Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Er ist ein junger frommer Katholik, 30, studierte katholische Religion auf Lehramt, spielt leidenschaftlich Fußball und wurde 2021 und 2025 für die SPD in den Bundestag gewählt: Daniel Baldy aus Mainz.
Er sieht sich selbst insbesondere als Mann der Sicherheit.
[….] Kinderschutz geht uns alle an. Deshalb setze ich mich für mehr Sicherheit beim Aufwachsen unserer Kinder ein: Insbesondere beim Schutz vor sexueller Gewalt.Die Bekämpfung von
Missbrauch müssen wir vom Neugeborenen bis zur Jugendlichen denken. Wir alle
sind gefragt in der digitalen und analogen Welt – jederzeit und überall. [….]
Miteinander sicher leben – das wollen wir alle.
Hierzu müssen wir unsere Demokratie stärken, die politische Bildung und
die Prävention vor Extremismus und Menschenfeindlichkeit in den Vordergrund
stellen. Verfassungsfeinde dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben! […]
Daher setzte er sich am Freitag für mehr Unsicherheit ein, stimmte im Bundestag für das Ende des Familiennachzugs.
Dieses Votum ist moralisch, sozial und ökonomisch falsch, es behindert die Integration und führt zu mehr Unsicherheit.
[….] Prof. Dr. Magdalena Nowicka,
Leiterin der Abteilung Integration beim Deutschen Zentrum für Integration- und
Migrationsforschung (DeZIM): „Geflüchtete, die von ihren Partner*innen und
minderjährigen Kindern getrennt sind, arbeiten und verdienen kurzfristig mehr,
um die Familien aus der Ferne zu unterstützen. Langfristig jedoch hindert die
Trennung ihre gute Integration auf dem Arbeitsmarkt und trägt zum erhöhten
Armutsrisiko bei.
Dr. David Schiefer,
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Integration deim DeZIM: „Die
Aussetzung des Familiennachzugs ist kontraproduktiv. Die Trennung von
Partner*innen und minderjährigen Kindern belastet die hier lebenden
Geflüchteten mental und erschwert damit auch ihren Integrationsprozess. Wer
also Integration fördern und psychischen Stress unter Geflüchteten vermeiden
will, muss Familiennachzug fördern statt verhindern.“
Was bedeutet die Trennung von der Familie für irreguläre Migration?
„Wenn Familienmitglieder nicht regulär nachziehen dürfen, dann sehen sich viele gezwungen, irreguläre Wege zu nutzen“, erklärt Dr. Benjamin Etzold vom Bonner International Center for Conflict Studies. Er forscht seit Jahren zu Familien, die durch Flucht getrennt wurden, und hat zahlreiche Interviews mit Geflüchteten zum Thema Familiennachzug geführt. „Die Logik lässt sich leicht verstehen, wenn man auf die menschliche Dimension dieses Themas blickt: Familien wollen beisammen sein, eine Trennung von Kind, Eltern oder dem Partner ist schwer zu ertragen, für junge Menschen sogar traumatisch. Wenn es keine legalen Möglichkeiten gibt, ihnen nachzureisen, dann sucht man andere Wege“, so Etzold.
Was bedeutet die Trennung von der Familie für Integration und Kriminalität?
Zahlreiche Studien betonen die psychische Belastung, die die Trennung von der Familie für Menschen darstellt. Wenn Flüchtlinge ihre Familienangehörigen nicht nachholen können, erschwere das ihre Integration im neuen Land. "Der Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll, da die Sorge um Angehörige es erschwert, innerlich anzukommen und sich etwa um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen“, sagt Prof. Winfried Kluth, Vorsitzender des Sachverständigen für Integration und Migration.
