Freitag, 22. Dezember 2023

Faszination Inselverarmung.

Loki Schmidt wurde am 3. März 1919 in die bettelarme, aber bildungsaffine atheistische Familie Glaser geboren. Ungewöhnlich; denn damals waren offiziell fast alle Menschen Christen. Die Eltern ihres 1918 geborenen Mannes Helmut waren beide Lehrer. Ein einfacher, aber doch klar besser gestellter Haushalt, als der Glasersche. Helmuts Großvater war der jüdische Privatbankier Ludwig Gumpel (1860–1935).Die Familie verheimlichte das aus naheliegenden Gründen in der Nazi-Zeit, gab sich als rein protestantisch aus. Helmut und Loki heirateten kirchlich im Jahr 1942. Drei Jahre später war ihr Sohn vor seinem ersten Geburtstag gestorben, Europa lag in Trümmern und Deutschland war vernichtend geschlagen. Schmidts machten sich keine Zukunftshoffnungen für Deutschland. Man werde auf primitivsten Niveau in Erdhöhlen hausen und ums Überleben kämpfen. Die einzige Institution, die nicht total zusammengebrochen war, schien die Kirche zu sein.

Daher galten Helmut Schmidt die christlichen Gotteshäuser als unverzichtbare Bestandteile einer irgendwie gearteten staatlichen Ordnung der Zukunft.

Schmidt studierte, lernte, bereiste die USA, wurde leidenschaftlicher Politiker, der sich nicht intensiv, nicht leidenschaftlich, aber doch als Christ ansah, dementsprechend im Alter von 55 Jahren ganz selbstverständlich die Eidesformel zur Vereidigung als Bundeskanzler mit „so wahr mir Gott helfe“ sprach. Für ihn war es mehr Staatsraison, denn fromme Überzeugung. Er erklärte: „Zum Glauben habe ich eigentlich nie ein enges Verhältnis gehabt, ich habe ihn auch nicht gesucht.“

Eine Besonderheit Schmidts war es, bis zu seinem letzten Tag wissensdurstig zu sein, immer dazu zu lernen und auch zuzuhören. Als Kanzler, klärte ihn sein gebildeter Freund Anwar El Sadat über die gemeinsamen Wurzeln des Christentums und des Islam auf; er beschäftigte sich intensiv mit der Entstehung der drei abrahamitischen Weltreligionen. Schmidt erkannte als erster westlicher Staatsmann das Potential Chinas; wurde zum Sinologen hc, studierte intensiv den Konfuzianismus.

Der geborene habituelle Christ Schmidt litt glücklicherweise nicht an religiotischen Inselverarmungen und so wurde er, ob des hinzugewonnenen Wissens zwangsläufig  zum Agnostiker.

(….)  Es gibt eindeutig Korrelationen zwischen Bildung und IQ einerseits und Spiritualität und Religiotie andererseits.

Unzählige Umfragen zeigen, daß die Religiosität mit höherer Bildung abnimmt.  Typischerweise sind die amerikanischen Eliteunis Hochburgen des Atheismus, während die Highschool-Dropouts im Biblebelt, die auch glauben in Brasilien spreche man brasilianisch und der Kanzler von Deutschland hieße Hitler, jedes Wort der Bibel ernst nehmen.

Unter Intellektuellen gibt es die höchste Atheistenquote.  Aber genauso wie einige Atheisten dennoch Idioten sein können, gibt es auch Hochgebildete, die trotzdem sehr überzeugte Christen/Juden/Moslems sind. Warum bloß?

Die einzige Erklärung, die ich bisher für dieses scheinbare paradox habe ist die gewissermaßen neurologische Argumentation Michael Schmidt-Salomons. Stichwort „Inselverarmung“

 Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.

 Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).

Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.

(Keine Macht den Doofen, s.42f)  (….)

