Sonntag, 30. September 2012

Die Linken, was ist das?




Als sich PDS, Linke Liste, WASG zu „LINKE“ zusammenschlossen, mag es aus ihrer Sicht ein kluger Schachzug gewesen sein, um die vorherigen Namenswechsel vergessen zu machen und die verschiedenen Parteiströmungen zu einen.

Sprachlich ist das eine Katastrophe das Adjektiv zum Substantiv aufzublasen. 
Plural und Singular sind schwer zu trennen. Heißt es „die Linke“ oder „die Linken“? 
Man weiß auch gar nicht wie man es schreiben soll, wenn in Anlehnung an die Akronyme der Altparteien Großbuchstaben verwendet werden. 
Gregor Gysi von „die LINKE“ oder „den LINKEn“?

Der Name ist SCHEISSE. 

Ich fordere eine Umbenennung in irgendein Wortungetüm, welches man bequem mit drei großen Buchstaben abkürzen kann.

Erschwerend kommt hinzu, daß deraktuellen Name der Kipping, Katja und Riexinger, Bernd-Partei immer zu Verwechslungen führt, weil im bisherigen Sprachgebrauch „die Linke" etwas anderes als die Partei „LINKE“ gemeint ist.

„Die Linken“ sind für mich der Überbegriff für alles links von Schwarz/Gelb. 
Die Linken stellen beispielsweise im Abgeordnetenhaus des Bundeslandes Berlin 75% der Sitze.
 Für mich verläuft die Trennlinie zwischen CDU einerseits und SPD/Grünen/Piraten/Linke andererseits. Deswegen ärgere ich mich ja so, wenn es trotz überwältigender „linker Mehrheit“ eine Regierung mit CDU-Beteiligung gibt. 

Noch schlimmer war es nach der Bundestagswahl von 2005, als trotz linker Mehrheit sogar die CDU die Kanzlerin stellte und mit MEINER Stimme gewählt wurde!
 Ich hatte GELD für den 2005er Wahlkampf der SPD gespendet, weil ich mit allen Mitteln Merkel VERHINDERN wollte und dann stimmt meine Partei in der Kanzlerfrage FÜR sie!

„Die Linken“ können aber auch innerhalb einer Partei eine Gruppe bezeichnen. 
Sogar die Schwarzgelben haben jeweils linke Parteiflügel. 
In der FDP sind das die dreieinhalb Leute, die bei den Bürgerrechten nicht alles in den Orkus werfen wollen; bei der CSU ist das ein ehemaliger Flügel der katholischen Soziallehre, den eine 50%+X-Partei für die großen Mehrheiten braucht. In der CDU sind die Linken ein notorischer Arbeitnehmerflügel, der nett zu den Gewerkschaften sein will, sich aber nie durchsetzen wird.

Bei den „linken“ Parteien sind die jeweiligen „Linken“ naturgemäß stärker und manchmal mehrheitsfähig. 

Lange dominierten die Linken bei den Grünen, genannt „Fundis“, die Partei und machten das Regieren sehr schwer. Mit ihnen drohe "rot-grünes Chaos" mußten wir uns viele Jahre anhören.
Inzwischen sind die sektiererischen Fundis alle ausgetreten und diejenigen, die heute noch eindeutig dem linken Flügel zugerechnet werden - wie Jürgen Trittin - sind absolute Realos. 
Trittin hat viele Jahre Ministererfahrungen. Zweimal arbeitete er mit dem Oberrealo Gerd Schröder zusammen. 1990-1994 als Bundes- und Europaminister in Niedersachsen und 1998-2005 als Bundesumweltminister.
Nach wie vor halte ich Trittin für einen der meistunterschätzten Minister.
 Er hat bedeutenden Weichen gestellt und Hunderttausende Arbeitsplätze im Öko-Sektor geschaffen. Er mag ein Parteilinker sein, aber er ist sicher nicht im früheren Sinne „links“ - also „unberechenbar, unverlässlich, träumerisch.“
Es ist überliefert, daß der alte Haudegen Schröder ihm vollständig vertraute.

In DER „LINKE“n werden mit dem „linken Flügel“ immer noch die „kommunistische Plattform“, alte SED-Kader und Sahra Wagenknecht konnotiert. 
Mit diesen Linken bei den Linken verdarb sich die Partei schon oft Regierungsbeteiligungen. 
Diese Assoziationen sind allerdings weitgehend auch falsch. Zwar triggern die „Schon in der SED Dabeigewesenen“ die stärksten Abwehrreflexe bei den westdeutschen Parteien, aber gerade sie sind es, die in den Ostdeutschen rot-roten Koalitionen die Zusammenarbeit so erfolgreich machten. Sie sind diszipliniert, fleißig und regierungsfähig. Sie sind die eigentlichen „Realos“, während die westdeutschen Ex-WASG’ler eher das fundamentalistische Chaos-Element in die Partei bringen.
 Natürlich gibt es Unterschiede von Bundesland zu Bundesland. Die Linke-Fraktion in Hamburg (Oder heißt es „Linksfraktion“, oder „linke Fraktion“?) halte ich für absolut regierungsfähig und vernunftorientiert. 
Bei der NRW-Truppe ist das ganz anders. Kein Wunder, daß sie nach anderthalb Jahren wieder aus dem Landtag flogen. 
Und schließlich Frau Wagenknecht. Das ist mal eine Frau, die sehr gut informiert ist und mit der eine Diskussion über internationales Finanzwesen lohnt. Ich hätte ihre Stimme gerne dabei, wenn es um den Bundeshaushalt und Steuergesetze geht.

