In vielerlei Hinsicht bin ich wirklich ein lausiger Amerikaner.
Ich habe noch nie die Nationalhymne gesungen, nie ein Baseball-, Football oder Basketball-Game gesehen, war nie bei einem Nascar-Rennen, habe nie eine Waffe abgefeuert, noch nie ein Tier erschossen, ich bete nicht, ich hänge keine US-Flaggen auf, ich saufe keine Softdrinks, ich halte es für nicht notwendig, daß jedes Mädchen spätestens mit 16 Brutimplantate bekommen muss, ich kann Europa auf einer Weltkarte finden, esse nicht bei McDoof und ich hasse Country-Music.
Außerdem mag ich Politik, kenne die Top-Vertreter beider Parteien und weiß wie das US-Wahlsystem funktioniert. Daher stimme ich auch mit Bill Maher überein, daß die anderthalb-jährigen Wahlkämpfe, die durch das GOP-freundliche und drastisch antidemokratische Citizens-United-Urteil 16-20 Milliarden Dollar an Berater und Medien ausgießen, viel zu lang sind.
Seit einer guten Woche versuche ich mich davor zu drücken, etwas über Taylor Swifts Rolle im US-Wahlkampf zu schreiben. Ich mag weder sie, noch ihre Songs, noch den Typ Frau, noch ihren Partner Travis Kelce, noch den rechten Sport-Macho-Kosmos, aus dem er kommt. Und schon gar nicht diesen weltweiten Kult, der um die klimaverpestende Jet-Fliegerin gemacht wird.
Verständlicherweise freuen sich die Demokraten über ihr Harris-Endorsement, da sie – soviel weiß ich auch – mit ihren allein auf Instagram 285 Millionen Followern enorm viel Gehör findet.
Aber inwieweit sich das in Wahlstimmen umrechnen lässt, scheint mir reine Spekulation zu sein, auch wenn findige Analysten bereits die 400.000 Klicks auf die Wahlregistrierungs-Plattform verweisen, die direkt vom Swift-Profil kamen.
Wie viele sind davon Amerikaner? Wie viele wahlberechtigt? Wie viele über 18? Wie viele davon lassen sich wirklich registrieren? Wie viele wählen tatsächlich? Wie viele davon wählen Harris und wie viele frustrierte Trumpisten werden dadurch erst recht animiert, für MAGA zu stimmen? Das ist alles sehr vage und daher finde ich in US-Artikeln sowohl Argumente für Swifts enormen Einfluss auf die Wahlentscheidung, als auch Erklärungen, wieso das am Wahlergebnis fast nichts ändern wird.
Bringen „celebrity endorsements“ überhaupt noch irgendwas? Müssten dann nicht immer die Demokraten gewinnen?
[….] Hillary Clinton hatte sie fast alle: Ben Affleck, Beyoncé, George Clooney, Viola Davis, Leonardo DiCaprio, Scarlett Johansson, Meryl Streep, Denzel Washington und Reese Witherspoon. Als die ehemalige US-Außenministerin 2016 zur Präsidentschaftswahl antrat, hatte sie rein nach Anzahl der Wahlempfehlungen von Hollywoods A-List schon gewonnen. Es kam dann bekanntlich sehr anders.
Wahlempfehlungen von Prominenten, sogenannte celebrity endorsements, sind also keinesfalls Erfolgsgaranten. Dennoch sind sie auch bei der US-Präsidentschaftswahl 2024 sehr begehrt – vor allem die von Megastar Taylor Swift. Ex-Präsident und Wieder-Kandidat Donald Trump ließ sich sogar von einer KI ein »endorsement« der Sängerin bauen. »I accept!«, »Angenommen!«, schrieb er dazu auf sozialen Medien.
Doch damit scheint Trump eher den gegenteiligen Effekt erzielt zu haben: Nach der Debatte am Dienstag zwischen Vizepräsidentin Kamala Harris und Trump gab Swift auf Instagram bekannt, für Harris stimmen zu wollen. Die gefälschte Anzeige habe sie zu dem Statement genötigt: »Sie hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass ich sehr transparent sein muss, was meine tatsächlichen Pläne als Wählerin betrifft«, so Swift.
Aber was bringt es, dass Swift nun sehr transparent gemacht hat, wie sie am 5. November 2024 abstimmen wird? [….] In einer Umfrage unter jungen Wählerinnen und Wählern, welcher Star ihr Stimmverhalten beeinflussen könnte, hat die Meinungsforscherin Alyssa Cass aber auch noch etwas anderes herausgefunden. Swift und Gesangskollegin Beyoncé wurden von den Befragten zwar häufig genannt, die Schauspieler Kevin Hart und Timothée Chalamet aber noch häufiger. Und an der Spitze der Stars mit dem größten Einfluss stand jemand ganz anderes: Schauspielerin Zendaya, Star aus der Erfolgsserie »Euphoria« und den »Dune«-Blockbustern. Sollte sie sich zum laufenden US-Wahlkampf äußern, wäre das wohl wichtigste »celebrity endorsement« des Jahres erteilt. […..]
