Es ist
verrückt; im mächtigsten Land der Erde ist seit über einem Jahr Dauerwahlkampf,
Berichterstattung rund um die Uhr, zwei Milliarden US-Dollar wurden schon für
die Kampagnen ausgegeben.
Dennoch
wird vermutlich wieder fast die Hälfte der Amerikaner gar nicht zur Wahl gehen
und von der wählenden Hälfte wissen ein Drittel noch nicht für wen sie sich entscheiden
sollen.
Wie kann
das nur möglich sein? Es geht doch nicht darum ein Atomkraftwerk zu designen,
sondern man muß lediglich ein Kreuz machen. Man hat zwischen zwei Möglichkeiten
– Clinton und Trump – die Wahl.
Die
US-Demokratie hat über 200 Jahre auf dem Buckel und ein ausgeklügelt bis
überkompliziertes Vorentscheidungssystem, welches am Ende zwei Menschen von
insgesamt 330 Millionen in die engste Wahl nimmt.
Und
welche beiden waren das noch mal, scheint sich die Welt zu fragen. Also blickt
alles gebannt auf die heutige erste „presidential debate“ zwischen den
nominierten Kandidaten der Demokraten und Republikaner.
Die
Einschaltquote soll die 100 Millionen locker übertreffen.
Kann es
wirklich wahr sein, daß so viele Amerikaner immer noch nicht den Unterschied
zwischen Clinton und Trump bemerkt haben?
Muß man
ihnen das wie einem Plump-Lori am Ritalintropf immer und immer wieder
vorführen?
Was
taugt eine Demokratie überhaupt, wenn der oberste Souverän ganz offensichtlich
so auf den Kopf gefallen ist, daß man ihm eine extrem simple
Entweder-A-oder-B-Entscheidung nach einem Jahr der Erklärung immer noch nicht zutraut?
Eine Entscheidung,
die in etwa so schwierig ist wie die Antwort auf die Frage „würden sie lieber
ihre Hoden durch einen Fleischwolf drehen oder ein schönes Eis essen?“
Inhaltlich
gibt es längst keine Unklarheiten mehr. Hillary Clinton hat die Endorsements
sämtlicher einigermaßen geistig Gesunder bekommen.
Our endorsement is rooted in respect for her intellect, experience and
courage.
Hillary Clinton for President
Die NYT ruft nachdrücklich dazu auf
sie zu wählen und selbst konservative Blätter, die in 100 Jahren keinen
Demokraten empfohlen haben, werfen sich nun für Clinton ins Feuer.
[….] The
Enquirer has supported Republicans for president for almost a century – a
tradition this editorial board doesn’t take lightly. But this is not a
traditional race, and these are not traditional times. Our country needs calm,
thoughtful leadership to deal with the challenges we face at home and abroad.
We need a leader who will bring out the best in all Americans, not the worst.
That’s why there is only one choice when we elect a president in
November: Hillary Clinton. [….]
Republikanische
Ikonen wie Paul Wolfowitz und Mitt Romney werden Hillary Clinton wählen. Man
munkelt sogar, daß George Herbert UND George Walker Bush Clinton wählen werden.
Der
Harvard Republican Club, der sich seit 1888 hinter jeden republikanischen
Präsidentschaftskandidaten gestellt hatte, verkündete in einem offenen Brief sich
für Donald Trump zu schämen.
But for the first time in 128 years, we, the oldest College Republicans
chapter in the nation, will not be endorsing the Republican nominee.
Donald Trump holds views that are antithetical to our values not only as
Republicans, but as Americans. The rhetoric he espouses –from racist slander to
misogynistic taunts– is not consistent with our conservative principles, and
his repeated mocking of the disabled and belittling of the sacrifices made by
prisoners of war, Gold Star families, and Purple Heart recipients is not only
bad politics, but absurdly cruel.
