Samstag, 5. Februar 2022

Enemy Alien

Also das mit dem Rechtsstaat in den klassischen alten Demokratien war und ist nicht ganz so Gold, wie es glänzt, wenn man es mit faschistischen Diktaturen wie Hitler-Deutschland vergleicht.

Im angelsächsischen Recht gibt es den juristischen Terminus „enemy alien“. Damit gemeint sind im Land lebende Staatsangehörige einer anderen Nation, mit der man sich im Konflikt befindet.  Es wird dabei nicht sauber nach Nationalität getrennt, sondern es handelt sich auch um drastischen Rassismus.

Nach dem japanischen Angriff 1941 auf Pearl Harbor, waren nicht nur japanische Staatsbürger innerhalb der USA plötzlich Feinde, sondern auch asiatisch aussehende US-Bürger.  Die große liberale Ikone Roosevelt, FDR, US-Präsident 1933-1945, war es selbst, der massiv xenophobe Stimmungen erzeugte und 1940 den Alien Registration Act auf den Weg brachte. Alle im Ausland geborenen Menschen, die in der Einwanderernation USA lebten, mussten sich registrieren lassen Mit den Präsidialproklamationen 2525-2527 wurden erst Menschen japanischer Abstammung, dann Deutscher und schließlich auch Italienischer zu „Enemy Aliens“ erklärt.

Der größte Hass schlug den asiatisch-stämmigen Menschen in den USA entgegen. 120.000 Bürger japanischer Herkunft, darunter immerhin rund 80.000 US-amerikanische Staatsbürger, wurden unter menschenrechtswidrigen Bedingungen in Internierungslager gesteckt.

Es war eindeutig ein rassistisches Verbrechen.

Aber die USA waren damals, obwohl sie nach denselben Gesetzen und derselben Verfassung von heute existierte, eine rassistische Nation. Eine Nation, die mit dieser Verfassung fast 100 Jahre lang Sklaven hielt und 150 Jahre Frauen das Wahlrecht vorenthielt.

Die USA waren 1940 verglichen mit Deutschland liberal, demokratisch und frei. Daher muss Deutschland ihr auch für immer dankbar für die Befreiung vom Nationalsozialismus sein. Nicht ohne Grund inspirierten die in Deutschland einmarschierten GIs in den 1940er Jahren so viele Menschen zu großer Amerika-Begeisterung. Aber schwarze GIs durften die US-Offiziersclubs nicht besuchen.

Es gibt sehr unrühmliche Geschichten der Alliierten des zweiten Weltkriegs.

So wurden in England rund 10.000 jüdische Kinder deutscher Herkunft interniert. Im Kanadischen Quebeck noch einmal 4.000 jüdische Kinder.

[….] Der Überfall auf Polen am 1. September 1939 markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs und beendet den "Kindertransport". Deutsche in Großbritannien werden nunmehr zu "enemy aliens" erklärt und in Internierungslager gebracht. Diese Maßnahme betrifft 1940 auch knapp 1.000 Heranwachsende, die mit dem "Kindertransport" ins Land kommen und zwischenzeitlich volljährig werden. Sie werden ebenfalls in Lagern auf der Isle of Man, in Kanada oder Australien inhaftiert.  [….]

(bpb, 24.04.2018)

74.000 in England lebende Flüchtlinge aus Italien und Deutschland wurden als „Enemy Aliens“ behandelt und so viele von ihnen in Lager gesperrt, bis die Kapazitäten so ausgelastet waren, daß man sie nach Australien und Kanada verschiffte. Man traute ihnen nicht, weil sie aus Deutschland stammten, sperrte sie lieber pauschal weg.

In Großbritannien gab es, immerhin, Bemühungen die „Feindlichkeit“ der Juden zu untersuchen und befand, daß einige von ihnen nicht ganz so gefährlich waren.

[….]  Mein Vater wurde nicht interniert, weil er ein Magengeschwür hatte, aber jeder Ausländer musste zur Polizei gehen und wir alle wurden befragt und verschiedenen Kategorien zugeordnet. Wir waren natürlich alle »feindliche Ausländer«, aber einige von uns waren »feindliche Ausländer«, andere »freundliche feindliche Ausländer«, das war eine neue Klassifizierung. Glücklicherweise wurden meine Eltern als »freundliche feindliche Ausländer« eingestuft.  Natürlich waren wir nicht die einzigen, die nach England oder nach London emigriert waren. Es gab in London einen Stadtteil, in dem sich jüdische Flüchtlinge bevorzugt niederließen, der bald »Abrahamstead« genannt wurde, sein richtiger Name war aber Hampstead. Jedenfalls hieß die Hauptstraße von Abrahamstead Finchley Road, und da alle Ausländer an die nächtliche Ausgangssperre gebunden waren, wurde die Straße schon bald »Curfewstendamm« genannt.

[Das englische Wort für »Ausgangssperre« ist curfew.]  [….]

(Felix Franks, 1944, Jüdisches Museum Berlin)