(Hannah Pilarczyk, SPON, 11.09.2024)
Es erscheint mir aber bedeutend, sich klar zu machen, daß mein Weg, politische Ereignisse zu bewerten – ich sehe sie, wie die Harris-Trump-Debatte im TV, oder lese darüber und bilde mir daraufhin ein Urteil – inzwischen an Bedeutung verliert.
60 Millionen TV-Zuschauer sind zwar immer noch viel, aber bei 330 Millionen US-Amerikanern bloß ein knappes Fünftel der Bevölkerung. Das Gros der Menschen erreicht man im Internet.
Seit dem TV-Duell tobt eine große Meme-Schlacht. Die Teams versuchen sich gegenseitig mit Bildchen und Videoschnipseln lächerlich zu machen.
Das ist bei Millennials und der GenZ wichtiger, als das eigentliche Duell, weil sich die Generation Tiktok auf keine Inhalte, die länger als 60 Sekunden sind, konzentrieren kann. Die Hirne der unter 35-Jährigen können nur noch ganz kurze Schnipsel verarbeiten. Die Attention Span der Teens und Twens surrt zusammen auf Trump-Maß. Mehr als eine Minute Aufmerksamkeit für ein Thema schaffen sie nicht.
Harris hat das ganz offensichtlich einkalkuliert und während Trump sprach, viel Mienenspiel gezeigt, weil sie wusste, wie man aus Screenshots Memes macht.
Dummerle Trump ging voll in die Falle, stierte ausschließlich wütend in die Kamera, ließ sich immer wieder provozieren und gab seine klassischen vulgären Unsinns-Aufzählungen in primitiven kurzen Sätzen ohne Adjektive von sich.
Ein Geschenk für alle Spaßvögel auf X, Tiktok und Insta.
The Kiffness‘ Eating-Pets-Songs wurde allein auf der eingestaubten Plattform Youtube in wenigen Tagen 2,5 Millionen mal angeklickt, findet sich aber natürlich in verkürzten Versionen überall auf Social Media.
Wie groß Taylor Swifts Einfluss sein mag, kann man bisher immer noch nicht sagen. Aber er wird größer, weil Trump und Vance so unfassbar dumm sind, machohaft auf Swift einzuprügeln und damit ihre hunderte Millionen Fans provozieren.
Ganz abgesehen von der Person Swift, von ihrer Musik und von allen politischen Inhalten: Es zeigt natürlich, wie absolut ungeeignet Trump für das Präsidentenamt ist, daß er sich wie ein garstiger Dreijähriger provozieren lässt und wider jede Vernunft um sich schlägt.
[…..] Auch Tage nach ihrer medienwirksamer Unterstützung für Kamala Harris kann sich Donald Trump offenbar nicht beruhigen. Für seine Attacke in Großbuchstaben gibt es prompt Kritik, auch aus dem republikanischen Lager. In Großbuchstaben und nur vier Wörtern hat Donald Trump seinen Ärger über den US-Popstar deutlich gemacht: »Ich hasse Taylor Swift!«, verkündete der republikanische Präsidentschaftskandidat auf seiner eigenen Onlineplattform Truth Social am Sonntag. Eine Begründung für seine Wut gab Trump in dem Post nicht ab. […..] Für seine Hassbekundung gegenüber Taylor Swift hagelte es für Trump prompt Kritik – auch aus den eigenen Reihen. Auf X zitiert die Republikanerin Liz Cheney den Post von Trump und entgegnet: »Sagt der kleinste Mann, der je gelebt hat« – als Referenz an einen Song aus Swifts jüngstem Album »The Tortured Poets Department«. […..] Auf seinem Truth-Social-Account holte Trump am Sonntag zu einem Rundumschlag in Großbuchstaben aus. Über die New York Times schrieb er, die Zeitung sei »eine echte Gefahr für die Demokratie«. Über die Wähler seiner Kontrahentin hieß es: »Alle reichen, arbeitsplatz-schaffenden Menschen, die Genossin Kamala Harris unterstützen, sind dumm.« […..]
Da müssen Kamala Harris und Tim Walz nichts mehr tun, können sich in Ruhe zurücklehnen und genießen, wie Trump sich wieder einmal selbst in den Fuß schießt.
Der orange Prolet ist glücklicherweise nicht nur gefährlich und sadistisch, sondern auch ungeheuer dumm.