If enacted, Donald Trump’s platform would endanger our security both at
home and abroad. Domestically, his protectionist trade policies and draconian
immigration restrictions would enlarge our federal deficit, raise prices for
consumers, and throw our economy back into recession. Trump’s global outlook,
steeped in isolationism, is considerably out-of-step with the traditional
Republican stance as well. The flippancy with which he is willing to abdicate
the United States’ responsibility to lead is alarming. Calling for the US’
withdrawal from NATO and actively endorsing nuclear proliferation, Donald
Trump’s foreign policy would wreak havoc on the established world order which
has held aggressive foreign powers in check since World War II. Perhaps most importantly, however, Donald
Trump simply does not possess the temperament and character necessary to lead
the United States through an increasingly perilous world.
Mit
dem konservativen ehemaligen CIA-Offizier Evan McMullin gibt es
sogar einen offiziellen Gegenkandidaten zu Trump.
Der
nächste und schwerste Tiefschlag für Trump kam gestern Nacht – verfasst von 50
prominenten republikanischen Außen- und Sicherheitspolitikern.
Fifty of the nation’s most senior Republican national security
officials, many of them former top aides or cabinet members for President
George W. Bush, have signed a letter declaring that Donald J. Trump “lacks the
character, values and experience” to be president and “would put at risk our
country’s national security and well-being.”
Mr. Trump, the officials warn, “would be the most reckless president in
American history.”
The letter says Mr. Trump would weaken the United States’ moral
authority and questions his knowledge of and belief in the Constitution. It
says he has “demonstrated repeatedly that he has little understanding” of the
nation’s “vital national interests, its complex diplomatic challenges, its
indispensable alliances and the democratic values” on which American policy
should be based. And it laments that “Mr. Trump has shown no interest in
educating himself.” […..]
Wer sich
auch nur ein bißchen mit den US-Wahlen beschäftigt, weiß also, daß Donald Trump
nicht wählbar ist. Das sehen selbst engagierte Konservative so.
Wie
könnte es auch anders sein, wenn ein Kandidat seit 40 Jahren politischer Profi
und der andere eine pathologischer Lügner ohne irgendwelche Erfahrungen ist,
der stattdessen rassistisch und sexistisch rumgrölt, Frauen beleidigt, sich
über Behinderte lustig macht und ganz offensichtlich unter einer schweren
Persönlichkeitsstörung leidet?
"GOP presidential nominee Donald Trump made 87 erroneous statements
in five days last week.
That's an average of one misstatement, exaggeration or falsehood for
every three minutes, 15 seconds worth of remarks on the campaign trail, according
to an analysis by Politico." [….]
Diese
unfassbaren Trump-Skandale sind dabei kein verschwörungstheoretisches
Geheimwissen, sondern weltweit durchgekautes immer wieder präsentiertes
Basiswissen.
In order to help the press, debate moderators, and voters fact check
Trump, the Clinton campaign has released 19 pages of Trump lies.
FALSE: Trump opposed the Iraq
War. [….]
FALSE: Trump opposed
intervention in Libya. [….]
FALSE: Clinton supports open
borders. [….]
FALSE: Clinton wants to get
rid of the Second Amendment. [….]
FALSE: President Obama and
Clinton founded ISIS. [….]
FALSE: Clinton would allow
620,000 refugees into the U.S. with no vetting. [….]
FALSE: Trump will make Mexico
pay for the wall. [….]
TRUMP’S LIES ON DOMESTIC POLICY
[….] Trump suggested “there is no drought” in
California because the state has “plenty of water.” // False
[….] He also said water is being shoved “out to
sea” to protect a “three-inch fish” at the expense of farmers. // False
[….] Trump said wind farms in the U.S. “kill more
than 1 million birds a year.” // No evidence […..][….][….]
Man kann
also nicht, nicht Hillary Clinton wählen.
In any normal election year, we’d compare the two presidential
candidates side by side on the issues. But this is not a normal election year.
A comparison like that would be an empty exercise in a race where one candidate
— our choice, Hillary Clinton — has a record of service and a raft of pragmatic
ideas, and the other, Donald Trump, discloses nothing concrete about himself or
his plans while promising the moon and offering the stars on layaway.
