine Seele. Und den Krieg gegen die Ukraine finden beide Wladimirs einfach geil. Während sich der kleinere, jüngere und glattrasierte Wladimir darum bemüht, rational zu erscheinen und Gründe für den Krieg vorgibt, macht es sich der fünf Jahre ältere Wladimir mit dem Rauschebart und dem besonders albernen psychedelischen Hut einfacher: Er hasst einfach alle Ukrainer, nennt es eine „heilige Pflicht“ der Russen, sich freiwillig als Soldaten gegen die Ukraine zu melden, weil Selenskyjs Landsleute bekanntlich alle Schwuchteln wären und die armen frommen (heterosexuellen!) Russen homopervertieren wollten. Eine völlig einleuchtende Darstellung also, die erklärt, weshalb Kyrill I. den Krieg gut und richtig findet.

Daß die obersten Christenführer in einer rechtsextremen Diktatur die kriegslüsternen Massenmörder an der Staatsspitze stets unterstützen, ist üblich. (…)

(Kriegsansichten, 25.03.2022)

Im dritten Monat des Ukraine-Krieges werden rationale Diskussionen über die verschiedenen Kriegsparteien allerdings schwierig. Ein schneller russischer Sieg, den ich anfänglich auch für wahrscheinlich hielt, ist ganz offensichtlich vom Tisch. Es scheinen auch nicht alle ukrainischen Männer schwul zu sein; dafür gibt es doch zu viele, mit ihnen verheiratete Frauen, die mit ihnen Kinder haben.

Die Hoffnungen Westeuropas, man könne den Krieg irgendwie aussitzen, ohne selbst von ökonomischen Konsequenzen tangiert zu werden, ohne seine Energieerzeugung zu modernisieren und ohne sich militärisch zu positionieren, haben sich zerschlagen.

Es wird auch nicht funktionieren, der Ukraine zu helfen, ohne gleichzeitig Putin zu ärgern und damit seine eigene Gas/Öl-Versorgung zu gefährden.

Die Feuilletonisten und die Verfasser offener Briefe  an die Bundesregierung können sich aufgrund schweren Hinkens auch nicht auf den passenden Weltkriegsvergleich einigen: Erinnert die Situation eher an den Beginn des Ersten Weltkrieges 1914, als allgemeine Begeisterung und übergroße Bereitschaft, sich an Konflikten außerhalb der Landesgrenzen zu beteiligen zu Millionen Toten führten? Oder passt eher der Vergleich mit 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, als es genau umgekehrt war, und die mangelnde Bereitschaft vieler Europäer, sich rechtzeitig Hitler entschieden entgegen zu stellen und sich kriegerisch in anderen Ländern zu engagieren, dazu führte, daß Deutschland immer weiter ging und schließlich über 60 Millionen Tote und einen zerstörten Kontinent hinterließ?

Ist Putin so hitzköpfig, daß er militärisch in die Enge getrieben und von einem entschlossenen Westen aufgehalten, neroesk mit seinem Untergang alles mitreißt und Atombomben abschießen lässt?

Ist Putin so eiskalt, daß er kleine Atombomben oder andere Massenvernichtungsmittel gegen die Ukraine/Moldau einsetzt, wenn er eben nicht von einem entschlossenen Westen militärisch aufgehalten wird?

Die Argumentationslinien sind kompliziert in so einer Gemengelage. Es ist einfacher, die Ungereimtheiten in den Argumenten der Gegner herauszustellen, als stringent die eigenen Argumente vorzulegen.

Müssen wir jetzt dringend, ganz schnell, viele Deutsche Panzer in die Ostukraine schicken, weil nur so Putins gewaltige Militärmaschine daran gehindert werden kann auch in Polen einzumarschieren?

Oder handelt es sich bei Putins Wunderwaffen eher um Potemkinsche Truppen, die von ukrainischen Zivilisten mit Traktoren vernichtet werden können?

Kommt die russische Armee eher nach Berlin, wenn sie sich gerade im Zuge der Feierlichkeiten des Sieges über Hitlerdeutschland über westliche Demütigungen und Nato-Engagement ärgert?

Oder hatte die russische Armee das nie vor, macht es aber, weil die NATO so viel Rücksicht nimmt, sich in der Ukraine zurückhält und das in Moskau als Schwäche gedeutet wird?