 (Das ewige Rätsel 23.04.2014)

Nach dem Ende seiner Bundeskanzler-Amtszeit, frei von politischen Zwängen, korrigierte sich der hochintelligente, stets lernende Schmidt erneut: „Ich würde mich heute nicht mehr auf Gott verlassen. Gott hat allzu viele schlimme Dinge zugelassen, er hat Auschwitz zugelassen, ich kann mir unter solchen Worten wie ‚Gottesgerechtigkeit‘ eigentlich nichts Richtiges vorstellen.“

Im Jahr 2010 äußerte sich Schmidt noch einmal in der ARD gegenüber Sandra Maischberger sehr klug zum Thema Religion.

[….] Helmut Schmidt: [….] Das Schlimme ist, dass bei allen Religionen, ob Islam oder Christentum, und zum Teil auch im Judentum, dass alle Religionen und ihre Bischöfe und Ayatollahs den Gläubigen beigebracht haben, auf die anderen Religionen herab zu sehen, sie für minderwertig zu halten: „Ich bin erleuchtet und was ich glaube ist Gott gefällig, aber das, was du glaubst, das ist das Gegenteil von dem, was Gott von dir erwartet.“ Diese Einstellung gegenüber anderen Religionen ist im Christentum sehr ausgeprägt. Denken Sie nur im Mittelalter an die unzähligen Kreuzzüge: das Kreuz in der linken Hand, aber das Schwert in der rechten Hand. In Wirklichkeit waren es Eroberungskriege und die haben Königstümer errichtet in einer Gegend, die heute Palästina heißt. Das heißt, es eine alte christliche Tradition, herab zu sehen auf die Muslime und das hat natürlich Gegenreaktionen auf muslimischer Seite herausgefordert.

Der Mann, den Sie erwähnt haben, Anwar El-Sadat, war ein wunderbarer Kerl. Er wusste über das Christentum viel besser Bescheid als ich, er wusste auch über seinen Islam besser Bescheid als ich, und von dem habe ich gelernt: Eigentlich muss man jeden einzelnen Menschen seine Religion lassen an die er glaubt und darf nicht versuchen, ihn davon abzubringen. Das heißt, ganz früh hat sich bei mir ein Argwohn gebildet gegenüber dem Missionsgedanken - das heißt, andere Leute von ihrer Religion abzubringen -, insbesondere von der so genannten Judenmission, die in Deutschland ja älter ist als die Nazizeit. [….]

Sandra Maischberger: Hätten Sie etwas dagegen, eine Moschee in Ihrer Nähe zu haben?

Helmut Schmidt: Nein. Warum soll ich etwas dagegen haben? [….]

Sandra Maischberger: [….]  Sie haben vor einiger Zeit, auch hier, gesagt, dass Sie den persönlichen Glauben verloren hätten. Schon vor langer Zeit.

Helmut Schmidt: Ja. Weitgehend verloren.

Sandra Maischberger: Wenn ein Mensch, der einem nahe steht, stirbt, ist doch der Glaube an ein Leben nach dem Tode ein tröstlicher Gedanke. Und viele kommen in Krisensituationen wieder dazu. Haben Sie in diesem Jahr einen Weg dahin gefunden?

Helmut Schmidt: Nein, ich habe mich an das gehalten, was meine Frau selbst geglaubt und gesagt hat. Meine Frau ist von Hause aus eine Biologin, eine Botanikerin in spezieller Weise, vor allem aber eine Biologin und Anhängerin von Charles Darwin. Und sie war der Meinung: Wenn ein Mensch stirbt - ob er nun verbrannt wird oder ob er beerdigt wird oder seine Asche auf See ausgestreut wird – in jeden Fall: Die Atome oder Moleküle, aus denen er zusammengesetzt war, die bleiben nach. Und eines Tages werden sie möglicherweise von einer Pflanze, die da wächst, aufgenommen und gebraucht für den Aufbau dieses neuen Baumes. Oder möglicherweise werden sie von einem Tier mitgefressen, das irgendwelche Samen frisst. Es geht kein Molekül verloren. Das war ihre Meinung. Und die hat mich immer überzeugt. [….]

(HPD, 20.12.2010)

Das Gegenbeispiel zu dem klarsichtigen, hochvernünftigen Helmut Schmidt, ist der ebenfalls hochgebildete Prof. Dr. Heribert Prantl, der mich einerseits als SZ-Edelfeder immer wieder begeistert, aber immer wieder derartigen reigiotischen Schwurbel von sich gibt, daß ich eher von völliger geistiger Umnachtung, als nur von Inselverarmungen reden möchte.

