So viel Selbstmitleid muss erlaubt sein. Mit einem US-amerikanischen und einem deutschen Pass, bin ich mit zwei Regierungen hart geschlagen. Trump und Vance, sowie Merz und Dobrindt. Zwar bin ich schon lange Leidenszeiten gewöhnt, aber Angela Merkel, die ich stets hart kritisierte und deren Politik ist für falsch und fatal hielt (und halte), hat mich seelisch nicht so stark abgestoßen. Ich konnte es ertragen, sie in der Tagesschau zu hören, nahm ihre Bilder in Zeitungen achselzuckend wahr. In der Hinsicht war der selbstgefällige Fettnapf-König Kohl schlimmer, aber das war glücklicherweise vor dem Social-Media-Zeitalter, so daß man ihn nicht 24/7 hören und sehen musste.
Söder, Merz, Dobrindt, Bär, Linnemann, Spahn, Trump, Vance, Rubio, RFK, Graham, Johnson, Cruz, MTG, Boebert, Hegseth hingegen, lösen psychosomatische Schäden aus. Wenn ich ihnen länger als ein paar Minuten zuhöre/sehe, setzen bei mir Schwindelanfälle und Kopfschmerzen, sowie schwere Magenverstimmungen ein, deren kein SSRI mehr Herr wird. Dafür braucht es schon Benzodiazipine, aber ich will schließlich nicht in einer Beau Rivage-Badewanne landen; mit dem Zeug muss man vorsichtig sein.
[….] Diese Regierung wird, umrankt von der üblichen Mutprosa, irgendwie so weitermachen wie bisher: In der Migration wird der Kurs noch einmal verschärft, über das hinaus, was die Ampel schon getan hat. Merz hat seine Hauruck- und Grenzen-dicht-Rhetorik etwas heruntergedimmt, man kann ja schlecht MigrantInnen rüde in Nachbarländer zurückweisen und sich gleichzeitig dafür feiern, Europa jetzt richtig voranzubringen.
Merz will ein außenpolitischer Kanzler werden. Sein Weltbild wirkt dafür etwas antiquiert: China taucht als Rivale auf, Trump als Partner, dem der Kanzler mit freundlichen Telefongesprächen den Weg in die westliche Wertewelt heimzuleuchten hofft. Es dauert noch eine Weile, bis Deutschland in der neuen, postwestlichen Weltordnung ankommt. Merz’ Regierungserklärung macht einen Hohlraum sichtbar, diese Regierung der Mitte ist programmatisch leer. [….]
Es hilft ja nichts; als Politjunkie kann ich dem drohenden News-Fatigue nicht durch Vogelstrauß-Methodik entgehen. Und so verfolge ich gruselnd, wie Merzens-Dilettanten-Truppe durch ihre ersten Tage debakuliert.
[….] Mehr als zwanzig Mal fiel das Wort „Verantwortung“, das es mit dem Zusatz „für Deutschland“ bekanntlich auch in den Titel des Koalitionsvertrags geschafft hat. Wie schwer diese Verantwortung wiegt, bekam Merz gleich zu Beginn seiner Kanzlerschaft zu spüren. Auf seiner Reise nach Warschau erlebte er, wie schnell sich Misstöne ins hohe Lied der Freundschaft schleichen, wenn die deutsche Migrationswende auf anders gelagerte polnische Interessen stößt. Auch in Brüssel begegnete ihm Skepsis angesichts der deutschen Haltung, Migranten ließen sich an deutschen Grenzen zurückweisen, und das gar europarechtskonform. Der Ruf nach Eurobonds zur gemeinschaftlichen Verteidigungsfinanzierung, die Merz rundweg ablehnt, dürfte ebenfalls nicht verstummen, nur weil der neue Kanzler so gerne den Zusammenhalt in Europa zur Priorität beschwört. Und dann ist da natürlich noch der Großkonflikt mit Putins neo-imperialistischem Russland. Merz’ Ukraine-Reise zusammen mit seinen Kollegen aus Frankreich, Polen und Großbritannien – mit dem US-Präsidenten am Telefon – war der richtige Auftakt für seine Kanzlerschaft, die einen außenpolitischen Schwerpunkt haben wird; daraus macht er kein Hehl. Dass Moskau sich bislang von diesem Vorstoß allerdings kaum beeindrucken lässt, zeigt deutlich, auf welch unwegsamem Gelände der neue Kanzler außenpolitisch unterwegs sein wird. [….]
Am schlimmsten ist es, sich nicht in Ruhe zurücklehnen zu können, um den Absturz der Christdemokratioten zu genießen, sondern man muss dieser Koalition tatsächlich Erfolg wünschen, wenn man sich nicht in naher Zukunft in einer rechtsextremen Autokratie wiederfinden will. Das fällt aber verdammt schwer, wenn man sieht, wie Dobrindt und Co die Vorhaben umsetzen, die man seit Monaten als absoluten Schwachsinn entlarvt hat, aber ganz tief ins sich drin gehofft hatte, die CDUCSUler könnten ja eigentlich nicht wirklich so dumm sein, das wirklich zu versuchen. Sie sind es aber offenkundig doch, wie Dobrindts illegale menschenrechtsantagonistische Pushbackszeigen. Natürlich ist das alles Bullshit, der in der Praxis gar nicht funktionieren kann.