2018 erfuhr eine Studie viel Aufmerksamkeit, nach der Familiennachzug die Kriminalität von Flüchtlingen senken könnte: Mit Blick auf die Straftaten von jungen männlichen Flüchtlingen verwies Studienleiter Christian Pfeiffer auf das Fehlen von Partnerinnen oder Müttern. Die Kriminologin Prof. Gina Wollinger arbeitet zu Ausländerkriminalität sowie Zusammenhängen zwischen Migration und Kriminalität. Sie sagt, dass sich aus der Studie nicht unmittelbar ergebe, dass Familiennachzug die Kriminalität senke, sondern dies eher eine Hypothese basierend auf den Studienergebnissen sei. Allerdings zeige die kriminologische Forschung generell, dass familiäre Einbindung ein kriminalitätshemmender Faktor sei: „Hier ist sich die Forschung einig: Personen, die einsam, sozial schlecht eingebunden oder frustriert sind, begehen wahrscheinlicher eine Straftat als Personen, die familiär und sozial gut eingebunden sind. Elterliche Erziehung zu erfahren oder selbst erzieherische Verantwortung zu übernehmen, senkt die Wahrscheinlichkeit für Kriminalität. Familien zu trennen, steigert daher tendenziell das Risiko für Straffälligkeit“, so Wollinger. [….]
Nur zwei SPD-Abgeordnete, Hakan Demir und Maja Wallstein, stimmten gegen die Aussetzung. Weswegen greife ich also Baldy heraus?
Weil er ausdrücklich auf christlichem Ticket läuft und sich nach der Abstimmung einen besonders peinlichen Social-Media-FauxPas leistete. Er, der sich auch als Experte für den „digitalen Raum“ ansieht.
Er stöhnte nämlich, wie anstrengend die Sitzung gewesen sei und freue sich daher jetzt besonders auf seine Familie.
Was für eine Fettnapftreffer – Familiennachzug abschaffen, Familien trennen, Leid über Eltern und Kinder bringen und sich dann zur Belohnung Zeit bei seiner Familie gönnen. Kann man sich nicht ausdenken.
Natürlich wurde das von den Linken als besonders schändlich und empathielos aufgegriffen und ausgeschlachtet. Kein Wunder bei der Vorlage.
Die von mir hochgeschätzten Marc Raschke, Gila Sahebi oder beispielsweise Sebastian 23 waren rechtschaffend empört.
Dennoch möchte ich diese linken Influencer zur Impudenz des Monats küren.
Das mag überraschend sein, da ich mich selbst bekanntlich links der SPD-Parteilinie verorte. Sahebi und Raschke zitiere ich regelmäßig voller Zustimmung.
Aber in diesem Fall argumentieren sie unterkomplex; aus dem luftleeren Raum der Verantwortungslosigkeit.
Baldys blamables Posting läßt sich zwar nicht schönreden; die grundsätzliche Zustimmung zur Aussetzung des Familiennachzugs kann man politisch rechtfertigen und nachvollziehen, auch wenn sie sachlich eindeutig falsch ist.
Es ist nicht angebracht, sich voller Häme über die Tränen der SPD-Abgeordneten mit migrantischen Wurzeln zu erheben, die hart mit sich rangen und schließlich gegen ihre persönlichen Überzeugungen zustimmten; teilweise persönlich Erklärungen abgaben.
Sanae Abdi, Adis Ahmetovic, Reem Alabali Radovan und insbesondere die junge Sächsin Rasha Nasr, wurden von Links hart attackiert. Gilda Sahebi nennt zwar keine Namen, empört sich aber enorm über die SPDler. Nasr wurde daraufhin physisch bedroht.
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Rasha Nasr Instagram |
[….] Die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzesentwurf fällt mir nicht leicht, um genauer zu sein: Sie fällt mir unendlich schwer. Und ich schäme mich für dieses Gesetz. Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ist ein Kernanliegen der Unionsparteien, mit denen sie zentrale Fragen der Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland lösen möchten. Ich halte das grundsätzliche Anliegen, sich aktiv als Gesetzgeber mit den aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen und zeitnah Lösungsvorschläge zu erarbeiten für richtig, den politischen Schritt mit diesem Gesetz aber für nicht zielführend. Dies hat für mich auch die öffentliche Anhörung zum Gesetz am 23.06.2025 gezeigt. Weitere Verhandlungsrunden mit der Union und mehr Zeit für konkrete Verbesserungen und Konkretisierungen hätten für die betroffenen Ämter, Behörden und Ministerien mehr Klarheit bringen können und wäre auch für die betroffenen Familien im Verfahren besser gewesen.
