Samstag, 8. März 2025

Gedanken, die ich nicht denken will.

Das eine ist es, sich mit der eigenen Hofreiterisierung abzufinden und dafür zu plädieren, aufzurüsten. Ich bin verdammt noch mal Pazifist, eigentlich. Aber selbst wenn ein genügend starker politischer Konsens besteht, um 800 Milliarden Euro in der EU und noch mal ein 500-Milliarden-Euro-Paket in Deutschland zu schnüren (was noch nicht der Fall ist – so einfach wie Fritze sich das vorstellt, wird es nicht, die grüne Bundestagsfraktion UND alle grünen Landesminister an Bord zu holen), bleiben enorme Probleme.

Wofür sollen die 1,3 Billionen Euro eigentlich ausgegeben werden? Reicht es, stumpfsinnig mehr Panzer und Kanonen zu bauen?

Wichtiger sind Drohnen, ein Ersatz für die US-amerikanischen F-16-Kampfjets und die Patriot-Raketenabwehr, sowie eine Alternative für Musks Satelliten. Die Ukrainische Armee braucht Aufklärungsdaten und Kommunikation. Wie verständigt man sich darauf, was jetzt angeschafft werden muss?

Das Bundeswehr-Beschaffungswesen ist aber nach Guttenberg, Leyen und AKK vollständig kollabiert. Selbst wenn man das Problem lösen könnte: Kein Rüstungsunternehmen fertigt diese Produkte auf Halde. Sie müssen erst produziert, vieles sogar erst noch entwickelt werden. Aber von wem? In der europäischen Rüstungsindustrie fehlen 300.000 Fachkräfte. Selbst wenn man Willige fände, müssten diese erst ausgebildet werden. Während Russland, Nordkorea, der Iran, aber auch die Ukraine, ihre Kapazitäten massiv ausbauten, schlief Europa gemütlich und leistete sich in seinem größten Staat Deutschland eine jahrelange Fachkräfte-Abschreck-Kultur: In Form von täglichen xenophoben Attacken der Herren Merz und Söder. Russen, Chinesen und US-Amerikaner können das moderne Kriegszeug bauen. Wir nicht.

Nachdem die USA zu Putin überliefen, fällt nicht nur unser NATO-Beschützer aus, sondern auch der Waffenlieferant, den die EU jetzt bräuchte. Man kann sich mit Geld keine Liebe kaufen. Und kein Starlink-System. Oder F-16-Kampfjet-Ersatzteile. Oder Patriot-Munition.

 

Denn selbst wenn die Trump-Administration dafür Ausfuhrgenehmigungen erteilte, muss auch der letzte Europäer begriffen haben, daß auf die USA kein Verlass mehr ist und jetzt jeder Cent in Unabhängigkeit von den USA gesteckt werden muss.

Für diejenigen, die noch nicht genügend deprimiert sind, kann der Österreichische Militärexperte Gustav Gressel im Hamburger Abendblatt von heute noch ein paar Tiefschläge setzen.

[….] Abla: Trump tut derzeit alles, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu umgarnen. Könnte das den Kremlchef ermuntern, eher früher als später Nato-Territorium anzugreifen?

Gressel: Absolut. Alle bisherigen Berechnungen, wann Putin Nato-Gebiet attackieren könnte, basieren zum Großteil auf Überlegungen, die nach Trumps Ankündigungen revidiert werden müssen. Wenn Trump die Militärhilfe für die Ukraine einstellt und im nächsten Schritt vielleicht auch die Sanktionen gegen Moskau aufhebt, wird sich die Aufrüstung Russlands dramatisch beschleunigen. Ein Krieg binnen kürzerer Zeit wird dann wahrscheinlicher. Alles hängt davon ab: Wie schnell können die Europäer nachrüsten? Können sie die Ukraine so unterstützen, dass Russland dort gebunden ist? Der allerschlimmste Fall wäre, wenn Europa seine Waffenlieferungen an Kiew einstellt, die EU durch internen Streit gelähmt wird und die Amerikaner abziehen. Dann könnte es sein, Russland in der zweiten Hälfte 2026 Nato-Territorium angreift. [….]

Abla: Wie könnte Putin testen, ob die im Artikel 5 des Nato-Vertrags festgeschriebene Bündnispflicht noch gilt?

Gressel: Indem er einen Nato-Staat angreift und schaut, was der Rest tut. Sollte es Putin gelingen, die Ukraine zu kontrollieren, könnten seine Truppen sofort nach Moldawien weitermarschieren. Danach würde er vermutlich eine Attacke auf das Nato-Land Rumänien versuchen, wo es eine große Unzufriedenheit mit den politischen Eliten gibt. Moskau würde interne Streitereien anstacheln und mit Drohungen sowie Aufmärschen unterlegen. Danach könnte Russland einen Vorwand schaffen, der im Westen breit diskutiert wird. Im Zuge einer Krise, die Moskau ganz gezielt befeuert, würde es zu einer militärischen Aktion kommen.

Abla: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass es in Europa zu einem großen Krieg kommt?

Gressel: Wenn wir nicht handeln, liegt die Wahrscheinlichkeit eines großen Krieges in Europa bei 80 Prozent.

[….]  Die Top-Priorität ist, dass die Ukraine überlebt. Russland kann Europa nicht angreifen, solange es in der Ukraine im Krieg steckt. Darüber hinaus müssen die Europäer ihre Streitkräfte reformieren, dass sie durchhaltefähiger sind. [….]

(Gustav Gressel, Funke, 07.03.2025)