[….] Eklat an der Grenze: Polen verweigert Übernahme von Asylbewerbern aus Deutschland[….] Der Streit um die Abweisung von Asylbewerbern an der Grenze verschärft sich. Schon vergangene Woche hat Polens Ministerpräsident Donald Tusk dem deutschen Kanzler Friedrich Merz beim Antrittsbesuch in Warschau klargemacht, was er vom neuen deutschen Grenzregime hält: nicht viel jedenfalls.
Nun hat sich der polnische Grenzschutz nach SPIEGEL-Informationen am Montagmorgen geweigert, zwei Asylbewerber zurückzunehmen, die von der Bundespolizei zurückgeschickt werden sollten. Die Deutschen verzichteten auf einen weiteren Versuch und leiteten die beiden Afghanen stattdessen in eine Erstaufnahmeeinrichtung weiter. Damit stellt sich die Frage, ob es sich um einen Einzel- oder Sonderfall handelt. Oder ob Polen – und auch andere Länder wie Österreich und die Schweiz, die das neue deutsche Grenzregime kritisieren – die Praxis von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) künftig flächendeckend blockieren könnten. Die polnische Regierung steht dabei unter besonderem Druck, weil am 18. Mai im Nachbarland ein neuer Präsident gewählt wird und die Migrationspolitik auch in Polen ein dominierendes Wahlkampfthema ist.
Der Vorfall, der die neue deutsche Grenzpolitik exemplarisch vor die Wand laufen lassen könnte, ereignete sich am Montag um 5.45 Uhr in Guben, Brandenburg. Wie aus einem Bericht der Bundespolizei hervorgeht, hatten Beamte »in unmittelbarer Nähe zur Eisenbahnbrücke«, die dort über die Neiße und die Grenze zu Polen führt, zwei Afghanen im Alter von 20 und 23 Jahren aufgegriffen. Die beiden Männer hatten keine gültigen Aufenthaltspapiere dabei und gaben an, gerade über die Brücke gekommen zu sein. Kurz danach sagten sie den Polizisten, sie wollten Asyl in Deutschland beantragen. [….] Entsprechend wollten die Bundespolizisten auch die beiden schon eingereisten Afghanen nach Polen zurückschicken, trotz Asylgesuchs. Erfolg hatten sie damit nicht: »Nach schriftlicher Anbietung lehnte der polnische Grenzschutz dies ab«, heißt es in dem Bericht der Bundespolizei. Daraufhin hätten die Beamten die Afghanen zur Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt weitergeschickt. [….]
Man möchte Dobrindt die Blamage gönnen. Aber man kann und darf sich eben nicht freuen, wenn die EU geschwächt wird, Deutschland in Brüssel gehasst wird und die Weidel-Nazis wieder Grund haben, zu feixen und höhnen.
[….] Die Opposition ist Kanzler Merz nach dessen Regierungserklärung scharf angegangen. [….] Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hat der neuen schwarz-roten Regierung zunächst Erfolg gewünscht - "denn dieses Land hat das verdient", sagte sie nach der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz im Bundestag. Dann warf sie dem neuen Kanzler allerdings vielfaches Versagen vor. "Die Politik, die Sie in den letzten Jahren gemacht haben, war an vielen Stellen eine Politik, die auch verbrannte Erde hinterlassen hat", sagte Dröge. Merz' Wahlkampf habe an zentralen Stellen auf Falschaussagen beruht. Sie erinnerte an die gemeinsame Abstimmung der Unionsfraktion mit der AfD beim Thema Migration.
Oft habe Merz polarisiert, sagte Dröge. Er habe Stimmung gemacht, "gerade gegen diejenigen Menschen in diesem Land, die gesellschaftliche Minderheiten sind, gegen Arbeitslose, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen Geflüchtete". An den Kanzler gewandt sagte Dröge: "Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Kanzler aller Menschen in diesem Land sind." Sie erwarte von Merz, dass er Brücken baue. "Gerade ein Bundeskanzler muss für alle Menschen da sein, gerade für die Schwächsten in diesem Land. Und daran werden wir Sie messen."
Dröge warf Merz konkret vor, mit schärferen Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern die europäische Kooperation aufzugeben. "Im Kern ist das die Aufkündigung der europäischen Zusammenarbeit in der Asylpolitik." Im Kern sei das eine Politik, "die sagt, Deutschland macht seins und die anderen können mal sehen, wo sie bleiben."
Weder Kanzleramtsminister Thorsten Frei von der CDU noch Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD hätten zudem in der Regierungsbefragung beantworten können, ob Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) plane, "europäisches Recht zu brechen". Dröge warf Dobrindt vor, sich mit den angeordneten Zurückweisungen, "einfach über europäische Verträge hinwegzusetzen".[….]