Sonntag, 10. April 2022

FDP und Grüne bitte mitarbeiten.

Von Olaf Scholz wird erwartet (von wem eigentlich, liebe Presse?), daß er endlich nach Kiew fliegt, um mit Präsident Wolodymyr Selenskyj (wie immer in Armee-Olivgrün gehüllt) in einer großen Foto-OP durch die von Russland beschossene Stadt zu spazieren. Die etwas naive Logik dahinter: Die Bilder werden den Kreml-Herrscher a) fürchterlich beschämen, da es seine Armee offensichtlich nicht wie geplant geschafft hat, Kiew zu kontrollieren und b) unheimlich beeindrucken, indem sie den Zusammenhalt Europas zeigten. Daraufhin akzeptiere Putin seine Fehlplanung und zöge sich c) höflich aus der Ukraine zurück.

Ich sage voraus: a, b und c werden nicht eintreten. Die Forderung einer Scholz-Reise nach Kiew entspringt eher der Ratlosigkeit, weil niemand einen Plan hat, wie der Horror glimpflich enden kann.

In Wahrheit sind die Motive simpel; es sind jetzt schon so viele Regenten für die begehrten PR-Bilder mit Selenskyj in die Ukraine geflogen, daß Scholz auch Tatkraft simulieren möge.

[….] Die EU-Kommissionspräsidentin, der britische Premier, Österreichs Kanzler: Mehrere europäische Spitzenpolitiker sind in die Ukraine gefahren. Muss Olaf Scholz nachziehen? Der Druck wächst, auch aus seiner Koalition.  [….]

(SPON, 10.04.2022)

Die geostrategische Supermacht Österreich prescht noch weiter vor; der Alpenkanzler reist nach Moskau.

[….] Österreichs Kanzler wird Putin am Montag in Moskau treffen

Erst besuchte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer die Ukraine – nun soll eine Visite in Moskau folgen. Es ist das erste Treffen eines EU-Staatschefs mit Kremlchef Putin seit Kriegsbeginn.  [….]

(SPON, 10.04.2022)

Nehammer ante Portas. Das wird Putin beeindrucken. Hätte er mal der Österreichischen damaligen Außenministerin Karin Kneissl 2018 zu ihrer Hochzeit, nach dem gemeinsamen Ehrenwalzer, nicht bloß die Ohrringe im Wert von wohl 50.000 Euro geschenkt, sondern 100.000 Euro draufgelegt.

Foto-OPs von Ministern und Regierungschefs in Kriegsgebieten, zielen meist auf die heimischen Umfragewerte, sind aber für die Soldaten und Sicherheitsbeamten ein teurer Alptraum. Mit seriöser Politik hat das nicht unbedingt etwas zu tun und wird daher gern von halbverrückten Schaumschlägern des Typus Johnson durchgeführt.

[….] Die ukrainische Botschaft in London veröffentlichte auf Twitter am Samstagnachmittag ein Foto mit der Überschrift "surprise", Überraschung. Auf dem Foto sind Boris Johnson und Wolodimir Selenskij zu sehen, wie sie in Kiew an einem Tisch sitzen[….] Es sind warmherzige Bilder, die da um die Welt gehen. Die Version, das Vereinigte Königreich sei die führende Nation in der Ukraine-Hilfe, wurde dazu am Sonntag in nahezu jedem britischen Medium transportiert. So geht das schon seit Wochen: Kaum ein Statement aus Downing Street kommt ohne den Hinweis aus, dass kein anderes Land mehr tue als Großbritannien - als sei die Relevanz der eigenen Rolle beim Helfen genauso wichtig wie die Hilfe selbst.  Während Johnson durch Kiew ging und Geschenke entgegennahm, trat in der heimischen BBC der Chef des britischen Roten Kreuzes auf und beschwerte sich zu Recht über den beschämenden Umgang der britischen Regierung mit den Flüchtlingen. Das Vereinigte Königreich hat als einziges europäisches Land eine Visumpflicht für Geflüchtete aus der Ukraine. Es ist erstaunlich, dass Johnsons Minister den Zynismus ihrer Worte nicht hören, [….] Einfach die Grenzen zu öffnen für Menschen aus anderen Ländern, das widerspräche der Politik von Johnsons Brexit-Regierung. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Bis Ende dieser Woche wurden im Königreich rund 41 000 Visumanträge aus der Ukraine genehmigt. Allein Deutschland hat offiziell bereits mehr als 300 000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, inoffiziell sind es weitaus mehr. [….]

(Michael Neudecker, 10.04.2022)

Nein, ich bin froh, daß Olaf Scholz ist wie er ist und nicht versucht durch Showelemente zu punkten.

In einer Dreierkoalition, in der die beiden „Kleinen“ zusammen deutlich mehr Stimmen, als die „große“ Kanzlerpartei haben, wäre es Show-Kanzler wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Ursula von der Leyen zum Scheitern verurteilt.