Kommen wir zu meiner Partei, den Sozis.
 Da ist es mit „den Linken“ besonders schwierig. Sie sind eine fixe Größe und traditionell so verwurzelt, daß sie immer einige der ihren in die Parteispitze schicken können.
 Das war immer so und muß auch so bleiben, weil der SPD-Regierungsflügel traditionell eher zu den „Seeheimern“ (also die Rechten in der SPD) gehört. 
So kommt dann eine Andrea Nahles zu ihrem Posten als Generalsekretärin. Sie ist zwar hochgradig unbeliebt, offenkundig unfähig und stets mit den miserabelsten Wahlergebnissen geschlagen - aber keiner traut sich den Proporz auszuhebeln.
Das schwächt natürlich die Partei enorm, wenn so eine Vollpfeife die Partei und den Wahlkampf organisiert, aber das ist eben SPD. 
Nahles hasst Steinbrück und so wird die Partei-schwächende Frau nun sogar noch gestärkt
Es muß ja ein Gleichgewicht zu dem Superrealo Steinbrück gehalten werden.
Absurd. Aber Real-Absurdität.

Ich komme mittlerweile zu dem Schluss, daß ich die Partei-internen Linken nicht ausstehen kann!
Sie verwechseln immer noch die Realwelt mit einem „Wünsch-Dir-was“-Spiel. Die SPD wird im Bund nicht so bald die absolute Mehrheit erreichen und selbst wenn es so wäre - die Abhängigkeit von Bundesrat und EU bliebe bestehen. Man kann auf Parteiversammlungen prima seinen Phantasien freien Lauf lassen und sich ausmalen was alles wünschenswert wäre.
Im Bundestag klappt das nicht.

Mir tut heute noch Franz Müntefering Leid, den vor der Erfindung des Ausdrucks „Shitstorm“ ein solcher ereilte, nachdem er 2005 beklagt hatte es sei unfair die Parteien immer an den Wahlversprechen zu messen.
Das wollten alle nur zu gerne falsch verstehen.
Gemeint hatte der damalige SPD-Chef natürlich nicht, daß Parteien generell lügen. 
Vielmehr beklagte er die Zwänge einer großen Koalition, in der die SPD zu allem Übel auch nur Juniorpartner war.
Natürlich kann ein Koalitionsvertrag nicht zu 100% dem Wahlprogramm einer Partei entsprechen.
Viele Köche haben in den Koalitionsverhandlungen die Chance den Brei zu verderben.

Ausnahmen gibt es nur, wenn zufällig alle Koalitionsparteien gleichermaßen lobbyhörig sind und über keinerlei Rückgrat verfügen.
So wurde die Hotelsteuerermäßigung von Schwarzgelb im Rekordtempo durch gewunken.
(Auch Müntefering galt in der Partei als Linker, war aber ein absoluter Realo!)

Linke glauben aber die Partei könne der Regierung den Kurs diktieren. 
Das geht schon deswegen nicht, weil innerparteiliche Entscheidungsprozesse Jahre dauern, während die Kanzler Schmidt und Schröder oft in Tagen, wenn nicht in Stunden entscheiden mußten.
Diese Unterschiedlichkeit der Geschwindigkeit und der unterschiedliche Informationsstand führen zu einem notorischen Misstrauen der Linken gegen die eigenen Leute im Regierungsamt.

Ein Linker möchte, daß seine Partei-Vertreter 100% seiner Wünsche umsetzen. Ein Realo weiß, daß das nicht geht.

Ein Realo weiß, daß eine Regierung funktionieren muß. 
Ein Linker ist sofort bereit das Kind mit dem Bade auszuschütten. 
Beispiel:
„Nie wieder SPD!“ schrien eine Menge Leute nach Ulla Schmidts „Dienstwagenaffäre“. Einer absoluten Petitesse. Das Schlimme ist: Diese Typen meines es so, gehen nicht mehr zur Wahl und nehmen dafür lieber Westerwelle und Rösler in Kauf.
 Na, das hat die Gesundheitspolitik für die kleinen Leute ja viel weiter gebracht! Aber Ulla Schmidt hat keinen Dienstwagen mehr!

Parteilinke haben eine partielle Denkschwäche.
 Andrea Nahles dokumentierte dies, als sie mitten in den 2005er Koalitionsverhandlungen auf die Idee verfiel dem obersten SPD-Verhandlungsführer, Parteichef Müntefering so zuzusetzen, daß er zurück trat! War das ein Fest für CDU und CSU.

Überhaupt neigen Partei-Linke zur Irrationalität und Blödsinn. 