[….]
Es geht
aber nicht um Qualifikation, um Politik oder Konzepte.
Es geht
um ihre Frisuren, ob Trump schwitzen wird. Wird Clinton eine Pinkelpause
brauchen, wird sie den Mund beim Lachen zu weit aufmachen und könnte ihre Stimme schrill klingen?
Um das
genau zu erörtern, muß es weitere Debatten geben.
First
presidential debate (Mon, Sept. 26)
Vice
presidential debate (Tues, Oct. 4)
Second
presidential debate (Sun, Oct. 9)
Third
presidential debate (Wed, Oct. 19)
Warum
steht Clinton nicht bei 95% in den Umfragen?
Wieso
wollen ähnlich viele Amerikaner lieber Trump wählen?
Natürlich
ist eine Erklärung die mit der Zersplitterung der amerikanischen Medien
einhergehende Totalverblödung von zig Millionen Amerikanern.
Ich habe
einige Exemplare dieser Spezies in meiner eigenen Familie. Wer Trump bewundert
und den dubiosen rechten Trash-Talkern im Radio glaubt, ist mit Argumenten nicht
mehr zu erreichen.
Das Pack
muß man abschreiben.
Wer
Höckepetrypalinbachmann bejubelt und aktiv unterstützt, ist für die aufgeklärte
Menschheit verloren.
Viel
ärgerlicher finde ich aber jene Kategorie Wähler, die zwar eigentlich gute
Menschen sind, sich aber nicht mit Politik beschäftigen, vier Jahre fest die
Augen verschließen und dann erwarten, daß wie von Zauberhand ihr Idealkandidat
auf dem Wahlzettel präsentiert wird.
Die eierlegende Wolfsmilchsau muß es dann
schon sein. Verstand wie Einstein, Aussehen wie ein Covermodel, grundehrlich,
bescheiden, altruistisch, witzig, rücksichtsvoll, völlig skandalfrei und
geschmeidig, gleichzeitig aber auch mit Ecken und Kanten. Er/sie sollte ein
Außenseiter sein, aber natürlich das System virtuos beherrschen.
So
sollte es laufen in der Ponyhofdemokratie. Vier Jahre Stroh fressen und in der
Sonne chillen und wenn die Wahl ansteht, springt aus dem Nichts der
Überkandidat auf den Wahlzettel.
Jemand,
der einen auch noch zu Hause abholt, sich für die Stimme bedankt, so daß man
sich auch noch anschließend selbst den Bauch pinseln kann, weil man so eine
weise Entscheidung getroffen hat.
Aber
Überraschung, Überraschung. In der echten Realität ist es nicht so.
Wer sich
überhaupt nach oben auf den Wahlzettel durchbeißt, kann kein nur netter Mensch
sein, weil er ohne ruppigen Ellenbogengebrauch gar nicht nach oben gekommen
wäre.
Politische
Apathie fördert das System, welches Soziopathen und Borderliner bevorzugt, weil
sie nicht gestellt werden.
Amerika
ist wie Deutschland.
So wie
hier rumgejault wird, daß die SPD einen verraten habe und man daher schmollend
zu Hause sitzen werde, um dann mit reinem Gewissen tatenlos zusehen werde, wie
wieder die CSU in die Bundesregierung gelangt, beschweren sich US-Linke mit
großer Emphase darüber, daß Bernie Sanders nicht auf dem Wahlzettel steht,
sondern wieder nur die ganzen Apparatschiks.
Aber so
ist das eben, wenn man nach dem kurzen Aufmerksamkeitspeak von 2008 nicht mehr
zur Wahl geht und lieber American Idol glotzt während 2010 der Kongress von den
Teebeutlern übernommen wird oder 2016 einige frustrierte Omen und Open die
Briten aus der EU kegeln.
Wer sich
nicht kümmert ist schuld an der Verkrustung der Funktionärsstrukturen.
Trump
hat es jetzt deswegen so leicht, weil verblödete und desinteressierte Wähler
ihm alles glauben.
