Inzwischen
wächst es sich zu einer handfesten Manie des SPIEGELs heraus sich ständig über
die Weltstadtambitionen der Stadt Hamburg lustig zu machen.
Hätten
die Hamburger dieses Bestreben, würde ich mich natürlich auch darüber
amüsieren.
Aber
dabei handelt es sich um eine reine Medien-Hoax. Punktuelle Fake-News. Naja,
allerdings ist Jan Fleischhauer der Autor, der gestern diese Attacke ritt.
Der selbsternannte
Rächer der Konservativen, dessen SPIEGEL-Kolumne „der schwarze Kanal“ heißt,
scheint sich mehr und mehr zum Nachfolger Matthias Matusseks, als
braunes Enfant Terrible des Nachrichtenmagazins zu mausern.
Mindestens
einen Profi-Verrückten braucht jedes Magazin.
Nachdem
vor einem Monat Alexander Smoltczyk den toten Gaul „Weltstadt Hamburg“ ritt,
sich über die Olympia-Blamage und den G20-Wahn mokierte und dabei vergaß, daß
große Mehrheiten der Hamburger diese Megaprojekte eben nicht haben wollten,
kommt nun Fleischhauer mit demselben Unsinn.
Niemand in Hamburg will Weltstadt sein.
[…..]
„Hanseaten bleibt besser im Garten“, fordert
Kolumnist Jan Fleischhauer. […..]
Dafür gibt es jede
Menge Spott für den (angeblichen) Wunsch der Hamburger „unbedingt Weltstadt“
sein zu wollen, obwohl Hamburg definitiv nicht „irgendwie hip oder
großstädtisch“ ist. Eher ein bisschen langweilig. […..]
Wenn die Stadt mal bei
Ausschreitungen schmutzig werde, würden die Hamburger sofort aufräumen, man sei
schließlich das „Stuttgart des Nordens“: „Andernorts warten sie nach Krawallen
eine Woche auf die Stadtreinigung, in Hamburg rückt am nächsten Tag die
Bewohnerschaft unter dem Motto ,Hamburg räumt auf‘ mit Besen und Eimer an.“
[…..]
Wenn Fleischhauer mal auf Elternbesuch
komme, schreibt er, würden die Hamburger U-Bahnen pünktlich fahren, würden sich
die Obdachlosen artig bedanken und die Dealer unsichtbar machen. „Spießige
Kaufmannsstadt“ eben. […..]
Ja, Herr
Fleischhauer. Die Retourkutsche an das provinzielle Berlin, in dem man noch
nicht mal einen richtigen Blumenstrauß bekommt und Weltläufigkeit mit mangelnder
Hygiene der Bewohner und Unfreundlichkeit verwechselt wird, wälze ich lieber
nicht aus.
Ich bin
gerne im Fleischhauerschen Sinne Kleinstädtisch, wenn damit gemeint ist, daß
ich es bevorzuge Menschen auf der Straße zu treffen, die öfter als einmal pro
Woche duschen und einen nicht mit einer Pöbel-Attacke überziehen, wenn man
freundlich grüßt.
Hamburg
führte schon seit Jahrhunderten weltumspannenden Handelsbeziehungen, als Berlin
noch ein Nest war. Berlin liegt kontinental, hat keinen internationalen Hafen,
schmorte daher immer im eigenen Saft, während Hamburger von Natur aus polyglott
veranlagt sind.
Hamburg
beherbergt aufgrund seiner gewaltigen Handelsbeziehungen nach New York die
zweitmeisten Konsulate der Welt. Im Gegensatz zu Berlin sind wir aber nie Sitz
einer nationalen Regierung gewesen.
Staatsgäste
trudeln bei Frau Merkel und Herrn Steinmeier in Berlin beinahe täglich ein; in
Hamburg geschieht das kaum – aber der G20 zeigte welch zweifelhaftes Vergnügen
es ist, wenn die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen.
