Donnerstag, 6. Februar 2025

Auf der braunen Klippe

Ein bißchen rumrudern müssen sie schon, die AfD-affinen Schwarzgelben.

Auch wenn erstaunlich viele Leitartikler die Aufwertung und Ermächtigung durch Friedrich Merz rechtfertigen und geradezu feiern, bleibt Deutschland gespalten. Eine gute Hälfte der Bevölkerung wurde durch jahrelange Entfaktisierung auf Social Media und Fascho-Hofierung in den Talkshows, unrettbar xenophobisiert. Die bejubelt alles, das gegen Ausländer gerichtet ist und schreit stets nach mehr Härte der fremdenfeindlichen Politik. Für sie ist Merz ein Held. Ob sich das in besseren CDU-Ergebnissen auswirkt, ist allerdings noch unklar: Wie schon der frühere Eistänzer Markus Blume sagte: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken“. Das CSU-Wahlprogramm von 2025 ist rechtsradikaler, als das AfD-Programm von 2021. Dennoch schrumpfte nicht die AfD, gemäß der Merz/Söder-Theorie, daß der Grund AfD zu wählen entfalle, wenn die Union auch xenopoben illegalen Mist anbiete, sondern verdoppelte sich sogar. Das Original ist immer noch etwas drastischer und wird daher vom Urnenpöbel bevorzugt. Also gilt es für die Anhänger der „AfD durch AfD-Politik überflüssig-machen“-Theorie kontinuierlich schriller zu werden, um die Deportations-Sadisten nicht nach Rechtsaußen enteilen zu lassen.

Andererseits ist da auch noch jene knappe Hälfte der Bevölkerung, die wirklich von CSU, CDU, FDP und BSW abgestoßen ist. Daraus rekrutieren sich die knapp eine Million Demonstranten gegen die CDU; diejenigen, die aus Protest die CDU verließen, Merkel, Friedmann. Die Anständigen, denen es nicht egal ist, wenn sämtliche jüdischen und christlichen Organisationen scharf gegen die CDU protestieren. Daher kommt die Rekord-Eintrittswelle bei Grünen und Linken.

Wenig Support bekommt der selbsternannte Wirtschaftsfachmann Merz aus dem Mittelstand, von Ökonomen und Wirtschaftsverbänden. Die wissen nämlich wie sehr der politische CDUCSU-Rechtsruck der Ökonomie schadet. Die wissen, daß Merzsche Grenzschließungen der Sargnagel der deutschen Exportindustrie sind. Die wissen, wie sehr der Demokratieabbau belastet. Ohne massive Zuwanderung nach Deutschland können wir hier bald die Bürgersteige hochklappen.

[…] Reguläre Migration trägt zu Wohlstand, Innovation und nachhaltiger Entwicklung bei. Sie wirkt sich beispielsweise positiv auf den internationalen Handel aus. Studien zeigen, dass durch mehr Zuwanderung auch der Handel zwischen Herkunfts- und Zielland steigt.

Darüber hinaus hat die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften einen positiven Effekt auf Forschung und Innovation und somit auch auf die wirtschaftliche Produktivität. So ist zum Beispiel wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Zahl von Patentanträgen als Folge von hochqualifizierter Zuwanderung zunimmt.

Zudem senden viele Migrantinnen und Migranten regelmäßig Geld in ihre Herkunftsländer und helfen damit, die dortigen Lebensbedingungen zu verbessern. Sie sichern Haushalte auch in Krisenzeiten ab, zum Beispiel gegen Ernährungsunsicherheit, Krankheit, Arbeitslosigkeit und die Folgen von Naturkatastrophen. Die Weltbank schätzt, dass im Jahr 2022 insgesamt 626 Milliarden US-Dollar in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gesendet wurden. [….]

(Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)

Zwischen diesen Polen mäandern die Unionsspitzen zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl.

Immerhin Zickzack-Markus scheint in geradlinigeres Fahrwasser gefunden zu haben und rudert nun schamlos weiter auf antisemitischen Kurs.

Der Mann kennt ohnehin keine Hemmungen, wie man seit der Causa Aiwanger weiß. Bis heute regiert Söder mit dem Adolf Hitler-Fan als Stellvertreter an seiner Seite.

Er lobt Merz für die AfD-Zusammenarbeit, schert sich nicht um Holocaustopfer und deren Nachfahren, die sich entsetzt von CDUCSU absetzen.

