Ein
bißchen tut sogar mir Frau Merkel Leid, wenn sie sich in ihrer ostdeutschen
Heimat anpöbeln lassen muss.
Das politische Engagement,
mit dem der Osten Deutschlands dieser Tage größer auffällt, ist ein
betrübliches. Am lautesten und hässlichsten erfährt dies die Bundeskanzlerin.
Die Berichte von den Wahlkampfauftritten Angela Merkels im Osten gleichen sich
zuweilen fast bis aufs Wort, nur die Ortsmarken und Bundesländer ändern sich:
Pfiffe und Tomatenwürfe in Wolgast, Mecklenburg-Vorpommern. Pfiffe und Geschrei
in Bitterfeld, Sachsen-Anhalt. Pfiffe und tätliche Übergriffe in Vacha,
Thüringen. Pfiffe und Hitlergrüße in Finsterwalde, Brandenburg. Pfiffe und
Hasstiraden in Torgau, Sachsen. [….]
Ich bin
bekanntlich ohnehin schon Misanthrop, aber das organisiert tobende Volk sollte auch
die größten Optimisten zum Weinen bringen.
Neu ist
das nicht; insbesondere nicht in der Pegida-Stadt Dresden.
Vor
einem Jahr, zum zentralen Festakt des Tages der Deutschen Einheit grölte das
Peginesen-Pack auch schon routiniert Goebbels-Parolen wie „Volksverräter“, „Lügenpresse“
und „Haut ab!“
Die
westdeutsche Presses staunt immer noch über die Primitivität und Verblödung der
ostzonalen AfNPD-Fans.
Sind die
wirklich so?
Oder handelt es sich dabei doch um ein Satire-Projekt?
Oder handelt es sich dabei doch um ein Satire-Projekt?
Für
Merkel mögen die pyknischen braunen Brummer während ihrer Reden leicht
unangenehm sein, aber erstens ist sie gut beschützt und zweitens kann die
Kanzlerin bei der Gelegenheit etwas zeigen, das ihr sonst vollkommen fehlt:
Rückgrat.
Indem
sie trotz der Nazi-Orks ihre Auftritte absolviert, gewinnt sie im Rest des
Landes an Statur. Gut für ihre demoskopischen Werte.
Außerdem
muss Merkel selbst glücklicherweise nicht da leben, wo die wilden Kerle wohnen.
Echte
Fanatiker wie die Pegida-Führer Bachmann und Festerling, die AfD-Völkischen
Poggenburg, Höcke und Co, aber auch Erika Steinbach oder David Berger erreicht
man nicht mit Ratio und Argumenten.
Diese
Menschen sind vermutlich auch weniger verblödet, sondern schlicht und
ergreifend zutiefst böse.
Kein
Bundeskanzler könnte es schaffen die braune Brut aus ihrem rechten
Gedankenghetto zu lösen.
Es läge
aber durchaus in der Macht einer Bundesregierung den Zulauf der rechtsradikalen
Hetzer zu minimieren.
Dazu muß
viel Geld in Sozial- und Bildungspolitik investiert werden. Und zwar nicht nach
dem Gießkannenprinzip, sondern es erfordert viel Manpower, um die moralisch
Verwahrlosten zu erreichen. Es sind Erzieher, Pädagogen, Betreuer, Lehrer,
Psychologen und Konfliktmanager gefordert, die sich früh den Kindern dieser
Leute annehmen. Kitas, Ganztagsschulen, Freizeitangebote, berufliche
Perspektiven.
Hier
versagt die Merkelregierung.
Insbesondere
darf aber eine Bundeskanzlerin nicht dulden, daß ihre eigenen Minister die
rechtsradikalen Stimmungen regelrecht anheizen, um sich wahltaktische Vorteile
zu versprechen.
Das
negativste Beispiel ist dabei der Vielfach-Lügner Thomas de Maizière,
der Merkel schon als Kanzleramtsminister, Verteidigungs- und Innenminister
diente und immer wieder bösartige Vorurteile gegen Flüchtlinge triggert.
Daß
sich aber ausgerechnet der Minusmann de
Maizière empört über die
zunehmende Radikalisierung zeigt, ist schwer erträglich.
Immerhin
ist es der Bundesinnenminister selbst, der seit Monaten bereitwillig Öl ins Feuer gießt.
De Maizière ist
genau der Brandstifter, der mit seinen Halb- und Unwahrheiten
die Nazis erst ermutigt.
Der Innenminister
schlug die Internierungslager für Heimatvertriebene vor, um
damit dem rechten Pöbel den Eindruck zu vermitteln, die Syrer wären alle
kriminell.
Der
Bundesinnenminister steht einem Wahlkreis vor, in dem seine CDU offen undemokratisch
und PEGIDA-freundlich auftritt.
