So genau weiß man es gar nicht wie viele Menschen jeden Tag verhungern, obwohl die Erde locker die dreifache Anzahl Individuen ernähren könnte.
(….) So nehmen
wir auch die Millionen Menschen hin, die jedes Jahr elend an Hunger verrecken.
Es sind 10.000
-20.000 Kinder, die jeden Tag auf der Welt verhungern. Früher waren es mal
30.000 JEDEN TAG. Wer weiß das schon so genau? Wer zählt nach? Was zählt ein
Kind überhaupt? Insbesondere wenn es ein Afrikanisches oder Nordkoreanisches
ist? Das sind dann keine Gründe für „den Westen“ seine Agrarpolitik dahingehend
zu ändern, daß der Hunger beendet werden könnte. (…..)
Verreckte
Kinder interessieren uns rein gar nicht, wenn sie sich hinter anonymen Zahlen
verstecken und unseren Lebensstandard nicht mit ihrem Elend bedrohen.
[…] Viele
Menschen haben gar keine klaren politischen Vorstellungen. Aber sie sagen:
Etwas stimmt nicht auf einem Planeten, auf dem alle fünf Sekunden ein Kind
verhungert. In einer Welt, in der ein Prozent der Weltbevölkerung so viele
Vermögenswerte besitzt wie die restlichen 99 Prozent. Da ist eine Unruhe.
Schließlich hat jeder ein Gewissen.
[…] Natürlich,
die Konsequenzen der neoliberalen Wahnidee sind mörderisch. Menschen sterben.
Nicht virtuell, sondern tatsächlich. 57 000 pro Tag. Punkt. […] Armageddon, die letzte Schlacht, die steht
bevor. Wenn das transatlantische Handelsabkommen TTIP durchkommt, dann ist es
vorbei mit der Demokratie. […] Dass
Kinder verhungern, das war in den vergangenen Jahrzehnten immer weit weg.
Jenseits der Meere. Jetzt sagt Unicef, dass 11,8 Prozent der Kinder unter zehn
Jahren in Spanien permanent unterernährt sind. In Spanien! Das ist der
Dschungel, und der […] Ach, die G7.
Was die tun, ist uninteressant. Von dem, was in Heiligendamm im Jahr 2007
beschlossen wurde, wurde nichts umgesetzt. Die G7, das sind nur die
Befehlsempfänger und ihre Befehle bekommen sie von den Konzernen. […]
(Jean Ziegler in
der SZ am 04.06.15)
Verreckende Kinder sind allerdings dann ein Problem, wenn ihre Eltern mobil
genug sind, um sich bis nach Europa durchzuschlagen.
Wir, die EU, wollen das Elend nämlich auf keinen Fall sehen.
Wenn Arme, Verzweifelte, Hungernde, durch deutsche Waffen Ausgebombte es
bis in die EU schaffen, verfallen 500 Millionen Europäer in Kollektiv-Hysterie,
wählen rechtsradikal, bewaffnen sich, befestigen Grenzen und
bringen ihre Regierungen dazu mit schäbigen Deals die Armen wieder außer
Sichtweite zu schieben.
Wenn die Myriaden Frauen und Kinder schön weit weg krepieren – im Mittelmeer,
in der Türkei oder den Syrischen Anrainer-Staaten, gratulieren wir uns zu
dieser erfolgreichen Politik, der Innenminister befindet wir wären „auf gutem
Wege“ und die Beliebtheit der Kanzlerin steigt wieder in gewohnte Höhen.
Wäre Merkel zu strategischem Denken fähig, hätte Deutschland nicht in der
letzten Dekade die außenpolitischen Beziehungen so eingefroren, daß gemeinsames
Handeln kaum noch möglich ist, könnte man natürlich angesichts sich anbahnender
menschlicher Superkatastrophen vorausschauend handeln, Verhungernde und
Kriegsflüchtlinge rechtszeitig versorgen, bevor sie notgedrungen gen EU pilgern
und im Mittelmeer ertrinken.
Schließlich fallen die Krisen nicht vom Himmel sondern bahnen sich lange
an.
Aber Merkels Strategie des prinzipiellen Phlegmas, die scheinbar vom Wähler
so geliebt wird, hilft da leider gar nicht.
[….] "Die meisten Ereignisse sind
Vorwegnahmen anderer Ereignisse, oder Teile dieser Ereignisse." Ein
Beispiel für diese Sorte Ereignis, das andere Ereignisse vorwegnimmt, ist die
Entscheidung des "World Food Programme" (WFP) der Vereinten Nationen
im Jahr 2015, die monatlichen Zuschüsse zu den Lebensmittelkarten für syrische
Flüchtlinge zu kürzen. Konnte eine Flüchtlingsfamilie im Sommer 2014 noch
Nahrungsmittel und Hygieneartikel im Wert von rund 25 Dollar pro Mitglied mit
ihrer Karte beziehen, war es ein Jahr später nur noch die Hälfte. Dieses
Ereignis war wiederum nur die Folge eines anderen Ereignisses, nämlich der
mangelnden Spendenbereitschaft internationaler Geber, die trotz eindringlicher
Bitten des WFP das nötige Geld nicht aufbrachten und so das Budget immer weiter
sinken ließen - bis eben die Unterstützung für syrische Flüchtlinge gekürzt
werden musste. Erst um ein Drittel, dann noch einmal bis auf erbärmliche zwölf
Dollar im Monat.