Für mich bleibt eine Familie, die zusammen in Sicherheit leben kann, ein wesentlicher Grundbaustein für eine gelungene und gelingende Integration von Menschen in unserem Land. Daher ist es aus meiner Sicht sinnvoll, die Aussetzung des Nachzugs auf zwei Jahre zu begrenzen und dann zu prüfen, ob eine weitere Aussetzung im Rahmen der Migrationslage überhaupt notwendig und juristisch möglich ist. Dazu gehört eine rechtzeitige, wissenschaftliche und faktenbasierte Einschätzung über die Auswirkung des Gesetzes.
Das Gesetz ist ein Ausdruck dessen, was unter den gegebenen politischen Umständen möglich war. Daher habe ich diesem Gesetz zugestimmt. [….]
Insbesondere ihre, inzwischen gelöschte, Instastory, in der sie bekennt, sich anschließend weinend mit anderen SPDlern in den Armen gelegen zu haben, ließ die Gemüter hochkochen.
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Rasha Nasr, 27.06.2025 |
Die linke Social-Media-Blase bebt nun vor Empörung, unterstellt der SPD, sie liefe der AfD nach, sei von Feigheit gezeichnet und habe kein Rückgrat. Es wäre viel mehr an der Zeit Haltung zu zeigen.
Ich behaupte, das Gegenteil ist wahr: Es wäre feige und verantwortungslos gewesen, einfach Nein zu sagen und die Koalition zu riskieren.
Niemand muss mir Nachhilfe bei der Verachtung für Merz, Reiche und Dobrindt geben. Ich werde auch weiterhin jeden Tag dafür kämpfen, daß die C-Parteien weniger Stimmen bekommen. Aber eine CDU-geführte Koalition mit sieben Sozi-Ministern ist besser als alle Alternativen. Die Kleiko ist und bleibt angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse und den bei Neuwahlen zu erwartenden Ergebnissen eindeutig das kleinste Übel.
Als SPD-Mitglied schäme ich mich auch und habe schwere Bauchschmerzen, weil Dobrindt und Merz ermächtigt werden, menschenfeindlich zu agieren. Aber wenn die SPD nicht mit der rechtsautoritären Union koaliert, käme es entweder zu einer schwarzbraunen Koalition, bzw Kooperation. Oder zu Neuwahlen mit einer garantiert noch stärkeren AfD. Dh, für Migranten würde es in jedem Fall noch schlimmer. Es ist ein elendes Dilemma! Was Raschke propagiert, ist eine „Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass“-Haltung. Reines Gewissen behalten und dann machtlos zusehen, wie es Minderheiten – insbesondere Queeren und Migranten - noch wesentlich mehr an den Kragen ginge.
Man muss schon die Konsequenzen bedenken. Was wäre passiert, wenn sich Rasha Nasr anders entschieden hätte, wenn alle SPDler wie Hakan Demir und Maja Wallstein gehandelt hätten? Damit hätten die Migranten gar nichts gewonnen; im Gegenteil. Ich erwarte von Volksvertretern mit Gewissen, daß sie genau das tun: Weiter als bis zur Nasenspitze denken, langfristige Folgen abwägen, nicht den leichtesten Weg suchen, mit dem sie persönlich gut leben können.