De
Maizières Landesverband Sachsen ist eben nicht der zu bedauernder CDU-Verein, der
sich unschuldig mit den Peginesen rumärgern muss, sondern 28 Jahre
CDU-Regierung in Dresden haben systematisch die Rechten groß gemacht.
Es sind
de Maizières Sachsen-Minister, wie Tillich und Ulbig,
die gegen Ausländer agitieren und damit den braunen Mob auf der Straße groß
machen. Der Bundesinnenminister muß das wissen, da er selbst einst der
sächsischen Landesregierung angehörte.
(….)
Die Rechtsblindheit des Bundesinnenministers mag mit seiner politischen Basis
im Wahlkries zusammenhängen.
Hier
ist die CDU traditionell eng verquickt mit Rechtsextremen und drückt bei
ausländerfeindlichen Attacken alle Augen, inklusive Hühneraugen zu.
Der
Rechtsextremismus-Experte Andreas Vorrath (52) lebt seit 20 Jahren in der
Gegend und beschreibt im Interview mit Matthias Meisner wie es an der Basis de
Maizières zugeht. Als bekannter Gegner der NDP hat man dort nichts zu lachen
und auch keine politische Hilfe von Landratsamt, sächsischer Landesregierung
oder dem Bundestagsabgeordneten zu erwarten.
[….]
MM:
Wie ist das gesellschaftliche Klima im Landkreis Meißen, der ja auch der
Wahlkreis von Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist?
Vorrath: Der Hass
trifft alle, die sich hier engagieren. [….] Egal was die
machen, es wird sofort gedroht und beleidigt.
[….]
Wenn ich persönlich erkannt werde – und
mein Gesicht ist über eine ZDF-Dokumentation zum Thema Reichsbürger bekannt,
mein Foto kursiert im Internet -, kann es durchaus passieren, dass in Meißen
ein „Sieg heil“ kommt. [….] Das häuft sich in jüngster Zeit. Diese Leute
sind völlig enthemmt. Sie haben kein Unrechtsbewusstsein mehr.
[….]
Bei der Polizei speziell in den
Landkreisen Sächsische Schweiz/Osterzgebirge [….] und Meißen habe ich den ziemlich eindeutigen Verdacht, dass sie sehr
AfD-lastig ist. Bei „Willkommensbündnis“-Veranstaltungen begrüßen die
absichernden Polizisten den Pegida-Fotografen und andere rechte Akteure, die
einen filmen, sowie auch die Vertreter der „Initiative Heimatschutz“ mit Handschlag. Wenn ich so etwas sehe, wie
soll ich da noch Vertrauen zur Polizei haben? [….]
MM: Stärkste Partei im
Landkreis Meißen ist die CDU. Wie verhält sie sich zu dieser rechten Szene?
Vorrath: Es fehlt bei
der CDU die Abgrenzung nach Rechts. Im Landkreis Meißen hat die CDU mit denen
überhaupt keine Berührungsängste. CDU-Landtagsabgeordnete hier sind der äußerst
rechtslastige Sebastian Fischer und die aus meiner Sicht völlig naive Daniela
Kuge aus Meißen, die Ende Juni zum Beispiel den Brandanschlag relativiert hat.
Da gibt es Freundschaften von CDU-Politikern etwa mit dem Pegida-Organisator
Siegfried Däbritz oder Vertretern der „Initiative Heimatschutz“. Der Bundestagswahlkreis von Minister de
Maizière ist Pegida-Kernland, seine CDU ist hier, man muss das leider so sagen,
völlig verwoben mit diesen Strukturen, mit Pegida, AfD und Co. Die CDU im
Landkreis Meißen ist schlicht und einfach explizit antidemokratisch
eingestellt.
[….]
Bei
Thomas de Maizière herrschen klar vordemokratische Zustände, die Rechtsextreme
aller Art ermutigen.
[….]
Da ist ein Resonanzboden, den jene nationalistischen
Pöbler zum Schwingen bringen. Und dieser Resonanzboden gehört zu Sachsen. Ihn
bilden jene, die bei Krawall dabei stehen, die Gewalt vor den
Flüchtlingsquartieren billigen und sogar applaudieren. Zu Sachsen gehört auch
die Unfähigkeit vieler Menschen, sich von Ausländerhassern zu distanzieren,
eine politische Ignoranz, die Rassisten erstarken lässt.
[….]
Im Freistaat ist der Boden für die Feinde
der Demokratie, für Ausländerhass und Toleranz von Vorurteilen so gut wie kaum anderswo
in Deutschland. Dresden ist die Hauptstadt der Pegida-Bewegung, unter Pegida
wurde den Ruf der Montagsdemonstranten "Wir sind das Volk" von der
basisdemokratischen zur völkischen Parole. [….] Auch Tillich ist ein Grund für diese Entwicklungen. Nachdem
Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel schon vor Jahren
betontet hatten, der Islam gehöre zu Deutschland, widersprach Tillich 2015
seinen Parteikollegen und sagte, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Das stärkte
das Selbstbewusstsein der Freistaatsbewohner gegen "die da in Berlin"
und lockte zugleich Pegida aus den Löchern. Tillichs Innenminister Markus Ulbig
sprach sich für eine Sonderbehörde von Polizei und Justiz für kriminelle
Ausländer aus. Und Sachsens CDU-Generalskretär Michael Kretschmer übernahm auf
Twitter jüngst den Duktus der Ausländerfeinde: "800.000 Flüchtlinge – das
sind zu viele". Der Resonanzboden begann stärker zu schwingen.