Er
konnte aber nur so weit kommen, weil er kaum jemals von Journalisten richtig
gestellt wurde.
Man
berichtete devot von jedem Rülpser, den der republikanische Orang von sich gab,
multiplizierte jeden seiner Sätze.
Die
US-Medien sind allesamt zur größten kostenfreien Werbeagentur aller Zeiten
mutiert.
Vielleicht
wäre auch das anders, wenn es mehr politisches Interesse gäbe, wenn die
Menschen gute Zeitungen kaufen und bezahlen würden, wenn dadurch
Profijournalisten finanziert und angesehen wären.
Aber
offensichtlich waren die Herren und Damen der vierten Gewalt so klamm, daß sie
sich nicht trauten Trump wirklich zu konfrontieren. Anderenfalls wäre er eben nicht
mehr in die Shows gekommen und die Werbeeinnahmen wären weggesackt.
Werbeeinnahmen, von denen News-Unternehmen abhängig sind, weil die Millennials der
Kostenlos-Kultur frönen und meinen im Internet müsse man nicht factchecken und
nicht bezahlen.
Bißchen
Twitter und Instagram reicht doch, um informiert zu sein.
Und der
Abschluß-Witz des Tages.
Nach der
absolut blamablen Interviewvorstellung des NBC-Kollegen Matt Lauer, der Trump
bereitwillig und ohne Nachfragen auf dem Leim gegangen war, soll es nun heute
Lester Holt besser machen.
Factchecken darf er zwar nicht, weil Trumpianer das nicht
wollen,
aber er könnte womöglich nach einer offensichtlichen Trump-Lüge Clinton das
Wort geben.
Der
GOPer ist schon mal prophylaktisch entsetzt und log drauf los, diese Debatten
seien ohnehin „rigged“ (genau wie die Vorwahlen und Hauptwahlen).
[….]
Trump hingegen spricht seit Wochen davon,
dass die Wahl manipuliert und er als Anti-Establishment-Kandidat benachteiligt
werde. Seine Liebe zu Verschwörungstheorien bewies er mit diesem Kommentar bei
Fox News: "Lester ist ein Demokrat. Ich meine, sie sind alle Demokraten.
Okay? Es ist einfach ein unfaires System." [….]
Konkrete
Fragen? Hu, wie unfair. So einer muß ja gegen ihn sein.
Nun ist
Lester Holt aber seit 13 Jahren Mitglied der Republikaner, also Trumps Partei,
also mitnichten Demokrat.
Eine der
vielen Trump-Lügen.
Auf
diese Lüge angesprochen, erklärte die Großlügnerin und Trump-Kampagnenchefin Kellyanne Conway
allerdings, es wäre keine Lüge, da ihr Chef nun mal die Fakten nicht
gekannt hätte.
Ach
sooo, na dann ist alles in Ordnung.
Donald Trump’s campaign manager Kellyanne Conway says the candidate
didn’t lie when her erroneously labeled NBC Nightly News anchor Lester Holt, a
registered Republican, as a Democrat. Holt will moderate Monday night’s
presidential debate at Hofstra University. In an interview on MSNBC’s Morning
Joe, Conway said in order to lie, Trump would have had to know Holt’s party
registration to begin with.
“I don’t know that he knew what Lester Holt’s voter registration was,”
she said. “He didn’t lie. A lie would mean that he knew the man’s party
registration.”
Aber
bevor man sich allzu sehr empört; Angela Merkel tat das auch schon, als sie
rumhetzte, es ginge nicht an, daß die Griechen so viel Geld von der EU bekämen
und dann mehr Urlaub als wir machten.
Als
herauskam, daß Merkel glatt gelogen hatte – die Jahresarbeitszeit in Griechenland
liegt fast 25% über der in Deutschland, verkündete Merkels Regierungssprecher,
die Kanzlerin habe das nicht gewußt und somit auch nicht gelogen.
Das Ende
ist bekannt: Merkel wurde mit Rekordergebnis wiedergewählt.