Auch die beiden Abweichler bestätigen dies:
[….] Die SPD tat sich sichtlich schwerer mit der Zustimmung. Natalie Pawlik
(SPD), die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration sprach von einem Kompromiss, den ihre Fraktion mittragen werde. Sie
verwies darauf, dass diese Maßnahme zeitlich begrenzt sei und es Ausnahmen für
Härtefälle gäbe. Am Ende stimmten alle anwesenden Abgeordneten der SPD dafür,
mit Ausnahme von Hakan Demir und Maja Wallstein. Wallstein bezeichnete das
Gesetz als „grausame Symbolpolitik“. „Hakan Demir und ich wollten damit klar
machen, wo wir und der Rest der Fraktion stehen“, sagte sie der taz. Sie sei
den anderen dankbar, dass diese über ihren Schatten gesprungen seien, „um die
Koalition zu retten.“ Nur so könne die SPD Verantwortung übernehmen und andere
Dinge vorantreiben. „Das Ganze zeigt, wie anstrengend Demokratie ist und wie
weh es manchmal tut.“ […]
Grüne und Linke haben es in der Opposition leicht. Sie können rechnerisch ohnehin keine Alternative zur habituellen schwarzbraunen Mehrheit bilden. Daher sind sie frei, ohne Konsequenzen zu fordern, was sie wollen.
Die SPD hingegen trägt den Schwarzen Peter.
Ein weiterer billiger Vorwurf von Links an die SPD lautet, sie verzwerge sich selbst und schrumpfe daher die Chancen auf Rotrotgrün bei der Bundestagswahl 2029.
Das schmerzt mich, weil die Gefahr einer weiteren SPD-Schrumpfung tatsächlich offensichtlich ist. Eine Koalition mit Merz einzugehen, muss eigentlich schiefgehen. Wie viel bequemer wäre es gewesen, sich zu verweigern und in der Opposition aufzudrehen! Die Frage ist nur, ob es dann noch Wahlen 2029 gegeben hätte, nachdem vier Jahre Merz und Höcke regiert hätten. Der Schaden für die Menschen in Deutschland wäre in inakzeptabel hoher Preis gewesen. Wir wissen doch alle, wie Merz über Schwule, das Selbstbestimmungsgesetz, Transsexuelle, Migranten, Umweltschutz, Geringverdiener, Multikulti, Windkraft, Verbrennungsmotoren, Wärmepumpen, AKWs etc denkt. Was er täte, wenn er Mehrheiten mit der AfD hätte, die ihn noch mehr in die Richtung triebe. Diese Auswüchse verhindert die SPD in der Regierung und schützt damit Millionen betroffene Menschen.
Zudem glauben Linke seit den Tagen von Schröders Agenda 2010, es gäbe eine breite gesellschaftliche Mehrheit für linke Positionen. Die SPD gewänne, wenn sie sich wieder linker positioniere. Schön wäre es! Das ist aber leider Wunschdenken. Erhebliche Teile der ehemaligen SPD-Wähler von 1998, sogar eine Mehrheit der Arbeiter, wählt inzwischen AfD. Also ausdrücklich wider ihre eigenen Interessen, denn keine Partei ist so antisozial und einseitig zu Gunsten der Superreichen aufgestellt, wie die AfD.
Die verlorenen SPD-Wähler wandern also gerade nicht zu Parteien mit linker Programmatik. Die Linke erlebt zwar gegenwärtig einen Reichinnek-Aufschwung, den ich sehr begrüße, ist aber in allen Bundesländern vollkommen außer Reichweite von eigenen Mehrheiten. Wir müssen akzeptieren: Der Urnenpöbel tickt in Deutschland rechts. RRG versuchen für ihre Positionen zu werben; allerdings völlig erfolglos.
Seit über 20 Jahren gibt es offensiv vertretene politische Angebote für Reichensteuer, höhere Erbschaftssteuer, oder auch ein Ende der Zweiklassenmedizin zu Gunsten der Bürgerversicherung. Ur-sozialdemokratische Grundsatzfragen, die sofort umgesetzt würden bei entsprechenden parlamentarischen Mehrheiten.
Allein, der Urnenpöbel will das nicht und wählt stets dagegen.
Auch beim Thema Migration versuchte die Schröder/Fischer-Regierung ab 1998 sofort ihre Bundestagsmehrheit für ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht zu nutzen.
Darauf zog Merkel in Hessen mit einer „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben“-Kampagne über die Märkte und kippte bereits im Januar 1999 wieder die rotgrüne Bundesratsmehrheit ins Schwarze. Deutsche sind rechts und wollen keine linke Politik.