 

[….] Liebe Leser*innen,

heute vor 92 Jahren, am 30. Januar 1933, wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt – ein Tag, der den Beginn der Zerstörung der Weimarer Demokratie markierte. Viele konservative Kräfte glaubten damals, sie könnten die Nationalsozialisten einhegen, kontrollieren oder für ihre eigenen Zwecke nutzen. Die Folgen waren fatal: Nur wenige Wochen später brannte der Reichstag, das Ermächtigungsgesetz hob die Gewaltenteilung auf, und der Weg in den Führerstaat war unumkehrbar. Der 30. Januar 1933 steht als Mahnung, wie schnell Demokratien kippen können – besonders wenn demokratische Parteien glauben, mit extremen Rechten taktieren zu können.

Unsere Demokratie steht – 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus – vor einer Zerreißprobe. Was lange als Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland galt – keine Zusammenarbeit mit Demokratiefeinden und Nazis – gerät ins Wanken. Ein solcher Tabubruch, wie die gestrige Mehrheitsbeschaffung für einen CDU-Antrag mithilfe von Rechtsextremen im Deutschen Bundestag, war vor ein paar Tagen noch außerhalb jeder Vorstellungskraft. Nicht einmal die AfD hätte sich träumen lassen, so schnell zu einem so entscheidenden Machtfaktor zu werden. Gestern sprach im Bundestag ein AfD-Abgeordneter bereits vom „Beginn einer neuen Epoche“. Sie wissen ganz genau, dass allein sie von diesem Dammbruch profitieren. Rechtsextreme und populistische Kräfte gewinnen im atemberaubenden Tempo an Deutungsmacht.

Die Folgen dieses Tabubruchs sind noch nicht völlig sichtbar, könnten aber unumkehrbar sein. Gerade in den kommunalen Gremien könnten jetzt die letzten Hemmungen, mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten, fallen. Insbesondere in Sachsen und Thüringen, wo Regierungen ohne parlamentarische Mehrheiten arbeiten, kommt es mehr denn je auf Führungsstärke und einen Konsens der Demokrat*innen an. [….]

(Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Februar 2025)

Zu diesem Tabu-Bruch, verbreitet Markus Söder erneut öffentlich sekundären Antisemitismus. Ohne sich zu schämen. Ohne Konsequenzen.

[…] Man könnte denken, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vor zwei Wochen im Schloss Dachau zum Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus weitgehend unbeobachtet eine Rede gehalten hat. Und man hätte ihn dafür loben können, dass er darin den Geschichtsrevisionismus der AfD zur Sprache brachte, kurz bevor seine Fraktion mit ihnen im Bundestag für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz stimmte. Oder dafür rügen, dass er sich ständig verhaspelte und Allgemeinplätze verwendete. Das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus (BgR) findet aus einem ganz anderen Grund den Beginn seiner Rede problematisch. […] Markus Söder [trat] ans Podium und begann seine Rede mit einem Vergleich: „Dies ist ein besonderer Tag in einem besonderen Kontext. Ich dachte nicht, als ich mir Anfang der Woche überlegt habe, was ich heute sagen darf und sagen kann, dass wir gestern ein ähnlich schlimmes Ereignis hatten: Der schreckliche Angriff in Aschaffenburg auf unschuldige Kinder. Der Tod eines kleinen Jungen gestern … Und der Tod eines tapferen Mannes, der versucht hat, das aufzuhalten.“

Für das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist es skandalös, die fürchterliche Tat eines einzelnen Kranken auch nur in die Nähe des Holocaust – des millionenfachen Mords an Juden und Andersdenkenden – zu rücken, so dessen Sprecher Niklas Haupt. „Söder instrumentalisiert die Millionen Opfer des Nationalsozialismus für seine Politik der Ausgrenzung und Abschottung, das ist niederträchtig und eines Ministerpräsidenten unwürdig.“  [….]

(taz, 06.02.2025)

Willkommen in der Ära das politischen Schamlosigkeit.

Das ist die CDUCSU 2025, die rechts der Brandmauer steht und dort lauthals Xenophobie und Antisemitismus verbreitet. Man schämt sich nur noch für Deutschland und seine Wähler.

[….] Ist hier jemand aus dem Landtag in Bayern der dazu mal ne Anfrage stellen kann? Finde dazu sollte sich der Ministerpräsident schon mal äußern. Erst Aiwanger in der Regierung behalten und jetzt auch noch Shoahrelativierung. Ich weiß ja auch nicht. Zu einer Gedenkstunde am 27.1.25 in Dachau hat #Söder den Angriff von Aschaffenburg unzweideutig als "ein ähnlich schlimmes Ereignis" wie die Shoah bezeichnet. Das ist 1. Verharmlosung der Shoah durch den Spitzenkandidaten der CSU. & zeigt was beim Team Merz alles schief läuft.  [….]

(Max Czollek, 06.01.2025)