Die CDU
verlor die Bundestagswahl von 1998 auch deswegen so haushoch, weil ihr als Alleinstellungsmerkmal
die Ewig-Gestrigkeit geblieben war.
Merkel
war von 1990-1998 Ministerin der mit Pauken und Trompeten untergehenden
Kohlregierung. Ihre Sogwirkung an der Urne war nach immerhin acht Jahren in der
ersten Reihe der Bundespolitik also noch nicht mal ansatzweise entwickelt.
Nach 16
Jahren CDU-Dauerregierung hatte der Wähler ein tiefgehendes Gefühl von „da
bewegt sich gar nichts mehr.“
Seit
langer Zeit hatten die Beharrer der CDU-Zentrale alle Entwicklungen
verschlafen. Es gab einen Unions-Habitus, der allen nur noch peinlich war.
53 Jahre
nach Ende des Krieges wollte Kohl immer noch nicht die Oder-Neiße-Grenze
anerkennen, verbrüderte man sich mit den reaktionären Vertriebenen, agitierte
gegen Gesamtschulen und KITAs, erging sich in abfälligen Bemerkungen und
Schwule, wollte Sozialisten nicht die Hand geben und strahlte aus jedem
Knopfloch das Gesellschaftsbild der 1950er Jahre aus.
Daß
Merkel offensichtlich die parteitaktischen Fehler ihrer Bundesministerzeit genau
analysierte und daraus den Schluß zog sich möglichst nie mehr auf etwas
festzulegen, bevor nicht sonnenklar ist was die Mehrheit des Urnenpöbels gern
hätte, ist hinreichend bekannt.
Das
inzwischen berühmte Merkel-Wabern, das konsequente Drücken vor jeder
Entscheidung wird allgemein als genial erachtet, weil sie durch die
asymmetrische Demobilisierung beim potentiell verängstigten Bundesbürger als
unschlagbar gilt.
Das
stimmt aber nur teilweise.
Denn
diese Strategie der totalen Phlegmatisierung des Urnenpöbels führt zu einer
gefährlichen Entpolitisierung der Gesellschaft. Es interessiert sich keiner
mehr, die Wahlbeteiligung sinkt unter 50% und umso einfacher haben es
Radikalinskis in die Parlamente zu drängen, um dort letztendlich auch Merkels
Mehrheitsfähigkeit zu gefährden.
Zudem
wirkt Merkels Einschläferungs-Taktik nur bundespolitisch, da der deutsche
Urnenpöbel sich vor allen Entwicklungen in der Welt fürchtet und hofft mit
einer möglichst trägen Bundesregierung dagegenzuwirken.
Da es
auf Landes- und Kommunalebene aber nicht um Krieg und Katastrophen geht, die
durch bräsiges Wegducken vermeintlich vermieden werden, fruchtet die Strategie
der CDU-Chefin auch nicht mehr. Es gibt so gut wie keine CDU-regierte Großstadt
mehr und die Grünen sitzen in mehr Landesregierungen als Merkels Leute.
Ein
Desaster.
Merkel
ist meines Erachtens machttaktisch richtig beraten die alten CDU-Zöpfe alle
abzuschneiden: Hauptschule, Wehrpflicht, Abtreibungsverbot, kein Geld für
Südeuropa, Widerstand gegen den Mindestlohn, Staatsbürgerschaftsrecht, Atomenergie.
Alles
Loserthemen auf die Dauer. Alles Themen, bei denen die SPD am Ende doch Recht
behalten wird.
Und für
Merkel ist es ungefährlich den Kurs der CDU umzuschwenken, da CDU-Parteidelegierte
grundsätzlich rückgratlose Gestalten sind. In der CDU werden IMMER alle Anträge
des Vorstands devot abgenickt. Niemals würden obrigkeitsaffine CDUler wie die
Sozen in Mannheim 1995 aus einer Laune heraus den Vorsitzenden austauschen.