Ich
hätte in Hamburg lieber deutlich weniger Großveranstaltungen – und bin mir
darin offensichtlich sogar mit einer Majorität meiner Mitstädter einig, wenn
ich die Reaktionen und Leserbriefe lese, die erschienen, als eine Woche nach
dem G20-Wochenende wieder die halbe Stadt gesperrt wurde, weil Schlagermove und
der Triathlon stattfanden.
Eine
Stadt darf nicht zu provinziell sein, aber für meinen Geschmack sind etwas
unter zwei Millionen Bewohner auf einer Fläche von 755 Quadratkilometern auch
fast das Maximum.
Die
echten Weltstädte, die über 10, oder gar 20 Millionen Einwohner haben, werden
einfach zu anstrengend, weil der Verkehr kollabiert, die Pendelzeiten zur
Arbeit extrem, die Mieten im Zentrum unbezahlbar werden.
Die Luft
wird unerträglich, der Flughafen ist Stunden entfernt.
Nein,
ich bevorzuge es klein und fein.
Dafür
aber stabil und eigenständig. Hamburg hängt im Gegensatz zu einer gewissen
größeren deutschen Stadt östlich davon nicht am finanziellen Tropf des Bundes.
Hamburg
verfügt über das mit Abstand höchste Prokopf-Einkommen aller Bundesländer und
ist in Kombination damit gerade groß genug, um bei den spezifischen
großstädtischen Einrichtungen international mitspielen zu können.
Hier
gibt es Weltklasse-Kardiologen, Weltklasse-Ballett und auch die ganz großen
internationalen Stars wie Adele oder Madonna gastieren hier.
Natürlich
ist Hamburg nicht überall spitze.
Mit der
Presse ist es beispielsweise sehr eigenartig. Alle bedeutenden wöchentlichen
Periodika, SPIEGEL, STERN und ZEIT sitzen in Hamburg.
Dafür
gibt es aber keine einzige gute überregionale Tageszeitung aus Hamburg.
Bis 2014
das biedere „Hamburger Abendblatt“
mit seiner 175.000-Auflage an die FUNKE-Mediengruppe verkauft wurde, gab es de
facto nur Springer-Tagespresse neben der kleinen Boulevard-Zeitung Hamburger Morgenpost.
Aber
keine Hamburger Tageszeitung erreicht das Niveau der FAZ, der FR, oder gar der
SZ.
Sogar
der aufgabenschwache Berliner Tagesspiegel (100.000 verkaufte Exemplare) ist
besser als das Abla.
Wer in
Hamburg eine vernünftige Tageszeitung mit regionalen Informationen lesen
möchte, muß sich mit mehreren Tageszeitungen behelfen.
Die
Meldungen über die aktuelle Entwicklung der Kirchenmitgliedszahlen in Hamburg kann
ich also nur durch die trübe lila Brille des Abendblattes lesen.
Grundsätzlich
ist die säkulare Entwicklung in Hamburg sehr positiv.
(…..)
Ungeachtet der schnöden Realität, die ein eklatantes Desinteresse an der Kirche
zeigt, versuchen Medien und Politiker mit allen Mitteln für die Frommen zu
werben.
In
der Pfingstausgabe des Hamburger Abendblattes erschienen drei volle
Zeitungsseiten unter dem Titel „Nicht ohne meine Kirche“.
Funke-Autor
Peter Wenig hatte sich auf eine Reise zu den 44 Kirchen sowie rund 50 Gemeindehäusern und Pastoraten des
Kirchenkreises Hamburg-Ost gemacht, die geschlossen werden.
Ein Drittel ihrer knapp 300 Gebäude muß die evangelische Kirche in
Hamburg Ost innerhalb der nächsten acht Jahre aufgeben, weil sich einfach
niemand mehr für ihre Gottesdienste interessiert.
[….]
Jedes Jahr verliert der Kirchenkreis 5500
Mitglieder, binnen 25 Jahren ist ihre Zahl von rund 658.000 auf 433.000
gesunken. [….]