Es ist kein Zufall, daß gerade die Linken Nahles und Thierse schwere Religioten sind, während absoluten Realpolitiker Ingrid Matthäus-Maier (Ex-FDP’lern, Ex-Bankerin) und Rolf Schwanitz (Schröderianer, 1998 bis 2005 Staatsminister im Bundeskanzleramt) eine so vernünftige und durchdachte Position zu Kirchen und Penisabschneiderei einnehmen, daß man auf Knie fallen und ihnen danken möchte.

Scheiß auf die Linken!

Zu allem Unglück bin ich auch noch selbst ein Linker. 
Jedenfalls verstehe ich mich inhaltlich so. 

Alle langsam in den Partei-Mainstream überschwappenden linken Positionen habe ich schon lange vorher unterstützt. Bevor es möglich schien so etwas umzusetzen.

Ich trete schon seit fast 20 Jahren für "rot-rote" Bündnisse ein und ärgere mich die Pest über die SPD-spezifische Ausschließeritis, die immer dazu führt, daß sich die CDU freuen kann.
Ich war immer für die vollständige „Homoehe“ inkl Adoptioinsrechten. Ich bin für Patientenverfügung und Sterbehilfe, ich bin für die doppelte Staatsbürgerschaft, bin ein scharfer Gegner der Atomkraft und der Stromkartelle. Ich bin für radikalen Umweltschutz, für Tierrechte, für Zirkustierverbot, für Tierversuchsstopp. Ich bin unbedingt dafür Kapitaleinkünfte und Börsenumsätze stark zu besteuern, ich befürworte Verstaatlichungen von mit Steuermitteln „geretteten“ Banken. Ich verlange einen Abschiebestopp und eine humanere Asylpolitik, ich bin gegen Militäreinsätze. Ich bin radikaler Säkularist, der sich die völlige Entflechtung von Staat und Kirche auf die Fahne geschrieben hat. Das Steuerabkommen mit der Schweiz gehört ebenso auf den Müll wie die Herdprämie. Deutschen Millionären, die sich wie Harald Schmidt, Gottschalck, Schuhmacher und Co aus Deutschland absetzen, um sich finanziell nicht mehr an der Solidargemeinschaft zu beteiligen, gehört die Staatsbürgerschaft entzogen. Simple as that. Ich bin gegen die Privatisierung von städtischen Versorgern und sympathisiere sehr mit der Vorstellung den öffentlichen Personennahverkehr und die Wasserversorgung kostenlos zur Verfügung zu stellen.Die Wehrmachtsdesterteure müssen rehabilitiert und entschädigt werden.

Die Liste ließe sich fortsetzen.

Gerade als Verfechter linker Positionen freue ich mich über den Kanzlerkandidaten Steinbrück, weil wir mit ihm die größte Chance haben Angela Merkel zu verjagen.
Er ist nicht ideologisch vernagelt und verschließt nicht die Augen vor der Realität.
  Nur so kommen wir weiter.

Das Schlußwort gilt dem eher konservativen SZ-Chefredakteur Kurt Kister.


Auch wenn die Umstände der Kandidatenfindung mit dem bitteren Geschmack der Unwahrhaftigkeit verbunden sind, bleibt wahr, dass Peer Steinbrück der bestmögliche SPD-Kanzlerkandidat ist. Zwar ist er in Teilen der SPD-Funktionärsschicht und bei den eher traditionalistischen Mitgliedern mäßig beliebt bis minimal verhasst. Das aber ist nahezu eine Voraussetzung dafür, dass ein SPD-Kanzlerkandidat eine realistische Aussicht darauf hat, auch Kanzler werden zu können.
Es müssen hinreichend viele Wähler, die sich selbst als "Mitte" definieren, den Kandidaten akzeptieren. Die Stammwählerschaft von CDU und SPD ist stark geschrumpft, die Grenzen der Lager verschwimmen, es regiert der Wechselwähler, der tendenziell auch Nichtwähler ist. Der Spitzenkandidat muss sowohl die vielen Menschen außerhalb seiner Partei mobilisieren, die von wenig überzeugt sind, als auch jene relativ wenigen Leute innerhalb der Partei, die von viel, aber nicht unbedingt von ihm überzeugt sind. Steinbrücks Bankenkonzept zeigt, wie er normale Wähler und gleichzeitig auch engagierte Sozialdemokraten gewinnen kann.
Vor allem aber muss ein Kandidat, zumal wenn er gegen eine vielleicht umstrittene, aber erprobte Führungsfigur der Konkurrenz antritt, Kompetenz, Vertrauen und Führungswillen ausstrahlen. Letzteres gilt seit Jahrzehnten, es war so bei Helmut Schmidt und Gerhard Schröder.
Und es ist so bei Peer Steinbrück. Allerdings sind Eigenschaften wie Führungswillen meistens nicht von SPD-Parteitagsbeschlüssen gedeckt. Das wiederum haben sowohl Schmidt als auch Schröder sehr direkt erfahren. In der Union werden Altvordere meist durch personenzentrierte Kleinverschwörungen gestürzt. In der SPD sorgt dafür jene Gruppe, die man etwas unscharf gern "die Linken" nennt.
(Kurt Kister 30.09.12)