Zuletzt schrieb er einige so gute Artikel, die ich weiterleitete und zitierte, daß ich mir schon Hoffnungen machte, seine Inselverarmung könnte vollständig wegschrumpfen.

(…..) Es ist also politisch alles andere, als trivial, einzuschätzen, wie viel Geld vom Einkommen ein Bürger behalten darf; wie viel er in welcher Situation dazu bekommen soll, damit es gerecht vor sich geht. Was man als viel, zu viel oder als wenig empfindet, ist immer relativ.

[….]  Verglichen mit dem Elend in Burundi, in Malawi oder in Sierra Leone sind die deutschen Armen komfortabel ausgestattet. Aber daraus ergibt sich das besonders Bittere für die Bedürftigen in Deutschland: Sie haben die Anerkennung ihrer Bedürftigkeit verloren. Das hat sich bei der Debatte um die Kindergrundsicherung gezeigt. Das Ergebnis dieser Debatte ist ärmlich: Der Betrag, der für diese Sicherung nach langem Hin und Her in der Ampelkoalition ausgegeben werden soll, verhöhnt den Namen "Grundsicherung" - es sind 2,4 Milliarden. Damit wird gesichert, dass alles so bleibt, wie es ist: Die armen Kinder bleiben am Rand der Gesellschaft. Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut und oder in Armutsnähe. Diese Kinder sind und bleiben ausgeschlossen aus einer Welt, die sich nur den einigermaßen Situierten entfaltet. Ihre Armut ist ihr Gefängnis. Die Geldbeträge, die nun für Kindergrundsicherung ausgegeben werden sollen, reichen für die Gefängnisverwaltung. Sie reichen nicht für gesunde Ernährung; sie reichen nicht für Bildung, die diesen Namen verdient, nicht für schulische Bildung, nicht für kulturelle Bildung, nicht für politische Bildung. Sie reichen nicht dafür, soziale Ungleichheiten auch nur ansatzweise auszugleichen. Aber: Die Ampelkoalition ist damit zufrieden. Die FDP propagiert gar, eine weitere "Umverteilung" dürfe es nicht geben. [….] FDP-Finanzminister Christian Lindner triumphiert, weil er sein "Wachstumschancengesetz" mit vielfältigen Steuererleichterungen für die Wirtschaft durchgesetzt und dafür die Kindergrundsicherung radikal gestutzt hat. Er verkennt, dass die Kindergrundsicherung zu den Wirtschaftswachstumschancen gehört. Gute Arbeitsplätze und eine kreative Wirtschaft setzen gute Schulabschlüsse und qualifizierte Bildung voraus. Ein gutes Kindergrundsicherungsgesetz ist daher zugleich ein Wachstumschancengesetz und ein Demokratiestärkungsgesetz. […..]

(Heribert Prantl, SZ, 02.09.2023)

Kinderkriegen ist meines Erachtens grundsätzlich egoistisch. Es ist natürlich Unsinn, sich vor dem Aussterben einer Nation zu fürchten. Schließlich ist die Welt hoffnungslos überbevölkert. 10.000 bis 20.000 Kinder verhungern jeden Tag auf der Welt.

Wer Kinder liebt und sich bereit fühlt 20 oder 30 Jahre lang Verantwortung zu tragen, sollte doch bitte ein Kind nehmen, das schon da ist. Modell Philip Rösler.  (….)