Aber ein
bißchen aufpassen muß sie schon. Die Strategie, die Wähler wie Champignons zu
behandeln (im Dunkeln lassen und mit Scheiße füttern), funktioniert aber nur
unter den Voraussetzungen, daß die mit Scheiße Gefütterten Merkel nämlich
vertrauen und annehmen die grundsätzliche Richtung stimme.
Beide Stützen
wackeln aber.
Nach den
diversen Umdrehungen der Geheimdienstaffären, weiß nun ganz Deutschland, daß
nicht nur Merkels selbst, sondern auch ihre Kanzleramtsminister lügen.
Vorsätzlich und offenbar seit Jahren. Das Lügen hat Methode bei Merkel.
Man
glaubt ihr nicht mehr so recht; man erwartet quer durch alle Parteien, daß sie
eben nicht das Fehlverhalten des BNDs und der Aufsicht im Kanzleramt aufklären
wird.
Damit
ist noch nicht das Wählervertrauen in sie grundsätzlich erschüttert, weil sich
einfach zu wenig Menschen für Geheimdienste interessieren. Aber es gibt
immerhin erste Löcher in ihrer Anti-Skandal-Teflonbeschichtung.
Ob die
grundsätzliche Richtung stimmt, fragen sich aber auch immer mehr Menschen.
Die
Europapolitik ist ihnen unheimlich. Sie verstehen zwar offensichtlich überhaupt
nicht wie sehr Deutschland von der Euro-Krise profitiert und wissen auch nicht
wo die Milliarden landen, die Deutschland zur Bankenunterstützung ausgibt, aber
sie befürchten, daß Merkel es auch nicht immer so genau weiß.
Zudem
ist Merkels Instinkt-Kompass defekt. Wieder ist es so wie 1998, daß die CDU als
ewig-gestrige Partei dasteht, die sich als einzige noch tumb gegen
gesellschaftlichen Fortschritt sperrt.
Stichwort
„Homo-Ehe“.
Was für
ein lächerlicher Krampf, daß die Bundesregierung immer und immer wieder angestoßen
vom Bundesverfassungsgericht einzelne Paragraphen
gelichgeschlechtlich-freundlich umformulieren muß.
Seit
Jahren geht dieses unwürdige Schauspiel so. Dabei könnte man sich das ganze
Theater sparen und mit einem Halbsatz die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen
und sich einen unendlichen Schwanz von Sonderregelungen sparen.
Merkel
sperrt sich gegen das Unausweichliche. Es wird ohnehin so kommen; die CDU muß –
WIE IMMER BEI GESELLSCHAFTLICHEN THEMEN – irgendwann ihren Widerstand aufgeben.
Es fragt sich nur wie peinlich es für sie wird.
Sie ist
bereits zu spät dran.
Selbst
streng christliche Länder wie Spanien, Irland und die USA sind längst an uns
vorbei gezogen.
Die Zustimmung zur Ehe
von Homosexuellen hat in den USA einen neuen Höchststand erreicht. 61 Prozent
der US-Bürger befürworten das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Heirat,
wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Gallup hervorgeht. Das sei der höchste Wert seit
der ersten Befragung zu dem Thema im Jahr 1996.
„Vor 20 Jahren haben nur 27 Prozent der
Amerikaner die Homoehe befürwortet, 68 Prozent lehnten sie ab“, so die
Meinungsforscher. Eine Mehrheit der Befürworter sei erstmals im Jahr 2011
verzeichnet worden. Die USA gleichen bei der Heirat von Schwulen und Lesben
einem Fleckerlteppich: Während 14 Bundesstaaten gleichgeschlechtliche
Eheschließungen nicht anerkennen, stieg die Zahl der Staaten mit
Homosexuellenehe auf zuletzt 36.
[….]
Ich will
das Thema inhaltlich gar nicht anfassen heute. Es geht nur um die parteitaktische
Bewertung. Der Zug ist längst an Deutschland vorbei gefahren. Es fragt sich nur
noch, wie man den Schaden für die Parteien, die peinlich hinterherhecheln, bzw
versuchen mit beleidigtem Fußaufstampfen den Zug aufzuhalten, minimiert.
