Donnerstag, 15. August 2019

Abstieg der Wirtschaftsminister, Teil II


Ein Minus vorm Komma des Deutschen Wirtschaftswachstums?
Das muss man nach einer Dekade Dauererektion erst mal hinbekommen.
Chapeau, Wirtschaftsminister Altmaier! So fehl am Platze war seit den FDP-Mann-Tagen keiner mehr auf dem Sessel.

(….) Ich erinnere mich noch an eine Generalaussprache, als [Ingrid Matthäus-Maier] auf die Vorstellung des Haushalts von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt Mitte der 1990er klagte:
„Wir hatten einen Bangemann, wir hatten einen Haussmann, wir hatten einen Möllemann – wann bekommen wir endlich einen Fachmann?“

Erhört wurde ihre Klage freilich nie.
Fünf Bundeswirtschaftsminister von der FDP in Folge hatten das Amt abgewirtschaftet.

Rexrodt war nicht nur wie seine Vorgänger überfordert, sondern wurde gar nicht mehr ernst genommen. Die Presse beschrieb ihn als peinlichen „Grüßaugust“, den noch nicht mal Industrielobbyisten beeinflussen mochten, weil zu offensichtlich war wie desinteressiert und machtlos er war. (….)

Im Gegensatz zu den anderen EU-Staaten galt die robuste deutsche Exportwirtschaft eigentlich als unkaputtbar.
Aber eine völlig untätige Bundesregierung, die den völlig aus dem Ruder laufenden Branchen (debakulierende Auto-Hersteller, kriminelle Banken, subventionshungrige Bauern) keinerlei Vorgaben macht, kann auch das was Gerd Schröder mit der Agenda 2010 aufgebaut hat, wieder einreißen.
Breitbandausbau? Glasfasernetz? Die Mehrheit der Krankenhäuser bildet gar nicht aus? Energietrassen?

Während Trump Handelskriege anzettelt, ist die deutsche Kanzlerin international gar nicht mehr vorhanden.

Natürlich wird Deutschlands Wirtschaft bei so einer geballten Ladung demonstrativen Hände-in-den-Schoß-legen irgendwann abgehängt.

Im Jahr 2018 behauptete der Wirtschaftsminister noch, das deutsche Wirtschaftswachstum werde 2019 etwa zwei Prozent betragen.
Ende Januar 2019 erkannte er, den Mund zu voll genommen zu haben.

[….] Zwar befinde sich die deutsche Wirtschaft das zehnte Jahr in Folge auf Wachstumskurs, so Altmaier. Die Bundesregierung erwartet für 2019 aber nur noch eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 1,0 Prozent. In ihrer Herbstprognose war die Regierung noch von einem Plus von 1,8 Prozent ausgegangen. Im Gesamtjahr 2018 hatte Europas größte Volkswirtschaft nach einer ersten Schätzung des Statischen Bundesamtes um 1,5 Prozent zugelegt, nach jeweils 2,2 Prozent in den beiden Vorjahren. [….]

Dem Fachkräftemangel begegnete Altmaier mit gezieltem Weggucken und festen Ohren zuhalten.
Die zerfallende Infrastruktur gehen Scheuer und Altmaier mit maximalem Phlegma, Indolenz und Apathie an.
Dazu noch die internationalen Handelskabale, denen Frau Merkel mit einem kräftigen Nickerchen begegnet. Die Folge: Im zweiten Quartal ging das Bruttoinlandsprodukt leicht zurück.

[…..] Das reale (preisbereinigte) Bruttoinlandsprodukt in Deutschland war im 2. Quartal 2019 saison- und kalenderbereinigt um 0,1 % niedriger als im 1. Quartal 2019. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hat sich die deutsche Wirtschaftsleistung somit etwas abgeschwächt. Im 1. Quartal 2019 hatte es noch einen Anstieg von 0,4 % zum 4. Quartal 2018 gegeben. [….]

In Phasen der Schrumpfung, insbesondere wenn sie durch staatliche Untätigkeit eingeleitet wurde, tut eine vernünftige Regierung genau das Gegenteil des von blanker Unkenntnis zeugenden Austeritäts-Wahnes à la Schäuble und Merkel.