(Soziale Fragen. 02.09.2023)

[…..]  Also danken auch die Klimawandelleugner der Schuldenbremse dafür, dass nun kein Geld mehr dafür da ist, den Klimawandel zu stoppen, den sie als „angeblichen“ Klimawandel bezeichnen. Die AfD lacht sich ins Fäustchen, wenn dem Staat und der Regierung wegen der Schuldenbremse und der von Karlsruhe verordneten Not nicht mehr zugetraut wird, Bildung und Forschung zu gewährleisten, die Wirtschaft am Laufen zu halten und soziale Schieflagen auszugleichen.  Die vor 14 Jahren ins Grundgesetz eingebaute Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse: Sie verhindert, dass in die Verkehrswege und in die Kommunikationswege investiert wird. Dass die maroden Brücken zügig saniert werden. Dass ein flächendeckendes Netz mit E-Tankstellen aufgebaut wird. Dass das, was über Jahrzehnte versäumt wurde, jetzt endlich und eilig mit großem Mehraufwand nachgeholt wird – zum Beispiel die Sanierung des Streckennetzes der Bahn. Die Schuldenbremse erschwert die Wohnungsbauförderung. Sie behindert, summa summarum, eine kluge Daseinsvorsorge und eine familien- und arbeitsverträgliche Lebensinfrastruktur, wie sie zu einer Industrienation gehört, wenn sie erfolgreich bleiben will. Die Schuldenbremse blockiert die Einstellung des pädagogischen Personals, das für frühkindliche und schulische Bildung dringend benötigt wird. [….]

(Heribert Prantl, 01.12.2023)

Hurra, der alte Prantl ist wieder da.

Hoffte ich.

Aber weit gefehlt. Zu Weihnachten, dem Hochfest der Grundübel dieser Welt, nämlich der feindseligen Religionen, fällt der SZ-Mann wieder in finstere abstruse christidiotische Faseleien.

Er ist eben kein Schmidt, sondern bloß ein Prantl.

[….] Die Zeiten heute sind so furchtbar unfriedlich, wie sie es in den Zeiten von Christi Geburt auch schon waren. Damals hielt das römische Imperium Jerusalem besetzt, plünderte das Land, terrorisierte die Bevölkerung und schlug Widerständler ans Kreuz. Die Lehre eines dieser Gekreuzigten hat dann freilich die Welt verändert; sie brachte den alten Götterhimmel zum Einsturz und den alten Glauben daran, dass zwar nicht der Einzelne, aber die Welt ewigen Bestand habe. Die Botschaft des Jesus von Nazareth, der Glaube an seine Auferstehung und an ein ewiges Leben, wird frohe Botschaft genannt. Diese Botschaft drehte das alte Weltbild um, und sie lautet so: Diese Welt mit ihrer Gewaltordnung ist endlich; sie ist dem Untergang geweiht, der Mensch aber hat ewiges Leben. Die Geburt des Lehrers dieser Lehre wurde zu einem Wendepunkt der Zeitrechnung: Man teilt die Geschichte ein in eine Zeit vor Christus und in eine Zeit nach Christus. Weihnachten feiert diesen Wendepunkt.

Weihnachten ist die Ankündigung einer wirklichen Zeitenwende, es ist die Ankündigung eines Endes der Gezeiten von Krieg, Gewalt und Terror. Weihnachten ist die Verheißung des großen Friedens: "Et in terra pax hominibus." Die Engel, die den Hirten in der Nacht auf dem Feld bei Bethlehem erscheinen, rufen das aus: "Friede auf Erden!" Es ist dies eine Ansage für das Diesseits, nicht erst für das Jenseits und ein besseres Leben dort; und es ist ein Friede, der viel mehr ist als Waffenstillstand. Das Prophetenbuch Jesaja beschreibt den Frieden Gottes auf Erden in einer wuchtigen Vision so: "Nie mehr hört man dort lautes Weinen und Klagen. Dort gibt es keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, der nicht das volle Alter erreicht ... Sie arbeiten nicht mehr vergebens, sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod. Wolf und Lamm weiden zusammen. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen." [….]  Weihnachten ist das Fest, an dem der Gott sich klein und schwach macht, auf dass die Menschen verstehen, dass sie das Überwinden der von ihnen angerichteten Katastrophen nicht einem allmächtigen Gott im Himmel überlassen können; sie sollen nicht darauf vertrauen, dass der "alles so herrlich regieret", wie es im alten Kirchenlied heißt. Das macht er nämlich nicht. [….] Die Interpretation von Weihnachten könnte also so aussehen: Wenn Gott seine Allmacht aufgibt, dann kann und soll es auch der Mensch. [….]

(H. Prantl, 22.12.2023)