Je
länger sich CDU und CSU sperren, desto peinlicher.
Heiko
Maas hat seinen neuen Gesetzentwurf für die „Ehe light“ schon sehr klar bewertet.
Er sei ungenügend, aber mehr könne er gegen den erbitterten Widerstand von CDU und
CSU nicht durchsetzen.
Das Bundeskabinett
will nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen am Mittwoch über einen Gesetzentwurf von
Justizminister Heiko Maas (SPD) beraten, durch den eingetragene
Lebenspartnerschaften rechtlich stärker an die Ehe herangeführt werden sollen.
"Wir werden in 23
verschiedenen Gesetzen und Verordnungen die Vorschriften für die Ehe auf Lebenspartnerschaft
ausdehnen", sagte Maas SPIEGEL ONLINE. "Das ist ein weiterer Schritt
auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung."
[…]
Das
Thema bleibe "auf der gesellschaftlichen Agenda", sagte Maas.
"Zur Wahrheit gehört momentan aber auch: In der Koalition mit CDU/CSU ist
eine vollständige Gleichstellung leider nur schwer realisierbar." […]
Irland
gibt der Union nun noch einmal einen kräftigen Tritt in den Hintern.
Die Grünen wollen nun
rasch eine Abstimmung zur Homo-Ehe im Bundestag. "Wir werden einen
Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe noch vor der Sommerpause einbringen",
sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, SPIEGEL ONLINE.
"Angela Merkel muss sich fragen, ob sie dauerhaft bei dieser Frage gegen
die Mehrheit der Bevölkerung, des Bundestags und des Bundesrats regieren
möchte."
Auch die SPD erhöht
den Druck auf die Kanzlerin. "Wir sollten nicht die rote Laterne in Europa
sein", sagt der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Burkhard Lischka.
Kollege Kahrs, Chef des pragmatischen Seeheimer Kreises, sagt: "Selbst die
Queen lässt verlautbaren, dass sie ein solches Gesetz gerne unterschreibt.
Angela Merkel sollte sich hinter die Ohren schreiben, dass ihre Politik an
dieser Stelle nur noch rückständig und peinlich ist."
Nun
sehen Merkels und Seehofers Leute mit ihrem ewigen Diskriminierungsdrang noch
verbitterter und verlorener aus.
Die
Gesellschaft ist weiter als CDU und CSU
Die Union versteht
sich als Bollwerk gegen die völlige Gleichstellung der Homosexuellen. Sie
verkennt damit, wie die katholische Kirche in Irland, die Zeichen der Zeit. Die
SPD kann sich freuen.
Ausgerechnet Irland,
diese vor gar nicht so langer Zeit noch hartleibige Trutzburg des konservativen
Katholizismus, hat sich von der Ungleichbehandlung homosexueller Paare
verabschiedet. Und das nicht verdruckst, verklemmt, in kleinen Schritten. Nein,
die Iren haben sich mit heiterer Gelassenheit und großer Mehrheit entschieden,
dem vermeintlichen Schreckgespenst Homosexualität Adieu zu sagen. Knapp zwei
Drittel aller, die sich an der Volksabstimmung beteiligten, haben sich für eine
komplette Gleichstellung homosexueller Paare ausgesprochen. Das ist ein Segen
für die Schwulen und Lesben - und eine Botschaft an die Konservativen in ganz
Europa, auch in Deutschland.
[….]
Die Unionsparteien verstehen sich -
ähnlich wie die katholische Kirche in Irland - als Bollwerk gegen eine völlige
Gleichstellung der Homosexuellen in Deutschland. Deshalb wird es eine solche
Gleichstellung in dieser Legislaturperiode wohl auch nicht mehr geben. [….]
Gut so!
Dann weiß der Wähler was er bekommt, wenn er sein Kreuz bei Merkel macht und überlegt es sich in Zukunft vielleicht zweimal, ob er das wirklich will.
Dann weiß der Wähler was er bekommt, wenn er sein Kreuz bei Merkel macht und überlegt es sich in Zukunft vielleicht zweimal, ob er das wirklich will.