[….]
Wer dagegen zwischen Leipzig, Plauen und
Görlitz öffentlich Ausländerhass und Demokratiedefizite beklagt, gilt vor allem
in den Rathäusern schnell als Nestbeschmutzer. Sächsische
Anti-Rechts-Initiativen klagen über fehlende Unterstützung. So zog sich zum
Beispiel die Sächsische Staatskanzlei aus der Jury des Förderpreises für
Demokratie und Toleranz zurück. [….]
Wenn
man einen Mann aus so einem Sumpf zum Bundesinnenminister und Verfassungsminister
macht, muß man sich nicht wundern, wenn nichts klappt, Frau Merkel!
Eine
Kanzlerin, die de Maizière und ihre Sachsen-Union so gewähren lässt, verdient
schon weniger Mitleid, wenn sie sich im Wahlkampf zwei Wochen in der
Ost-Provinz ankreischen lassen muss.
Es wird
auch nicht besser mit der Sachsen-CDU, die Merkel an ihrer Brust nährt.
Immer
noch kooperieren sie lieber mit AfD und NPD, statt in einem demokratischen Konsens
für Menschenrechte einzustehen.
[….]
Dirk
Hilbert wollte erst zum Schluss das Wort ergreifen. Doch dann konnte der
Dresdner Oberbürgermeister und FDP-Politiker sich während der Sitzung des
Stadtrats nicht zurückhalten: "Das, was ich hier jetzt erlebt habe, war
keine Sternstunde unserer Stadt-Demokratie." Wenn nicht mal das höchste
Gremium in Dresden eine gemeinsame Auffassung darüber habe, wo die Gefahren
lägen, dann sei das bedenklich. "Es gab historische Analogien, die
manchmal ähnlich angefangen haben, wie das, was wir heute erleben. Das möchte
ich ungern erleben."
Hilbert ist kein guter
Redner, seine Sätze sind häufig verschwurbelt und manchmal falsch. Was eben so
passiert, wenn man ehrliche Wut und Enttäuschung in seine Worte legt (Video
der Sitzung, Hilbert spricht ab 3:55).
Hilberts Kommentar war
eine lange und teilweise unterirdische Debatte vorausgegangen. Die sächsische
CDU schlug sich bei der Frage der Demokratieförderung in der Stadt auf die Seite
von AfD und NPD. "Das Ermächtigungsgesetz wurde 1933 auch ganz
demokratisch beschlossen", sagte außerdem ein CDU-Stadtrat. [….]
"Verschwendung
von Steuergeldern", "Zurüstung zum Bürgerkrieg" und
"Umerziehung", urteilten dagegen Vertreter der AfD bei der
Stadtratssitzung am Donnerstagabend. Die Kommentare waren erwartbar, genauso
wie die Ablehnung seitens der rechtsextremen NPD. Was weniger erwartbar war:
Die CDU stellte sich mit teils heftigen Äußerungen auf die Seite der Gegner. Am
weitesten ging dabei Georg Böhme-Korn: "Unsäglich" nannte der
Stadtrat das Papier. An den Oberbürgermeister gewandt sagte er, dieser solle
sich abgrundtief schämen. Das Wesentliche sei nicht Demokratie, sondern Werte.
Demokratie sei zu weilen hohl und auch gefährlich. Dann folgte die Analogie zum
Ermächtigungsgesetz.
Vergleiche zum Dritten
Reich sind immer schwierig. Fatal werden sie, wenn man die Geschichte verdreht
wie Böhme-Korn. Die Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz, das die
Machtergreifung der Nazis ermöglichte, war alles andere als demokratisch.
Falsch ist auch
Böhme-Korns nachgeschobene Behauptung, es gäbe mit Abstand mehr linksextreme
als rechtsextreme Gewalt in Deutschland. Im Jahr 2016 ist die Zahl
rechtsextremer Übergriffe um 14,3 Prozent auf 1 698 angestiegen. Die Zahl der
linksextremen Gewalttaten ging jedoch um 24,2 Prozent auf 1 702 zurück. In
Dresden spielt die linksextreme Szene keine nennenswerte Rolle. Außerdem
schließt das Förderprogramm die Thematik nicht aus. Es spricht nichts dagegen,
dass die CDU einen Projektantrag zur Bekämpfung von Linksextremismus einbringt.[….]