(Abendblatt,
03./04./05.06.2017)
Interessanterweise
macht sich die Kirchenführung, die immer noch auf einem Milliardenvermögen sitzt,
doppelt unbeliebt, indem sie systematisch die ärmsten und schwächsten Gemeinden
streben läßt.
Kirchen
in den reichen Stadtteilen stehen nicht zur Disposition.
[…..]
Monatelang bewerteten Experten jedes
kirchliche Gebäude, vom Michel bis zum kleinsten Pastorat in den Vier- und
Marschlanden. Ausschlaggebend waren vor allem Lage, architektonische Qualität,
Zustand des Gebäudes sowie Größe der Gemeinde. Wer dann das Prädikat
"C" erhielt, wusste: Es gibt künftig kein Geld mehr vom Kirchenkreis,
wenn die Heizung streiken sollte oder gar der Turm für einen sechsstelligen
Betrag saniert werden muss. Und so verbirgt sich unter dem Stempel "nicht
förderfähig" das wahrscheinliche Sterben auf Raten. [….]
(Abendblatt,
03./04./05.06.2017)
Abendblatt-Autor
Wenig bringt viel Mitleid auf für die Pastoren, denen von ihrer Kirchenleitung
der blaue Brief mit dem „Kategorie C“-Diktum ins Haus flattert.
Viele
fromme Kirchen-affine Journalisten beklagen das Sterben der Kirchen, zählen die
immer gleichen Gründe auf.
Immer
herrscht ein larmoyanter Ton.
Nur
das einzig Naheliegende liest man nie: „Die Kirchen schrumpfen – das ist ein
Grund zur Freude!“
Die
Kirche in Hamburg ist so gut wie tot – und das ist auch gut so.
Katholiken
finden traditionell ohnehin kaum statt.
Gut
so, denn abgesehen davon, daß niemand mehr die Predigten der hanseatischen
Pfaffen hören will, sind sie auch noch unangenehm. (….)
So
viel Geld und so viel Werbung für die Kirchen und dennoch laufen die Mitglieder
zu Hunderttausenden davon.
Das
bedauernswerte Abendblatt versucht heute aber wieder einmal alles, um eine
rosige Zukunft der Kirche herbei zuschreiben.
Kirchenmitglieder
wären bessere Menschen als die bösen Atheisten, fährt der HH-Redakteur fort und
beklagt den traditionell hohen Anteil der Freigeister in Hamburg.
Christen
betrachtet FUNKE als „das Salz der Erde“, oder der Suppe – was auch immer dem
Lokalschreiberling metaphorisch gerade einfiel.
Danke
Herr Edgar S. Hasse, daß Sie mich offenbar als „fade Suppe“ betrachten. Da
zahle ich doch gleich doppelt gern mein Abendblatt-Abonnement.
[…..] Die
Mehrheit der Menschen, die hier lebt, gehört längst keiner christlichen
Religionsgemeinschaft mehr an. Die neuen statistischen Daten der beiden großen
Kirchen belegen, dass nur noch weniger als 40 Prozent evangelisch oder
katholisch sind. […..] Ausgerechnet
in der Stadt mit dem berühmten Michel, Norddeutschlands schönster Barockkirche,
hat das institutionalisierte Christentum keinen leichten Stand. […..] Die Hanseaten sind wohl bevorzugt
Freigeister, und nicht von ungefähr kamen aus Hamburg wesentliche Impulse für
die Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert.
[…..]
Dass Christen immer mehr zur Minderheit
werden, muss überhaupt nicht von Nachteil sein. […..] Selbst wenn ihre Zahl weiter sinkt, können die Christen das "Salz
der Erde" bleiben. Auch mit weniger Mitgliedern hat die Kirche die Chance,
die Welt und die Stadt ein bisschen besser zu machen. […..] Maßstab dafür kann nur sein, was der Herr
der Kirche, nämlich Jesus Christus, auf den Weg gegeben hat: Gott und den
Nächsten zu lieben. […..]
(Hamburger
Abendblatt, 22.07.2017)
Zugegeben,
mit solchen Zeitungen kann man sich nicht als Weltstadt gerieren.