Scholz ist in multi-kritischen Zeit dazu verdammt, nebenbei auch noch die Fliehkräfte innerhalb der Koalition zu unterbinden, was angesichts einer zutiefst verantwortungslosen FDP nahezu unmöglich ist.

Dadurch passieren Megapleiten wie bei der Impfpflicht, die einer Regierung eigentlich nicht passieren dürfen.

Aber was soll man machen, wenn ein Drittel der Regierungsabgeordneten offensichtlich unzurechnungsfähig ist und es rechnerisch keine Alternative gibt?


Die Richtlinienkompetenz des Kanzlers bleibt in einer Konstellation mit einer frei drehenden FDP, die sich ihrer Unverzichtbarkeit sehr bewußt ist, eine theoretische Größe. Setzt sich Scholz zu sehr über die abstrusen Wünsche der Hepatitisgelben hinweg, platzt die Koalition. Scholz müsste die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen anstreben.

Kantar, Forschungsgruppe Wahlen und Forsa sehen derzeit sogar eine Rotgrüne Mehrheit; das ist der Verrückte. Eine sehr viel bessere und vernünftigere Regierung ohne die FDP wäre also theoretisch durchaus möglich. Aber praktisch sind Neuwahlen mitten in dieser Mehrfach-Megakrise undurchführbar. Die Spitzenpolitiker sind nicht abkömmlich für einen Wahlkampf.

Es hilft alles nichts, die Ampel muss weiterwurschteln.

Idealerweise würden in dieser Ausnahmesituation die Parteichefs dafür sorgen, ihren Ministern den Rücken freizuhalten. Die SPD schafft das sogar einigermaßen, aber Christian Lindner spielt nicht mit.

Wäre ihm am Wohle Deutschlands gelegen, müsste er als FDP-Chef den offensichtlich wahnsinnig gewordenen Wolfgang Kubicki rausschmeißen.

Scholz kann das nicht tun, ohne die Koalition platzen zu lassen, Lindner schon, aber er will lieber weiter Deutschland schwer schaden.

Ähnliches gilt für die Grünen Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour. Sie müssten, um Olaf Scholz und die Regierung zu entlasten, sofort Familienministerin Anne Spiegel zurückziehen. Ihr Maß war ohnehin schon voll. Immer neue ungeheuerliche Enthüllungen schaden der Ampel schwer.

[….] Nach dem Rücktritt der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) wegen eines Mallorca-Urlaubs während der Flutkatastrophe wächst nun auch der Druck auf Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne). Nur zehn Tage nach dem verheerenden Hochwasser an der Ahr reiste die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin für einen vierwöchigen Urlaub mit ihrer Familie nach Frankreich*, wie die Bild am Sonntag beim Umweltministerium in Mainz erfuhr.  [….]

(FR, 10.04.2022)

100 Tote und die zuständige Ministern chillt erst mal für einen Monat?

Auch hier gilt; Kanzler Scholz kann nicht ohne die Koalition zu sprengen, Minister anderer Parteien feuern. Die Grünen sind gefragt. Umso mehr, da Habeck und Baerbock im Moment einen überraschend guten Job machen und durch Spiegel mitbeschädigt werden.

Spiegel macht es wie Kollegin Heinen Esser noch schlimmer, indem sie die Schuld ihrer Familie in die Schuhe schiebt.

[….] #AnneSpiegel erfährt, dass ihr Mann von Stress ferngehalten werden muss. Folgerichtig wird sie Ministerin, ist mitverantwortlich für 134 Tote und macht eine Pressekonferenz, in der sie ihren Mann vor ganz Deutschland instrumentalisiert, um nicht zurückzutreten.

Wow. [….]

(Benedikt Brechtken, 10.04.2022)

[….]Sichtlich in Not und um jedes Wort ringend, erklärt Bundesfamilienministerin #AnneSpiegel (Grüne), warum sie zehn Tage nach der Flutkatastrophe vier Wochen Urlaub gemacht habe: Ihr Mann habe einen Schlaganfall erlitten. Sie und ihre Familie hätten die Auszeit gebraucht.  [….]

(Lorenz Meyer, 10.04.2022)

[…]  Niemand sollte so vor die Presse treten müssen. Niemand sollte so private Details veröffentlichen müssen. Es tut mir leid, dass #AnneSpiegel das mitmachen musste.  Ich bin froh, dass diese starke Frau Ministerin ist und bleibt. [….]

(Emma Kohler, 10.04.2022)

Sämtliche konservative Journalisten dreschen nun höhnisch auf Anne Spiegel ein, AfD und den rechten Twitter-Trollen rinnt der Geifer aus den Mundwinkeln. Daraufhin solidarisieren sich Grüne und Linke, bekunden Mitleid mit der armen sympathischen Frau, die familiär überfordert gewesen wäre.

Lang und Nouripour, ich empfinde auch Mitleid, aber eine so sehr schon von dem Landesministeramt durch ihre Sensibilität überforderte Politikerin, hat im Bundeskabinett nichts zu suchen. Zieht sie ab und stabilisiert damit die Ampel.