Einfache Lösungen existieren nicht und daher bin ich mehr und mehr zufrieden mit einer Scholz-Regierung, die es sich eben auch nicht einfach macht und nicht durch Ad-Hoc-Aktionen in aussichtslose Situationen hineinstolpert.

Ich halte es für fast gleichermaßen gefährlich, in dieser Situation, jede militärische Unterstützung der Kriegspartei Ukraine abzulehnen oder andererseits „all in“ zu gehen, und mit allem, das die Bundeswehr hat, Kiew zu Hilfe zu kommen.

Zwischen diesen Antipoden zu mäandern, führt auch nicht dazu, ernst genommen zu werden.
Also was tun, wenn die Zukunft so schwer vorherzusehen ist und jede Handlungsvariante die fatal Falsche sein könnte?

Da hilft nur Whataboutism und der wird von niemand besser beherrscht, als vom Links-abtrünnigen Saar-Paar Sahra Sarrazin und Oskar Lafontaine.

Bei Sandra Maischberger milderte Wagenknecht Putins Missetaten, indem sie über die Ukraine whatabboutiste.

[….] Wagenknecht unterstellt Ukraine Kriegsverbrechen im Donbass.  […]

(Merkur, 04.05.2022)

Ehegatte Oskar steht ohnehin auf der Seite Kyrills und holte in einem meisterhaften Maximal-Whataboutism gleich noch einen weiteren Papst als argumentative Hilfe gegen den Westen, die Nato und die Grünen.

[…] Der Papst und die Lügner und Heuchler des Westens

Hinter jedem Konflikt stünden internationale Interessen. Vielleicht habe das „Bellen der NATO an Russlands Tür“ den Krieg ausgelöst, sagte Papst Franziskus dem Corriere della Sera. Jetzt bellen die Lügner und Heuchler des Westens vor seiner Tür. Mit seiner Analyse, dass internationale Interessen – das heißt, das Interesse der USA, Russland einzukreisen und die Ukraine zu einem Vasallenstaat Washingtons zu machen – den kriegerischen Konflikt ausgelöst haben, hat der Bischof von Rom den Dauerlügnern und Kriegstreibern so richtig in die Suppe gespuckt. Und dass er im Gegensatz zu den Heuchlern in Politik und Medien erkannt hat, dass man an den Grenzen einer Atommacht keine Raketen ohne Vorwarnzeit aufstellen darf, zeigt, wie wichtig seine Stimme in einer Welt ist, in der Totalitarismus und Militarismus sich immer mehr ausbreiten.  Wir müssen wie der Papst die unsägliche Heuchelei und Lügenpropaganda bekämpfen.

Wer Staatsmänner, die wie Putin einen völkerrechtswidrigen Krieg befehlen, „Kriegsverbrecher“ nennt, muss US-Präsidenten wie Clinton (Jugoslawien-Krieg), Bush (Afghanistan- und Irak-Krieg), Obama (Afghanistan-, Libyen- und Drohnenkrieg) oder Biden (Drohnen-Krieg) ebenfalls „Kriegsverbrecher“ nennen.

Wer das „Morden in der Ukraine“ verurteilt, muss das „Morden“ in den verbrecherischen Angriffskriegen des Westens genauso verurteilen.

Und wer wegen der „Kriegsverbrechen“ jeden Tag Sanktionen gegen Russland fordert, muss die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA sofort beenden.

Nachtrag: Die größten Lügner und Heuchler sind die Grünen, die die Kindsmörderin Madeleine Albright (der Tod von 500.000 irakischen Kindern infolge der Sanktionen waren „den Preis wert“) zu ihrer außenpolitischen Ratgeberin erkoren hatten und vor den Scheichs, die vergewaltige Frauen ins Gefängnis werfen, ihren Diener machen, um teures Flüssiggas zu bekommen. […]

(O. Lafontaine, 05.05.2022)

Und ja, ich ärgere mich jeden Tag über die FDP in der Ampel-Regierung, aber die Seeheimer in der SPD hatten eben doch Recht: RRG ist mit diesen Linken aus außenpolitischen Gründen nicht möglich.

Ich habe lange dagegen gehalten und für RRG argumentiert, aber ich hatte Unrecht.