Donnerstag, 3. Januar 2013

Heuchelnde Moralapostel.




 Kein Tag im Hamburger Abendblatt ohne Bischöfe, die dem Leser den moralischen Weg weisen.
Heute ist der Hamburger Erzbischof Werner Thissen besonders in Rage:

„Erzbischof ist entsetzt über Suizid-Hilfe“

 - so lautet die Artikelüberschrift auf Seite 7 im Hamburg-Teil.

Dazu kann ich nur antworten:

„Tammox entsetzt über Erzbischof!“ 

Der Grund, weswegen sich Thissen so echauffiert, ist der konservative Christ Roger Kusch, der  Mann, der einst im Kanzleramt Helmut Kohls Akten geschreddert hatte und dann Hamburger Justizsenator wurde.
 Nicht, daß er etwas von Juristerei verstünde, aber er war der Busenfreund des Bürgermeisters. Eine Beziehung mit Geschmäckle. 
Nachdem von Beusts Koalitionspartner Herpes-Schill herausfand, daß der schwule Senator Kusch in der Wohnung des ebenfalls schwulen Bürgermeisters von Beust wohnte, versuchte der koksende, rechtsextreme Innensenator den Regierungschef zu erpressen. 
Nicht um Geld, aber dafür wollte Schill auch das Recht haben eins seiner Betthäschen in die Regierungsmannschaft zu holen.
Dabei galt in der Vorstellung des Innensenators 
„schwuler Mann + schwuler Mann = automatisch sexuelle Aktivitäten“,
 als ob es gar nicht möglich wäre, daß zwei Schwule befreundet sein könnten, ohne zu kopulieren.

Später wurden Schill UND Kusch gegangen. 
Schill floh vor der Justiz nach Brasilien, Kusch trat aus der CDU aus, gründete seine eigene rechte Partei und wurde dann als Sterbehelfer berühmt.

Was ich von der Politik des Trios des Grauens halte, bzw hielt, dürfte sich jeder vorstellen können.
Tatsache ist, daß die drei Rechten so ziemlich jede erdenkliche bürgerrechtliche Schweinerei anzettelten, ohne daß sich der Herr Erzbischof entsetzte.

Rechtsradikale Tiraden im Bundestag, mutwillige Infizierung der Inhaftierten mit Hepatitis und AIDS durch Demontage der Spritzenautomaten, geschlossene Jugendheime statt sozialer Betreuung, Brechmitteleinsatz mit Todesfolgen, Hatz auf Obdachlose und Bettler, Forderung nach dem „Moskau-Kampfgas“ für den Polizeieinsatz, Internierungslager für Ausländer dunkler Hautfarbe und nächtliche Abschiebungen.
All das konnte der CDU-Senat treiben, ohne daß Bischöfe aufgeschrien hätten.

Nun tut aber Roger Kusch einmal im Leben etwas sinnvolles, indem er Menschen mit dem verzweifelten Wunsch zu sterben HILFT, statt sie allein zu lassen und zum Leben in unerträglichen Schmerzen zu verurteilen - und da jaulen sie auf! 
Mit Bestürzung hat Erzbischof Werner Thissen auf die Nachricht reagiert, der Verein SterbeHilfeDeutschland des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch habe im vergangenen Jahr 29 Menschen in Deutschland beim Suizid begleitet. "Es ist offensichtlich: Hier besteht seitens des Gesetzgebers dringender Handlungsbedarf", sagte Thissen dem Abendblatt. "Notwendig ist eine eindeutige Absage an jede Form der organisierten Suizidhilfe. Kranke und Leidende benötigen keine Unterstützung bei der Selbsttötung. […]
 Der Mainzer Kardinal haut in die gleiche Kerbe.
 Auch er läßt jegliche Empathie vermissen und spricht anderen Menschen das Recht ab, ihre eigenen Entscheidungen zu fällen. Auch Lehmann möchte Kranke sich quälen sehen.
Der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann hat eine gesetzliche Absage an organisierte Sterbehilfe gefordert. Der Oberhirte sagte am Montag anlässlich seiner Jahresschlussandacht im Mainzer Dom, er sei mit Blick auf die anstehende Entscheidung im Bundestag «selbstverständlich» für eine Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung. «Aber wir wollen auch über die gewerbsmäßige Hilfe hinaus eine klare und eindeutige Absage an jede Form der organisierten Suizidhilfe.»
(Welt 31.12.12
Man soll und darf nicht sterben, aber wenn man schon stirbt, soll das möglichst lang hingezogen werden und weitab der Öffentlichkeit in Pflegeheimen passieren. Die Zukunft hat schon begonnen: Lästige pflegebedürftige Alte werden ins Ausland abgeschoben - aus den Augen, aus dem Sinn. Danke an die Christliche Bundesregierung.

Daß Individuen mit der individuellsten Angelegenheit überhaupt, nämlich dem eigenen Leben womöglich ganz anders umgehen wollen, ist in der veröffentlichten Diskussion nicht vorgesehen.

Beim Thema Sterbehilfe und Patientenverfügung reagieren Journaille und politische Klasse bemerkenswert unterkomplex; setzen einfach voraus, daß Suizide zu ächten und zu vermeiden sind.
Warum eigentlich?

SZ-Journalistin Nina von Hardenberg, die zu dem Thema schon enormen Unsinn verzapft hat, würdigt  im Leitartikel der Süddeutschen den Leutheusser-Schnarrenberger-Gesetzentwurf für ein Verbot der Suizidhilfe.

Daß überhaupt eine andere Meinung möglich sein könnte, kommt ihr gar nicht erst in den Sinn - und das ist noch eine relativ liberale Stimme.
In einem Land wie Deutschland, das aufgrund seiner Geschichte ein besonders sensibles Verhältnis zum Thema Sterbehilfe hat, reicht eine moralische Begründung aus. Man muss die Umtriebe des Hamburger Ex-Senators Roger Kusch nicht billigen, der sich darin gefällt, in Altersheimen Sterbeautomaten vorzustellen. Man muss auch den deutschen Ableger der Sterbehilfeorganisation Dignitas nicht tolerieren, die lebensmüde Menschen in die Schweiz vermittelt. Solche Organisationen gehen mit der Not der Menschen zynisch um. Sie bieten scheinbar einfache Lösungen an, und senden damit ein fatales Signal an alle, die mit Lebenskrisen kämpfen.
(N.v.H. 27.12.12)
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Es ist zynisch leidende Menschen mit dem Wunsch zu sterben allein zu lassen und ihnen NICHT dabei zu helfen. Es ist zynisch Dignitas zu verbieten und Menschen zum Leben zu verurteilen.

Herr Thissen und Herr Lehmann, wenn ich morgen den extremen Wunsch verspüre mein eigenes Leben  und Leiden zu beenden, geht es SIE gar nichts an.

Von meinen Mitmenschen erhoffe ich dabei Empathie, Hilfe und Mitgefühl.

Empfindungen, zu denen Bischöfe offenbar nicht fähig sind.