[…..] Die Griechen sparen bekanntlich dermaßen, daß es quietscht. 
Große Teile Athens mutieren zu Slums, Nierenpatienten können sich ihre Dialyse nicht mehr leisten und Hunger wird wieder alltäglich.
Es trifft, wie immer im Kapitalismus, diejenigen, die nichts dafür können.

Deutschland ist der große Profiteur der Schande von Griechenland.
 Dort wird das einfache Volk ausgepresst nachdem die griechische Regierung Deutschen Rüstungsfirmen Milliarden-Aufträge erteilt hatte, hunderte Panzer kaufte, U-Boote bestellte. 
Deutsche Anleger freuen sich über die Dividenden, die ihnen griechische Staatsanleihen bringen. Deutsche Banken, als die griechischen Kreditgeber verdienen üppig am Hellas-Desaster. 
Ganz Griechenland fungierte als Absatzmarkt für deutsche Waren, die mit hartem Euro bezahlt wurden. 

Aber der Krug ist inzwischen doch gebrochen.
 Nun breitet sich Elend aus, während es Deutschland gut geht.

Nachdem immer mehr Berichte aus griechischen Schulen auftauchten, in denen Kinder vor Hunger in Ohnmacht fielen, war die Athener Regierung gezwungen Essensmarken auszugeben.

 Das griechische Bildungsministerium will arme Schüler und Familien mit Lebensmittelmarken unterstützen. Von kommender Woche an sollen an 18 Schulen in neun Arbeitervierteln kostenlos Coupons für Milch, Früchte und Kekse verteilt werden, sagte die Staatssekretärin im Bildungsministerium, Evi Christofilopoulou, dem Parlament nach Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur ANA. Die Marken bekommen dabei nur jene, die von den staatlichen Sparmaßnahmen am härtesten betroffen sind.
 Seit Monaten steht die Regierung unter Druck diesbezüglich zu handeln. Denn Medien hatten über unterernährte Schüler berichtet, die im Unterricht vor Entkräftung in Ohnmacht fielen.

Die Lehrer können ihren Schülern kaum behilflich sein. Der Durchschnitts-Jahreslohn eines griechischen Lehrers sank aufgrund der Sparanstrengungen von rund € 20.000 auf € 12.000.

Die zynische Reaktion der christlichen Bundeskanzlerin:
Es werde eben noch nicht genug gespart; Athen solle ein EU-Sparkommissar zur Seite gestellt werden.

An dieser Stelle betone ich immer wieder, daß die Merkel/Steinmeier-Regierung für das eigene Volk genau die gegenteilige Kur durchführte. 

Am 05. November 2008 legten Steinbrück und Co das Konjunkturpaket I (Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“) auf, welches Dutzende Maßnahmen umfasste - darunter die wichtige Verlängerung des staatlichen Kurzarbeitergeldes.

Finanz- und Wirtschaftsministerium betonten stolz:
„Die Maßnahmen der Bundesregierung fördern in den Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen, privaten Haushalten und Kommunen in einer Größenordnung von rd. 50 Mrd. €. Darüber hinaus gewährleisten Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierung und Liquidität bei Unternehmen die Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut 20 Mrd. €. Zusammen mit den vom Kabinett am 7. Oktober 2008 beschlossenen Maßnahmen werden allein in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt rd. 32 Mrd. € aus den öffentlichen Gesamthaushalten zur Verfügung gestellt.“
(BMWi und BMF Nov 2008)

Der hyperaktive Bundesfinanzminister Steinbrück ruhte aber auch anschließend nicht und schob sofort ein weiteres staatliches Ausgabenprogramm an.

Das Konjunkturpaket II („Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes“) wurde im Januar 2009 beschlossen und hatte sogar einen noch größeren Umfang. 

Es umfasste 13 Beschlüsse - darunter die berühmt-berüchtigte „Abwrackprämie“, den „einmaligen Kinderbonus“ von 100 Euro, massive Investitionen in den Breitbandnetzausbau und einen zehn Milliarden-Euro-Zuschuss für kommunale Investitionen.

Fast alle Parteien und Wirtschaftswissenschaftler sahen die Maßnahmen als notwendig an - außer der FDP, die heftig gegen die Maßnahmen wetterte.

Schließlich führten die staatlichen Ausgaben dazu, daß kein anderes EU-Land (außer Polen) so gut wie Deutschland durch die Krise kam.