Die Ereignisse danach sind bekannt: Statt zu
verhungern, wagten syrische Familien zu Hunderttausenden den Aufbruch nach Europa.
Anschließend waren sich alle einig, dass es günstiger gewesen wäre, dieser
verzweifelten Fluchtbewegung zuvorzukommen. Alle waren sich auch einig, dass
dieses Ereignis hätte antizipiert und vermieden werden können, wenn die
Hinweise des WFP auf die drohende Katastrophe ernst genommen worden wäre.
Bundeskanzlerin Angela Merkel gestand bemerkenswert zerknirscht ein: "Hier
haben wir alle miteinander - und ich schließe mich da mit ein - nicht gesehen,
dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert waren." [….]
Brüssel
und Berlin werden aber nicht nur von Paralyse und Apathie geplagt, sondern sind
zudem auch noch lernunfähig.
Dabei
müßte Merkel nicht etwa erst Sherpas aus ihrem eigenen Kanzleramt losschicken,
um zu erfahren, wo in der Welt das nächste Ungemach droht.
Peter
Altmaier kann in Berlin bleiben; längst haben sich Agenturen darauf
spezialisiert die Nahrungsmittelversorgung in allen Teile der Welt zu
beobachten und zu analysieren.
Ein Blick
auf Wikipdia genügt.
FEWS NET, the Famine Early Warning Systems Network, is a leading
provider of information and analysis on food insecurity. Created in 1985 by the
US Agency for International Development (USAID), and the US Department of
State, after devastating famines in East and West Africa, FEWS NET today is a
valuable resource to a vast community of governments, international relief
agencies, NGOs, journalists, and researchers planning for, responding to, and
reporting on humanitarian crises. [….]
Vor 30
Jahren, wir erinnern uns an die Live-Aid-Konzerte, die Bilder von den Marasmus-Kindern,
verhungerten allein in Ostafrika über eine halbe Million Kinder.
In
Eritrea, dem Sudan, dem Südsudan, dem Jemen und
Äthiopien herrschen inzwischen noch schlimmere Verhältnisse.
[…..]
Äthiopische Farmer, die diese [1985 –
T.] Katastrophe überlebt haben,
bezeichnen die derzeitige Dürre schon jetzt als weitaus schlimmer als alle
vergangenen. Nach einer Reise in die östliche Region Äthiopiens Anfang April
erklärte eine Sprecherin von "Catholic Relief Services": "Die
Landschaft sieht apokalyptisch aus - alles Staub und Steine. Überall liegen
tote Rinder zwischen Kakteen. Es gibt mehr tote Tiere, als die Hyänen verzehren
können." Und das ist nur Äthiopien. […]
Wir tun aber wieder einmal nichts, stellen nicht
genügend Mittel für die Lebensmittelversorgung zur Verfügung und wundern uns
was all diese Eritreer plötzlich nach Europa treibt.
Das "World Food Program" (WFP) ist
katastrophal unterfinanziert, es ist den westlichen Ländern offensichtlich
nicht wichtig genug.
An assessment of historical rainfall data
indicates that central/eastern Ethiopia has experienced the worst drought in
more than 50 years. As a result, a major food security Emergency is expected to
persist through much of 2016. This report presents a series of maps which
illustrate the extent and the severity of the drought as well as its impacts on
water availability, crop and rangeland conditions, and food security.
(Fews.net)
Moving
into the typical lean season period, broad areas of northern Greater Upper Nile
will be in Emergency (IPC Phase 4), with households facing an increased risk
for high levels of malnutrition and excess mortality. Some households in
central Unity State are expected to be facing an extreme lack of food and are
in Catastrophe (IPC Phase 5).
The
shortage of foreign currency and consistent depreciation of the South Sudanese
Pound continue to make importing food commodities difficult. In the face of
restricted supply of foreign exchange and depreciation of the South Sudanese
Pound, local food prices continue to increase, constraining household market
access. The price of 3.5 kg of sorghum in Rumbek was 70-80 SSP in March, 300
percent higher than the pre-crisis price.
Concern for urban food insecurity remains high where many households are
completely dependent on markets to access food and are unable to supplement
their consumption through farming or livestock rearing. However, income-earning
opportunities remain significantly below average. Additionally, the South
Sudanese Pound further depreciated from 21.6 SSP/USD in mid-March to 32.2
SSP/USD on April 1st, further reducing the purchasing capacity of urban
households.
On
March 29th, the Sudanese Government again closed its border with South Sudan,
after opening the border in January for the first time since 2011. The open
border had prompted a large number of people from Northern Bahr el Ghazal to
migrate to Sudan in search of income-earning opportunities and greater food
access. Increased migration from Eastern Equatoria to Uganda and Kenya was also
reported in March.
Fluchtursachen
bekämpfen?
Das tut ohnehin niemand.
Das tut ohnehin niemand.
Aber
wir, Deutschland, die EU, sind noch nicht einmal bereit bei den akuten
Symptomen, den mörderischen Hungerkatastrophen helfend einzugreifen.