Die damaligen Wohltaten gönnte Merkel aber nur den Deutschen. Von den anderen EU-Problemstaaten verlangt sie das diametrale Gegenteil.

 Sie meint, daß man die Verhungernden am besten durch Essensentzug heile.  (…………………)

Die Konjunkturpakete von vor elf Jahren waren sehr teuer, zahlten sich aber aus.
Angesichts der Trumpschen Schockwellen, die sich in Form von Zollschranken, Zerschlagung von Handelsabkommen und Anheizen von Kriegen zeigen, wären 2019 Konjunkturpakete erst recht angezeigt.
Diesmal müsste Deutschland noch nicht mal Zinsen zahlen, sondern bekäme wegen der Negativ-Zinsen („Kapitalismus kaputt“) sogar Geld dafür!

[….] Es ist der Moment, da der Staat als Stabilisator eingreifen muss – mit einem mindestens auf fünf Jahre angelegten Programm zum Ausbau der Infrastruktur. Und das wäre erheblich mehr als ein Stimmungsaufheller. Vielmehr können nur so die Klimaschutzziele erreicht, die Wohnungsnot bekämpft und schnelles Internet überall zur Verfügung gestellt werden. Zudem sind die Finanzierungsbedingungen so gut wie nie. Wenn sich der Staat heute Geld leiht, muss er nicht nur keine Zinsen zahlen, er bekommt sogar noch eine Gebühr von den Investoren dafür, dass sie ihr Kapital zur Verfügung stellen dürfen. […]
(FT Wenzel, RND, 15.08.19)

Sogar die staatsfernste Stimme Deutschlands, der Arbeitgeberpräsident fordert von der Groko Konjunkturprogramme.

[….] Diese Woche forderte selbst Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer - als solcher sonst ja eher der Kategorie Markt-vor-Staat zuzuordnen -, dass sich die Regierung auf den derzeit nahenden Ernstfall einstellen und eine subventionierte Kurzarbeiterregelung vorbereiten sollte, wie es sie 2009 neben anderen Maßnahmen gegeben hat. […..]

Aber mit dieser Union ist vernünftiges Handeln hoffnungslos.
Entweder sie sind fest eingeschlafen (wie Altmaier/Merkel), oder aber grundsätzlich verblödet (Seehofer/Scheuer/Klöckner).

Wie Kaninchen in Todesangst starren Deutsche auf das böse Wort „Schulden“, dabei funktioniert Ökonomie gar nicht ohne Schulden. Schulden sind etwas Gutes.

[….] Die Tücke ist, dass beim Moralisieren die Vernunft schon mal aussetzt. Zwar dürfte der Eifer dazu beigetragen haben, dass Deutschlands Finanzminister seit Jahren sinkende Staatsschulden vermelden. Hauptsächlich liegt es allerdings viel schnöder daran, dass die Wirtschaft wuchs, es immer weniger Arbeitslose und niedrige Zinsen gab und gibt.
Die Kehrseite sind jedoch jahrelang ausgebliebene Investitionen in Straßen, Streckennetze, Bahnhöfe, S-Bahn-Ausstattung, Schulgebäude, Lehrer, Kita-Erzieher, Notaufnahmen, Breitbandnetze, Tankstellennetze für Elektroautos, Gebäudesanierungen zum Klimaschutz, vernünftige Mindestrenten und die flächendeckende Ausstattung mit Internet. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Weil für alles angeblich kein Geld da war. In Wirklichkeit wurde eben nur politisch die Priorität auf den Abbau der bösen Schulden gelegt. Und das auch noch mit dem irren Argument des einen oder anderen Chefapostels, dass wir unseren Kindern doch nicht so böse Schulden hinterlassen dürfen. Jetzt hinterlassen wir ihnen die oben genannten Mängel. Und einen Planeten, der droht, mangels klimaschützender Investitionen auf Katastrophen zuzusteuern - wogegen bemühte Kinder nicht ganz zu Unrecht freitags Protest kundtun - nicht gegen Schulden.
Selbst eher liberal-konservative Ökonomen wie der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, schlagen mittlerweile Alarm, dass es kein Selbstzweck und sogar gefährlich ist, die Schuldenquote immer weiter abzubauen. [….]