Dienstag, 30. Juni 2015

Hätte ich jetzt tatsächlich nicht gedacht.

Enttäuschungen bereitet man sich nur selbst, indem man falsche Erwartungshaltung generiert.
Bei der Ankündigung eines großen Lottojackpots Lotto zu spielen ist kein Problem.
Verwerflich wird die Aktion nur, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, daß staatliche Lotterien eine Dummensteuer sind, um die Länderhaushalte zu fluten und noch dümmer ist es, wenn man tatsächlich erwartet derjenige unter zig Millionen Mitspielern zu sein, der den Millionenjackpot gewinnt.

Es ist fast unmöglich, daß mich Kirchen, die CDUCSU oder die US-Republikaner negativ überraschen.
Von ihnen erwarte ich ohnehin nur das Schlimmste.
Es ist schon eher mal möglich, daß mich ein Unionspolitiker oder Pfaff mal positiv überrascht, indem er etwas Vernünftiges von sich gibt.
Das erwarte ich nämlich auch nicht und so ist die Schwelle für diese Leute mich angenehm zu überraschen relativ niedrig.

Nun hat es aber ausgerechnet die relativ liberale evangelische Nordkirche fertiggebracht, daß ich mir ernsthaft an den Kopf fasse und sie sogar noch mehr als gestern verachte.
Chapeau.

Rückblick; es ging um die mögliche Akzeptanz von Juden und Atheisten bei der Diakonie.

Nach nur 152 Jahren haben sich die Jungs und Mädels zu einem REVOLUTIONÄREN SCHRITT durchgerungen!
Sie wollen in Zukunft das „Juden unerwünscht“-Prinzip bei den Arbeitsverträgen fallen lassen.
Bisher konnte man dort nur als Mitglied der Kirche einen Job bekommen.
Obwohl, wie üblich in Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft, das Haus von Kranken- und Pflegekassen, sowie den Patienten und eben NICHT von der Kirche finanziert wird, galt bisher, daß Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co dort nicht arbeiten dürfen.
Im Zeitalter der extremen Personalnot in Gesundheitseinrichtungen und das auch noch in einer Stadt, die mehrheitlich von Atheisten bevölkert wird, konnte sich die Evangelische Stiftung Alsterdorf ihre Politik offensichtlich nicht mehr länger leisten.
Was für ein Treppenwitz der Geschichte.
Die Kirchen schwimmen gerade im Geld und können doch nicht weiterhin ihre Einrichtungen unter Ausschluss von Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co führen, weil ihnen die Mitarbeiter einfach zu wenig werden.

Wer bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf arbeiten möchte, muss in Zukunft nicht mehr Mitglied einer christlichen Kirche sein. [….] Bisher hätten Konfessionslose, Muslime oder Buddhisten allenfalls Chancen auf eine befristete Anstellung gehabt.
Ausgenommen von der Regelung sind der Vorstand und die erste Leitungsebene. Für sie bleibt die Kirchen-Mitgliedschaft Pflicht. Man könne das Profil einer kirchlichen Einrichtung nicht mehr formal an der kirchlichen Zugehörigkeit festmachen, sagte Vorstandschef Hanns-Stephan Haas im Interview mit der Zeitung.
Stattdessen müsse die Stiftung deutlich machen, wofür sie stehe. Zudem sei es schwierig, Fachpersonal etwa für die Pflege etwa von Epilepsiepatienten zu finden. Die bisher verlangte Kirchenzugehörigkeit habe die Suche zusätzlich erschwert.

Wenn das nicht lieb ist. Nach gerade mal 152 Jahren überwinden sich die evangelischen Christen großzügig dazu auch eine Jüdin bei ihnen putzen zu lassen oder eine Muslimin die Bettpfannen leeren zu lassen!
Dabei haben wir gerade erst das Jahr 2015.
Sie könnten mit solch revolutionären Schritten doch noch etwas abwarten!
Zum Glück sind die wichtigen Jobs in der oberen Ebene weiterhin nur für zahlende Kirchenmitglieder.
Hier gilt weiterhin: Juden unerwünscht!

Eine jüdische Putzfrau? Ein konfessionsloser Ergotherapeut? Eine muslimische Krankenschwester?

Diese Sache war nun in der Welt und tatsächlich gibt es genügend Kirchenfunktionäre, die so schambefreit sind, daß sie sofort ihre häßlichen Ansichten kundtun mußten.
Die 6000 Mitarbeiter in 180 Standorten der Diakonie Nord mögen doch bitte auch weiterhin unter sich bleiben.
Die Türen für Juden müßten auch zukünftig geschlossen bleiben.
So stellte es der frühere niedersächsische Diakonievorstand Rolf-Jürgen Korte in einem handschriftlichen Fax an die Diakonie fest. Er selbst ist so empört über die Vorstellung, daß ein Jude oder Atheist auch nur ein Klo einer Diakonieeinrichtung putzen dürfe, daß er auf der Stelle seinen Austritt aus dem Förderkreis der Evangelischen Stiftung Alsterdorf verkündete.
Korte muß es wissen; er ist schließlich Autor mehrerer Bücher über die Führung konfessioneller Sozialunternehmen. Kortes Fachgebiet sind ethische Positionen im Markt sozialer Hilfen.

Noch einmal zur Verdeutlichung: Es geht um Unternehmen, die eben NICHT vom Geld der Kirche leben, sondern vom Staat finanziert werden und zudem in einer Stadt wie Hamburg auch weit überwiegend von nicht christlichen Menschen genutzt werden.
Nicht nur Dr. Korte maßt sich im Jahr 2015 an dort auch in Zukunft eine judenreine, atheistenfreie und muslimbereinigte Belegschaft einzufordern.

Der Landesbischof springt ihm bei.

[…]  Auf Abendblatt-Anfrage bekräftigte der Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich: "Die Kirchenmitgliedschaft der Beschäftigten in Einrichtungen von Kirche und Diakonie wird der Regelfall bleiben. […]  Bis heute bringt die Kirchenmitgliedschaft auch die Zustimmung zu den inneren Zielen der Gemeinschaft der Getauften zum Ausdruck. Für kirchliche und diakonische Einrichtungen bedeutet das auch, die christlich-diakonische Identität weiterzuentwickeln und so die Identifikation der Mitarbeitenden mit den Zielen und Werten ihrer Einrichtung zu stärken", betont der Landesbischof und fügt hinzu: "Eine solche innere Bindung wird in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf weiterhin erwartet."
[…]  Auch die EKD bekräftigte ihre Position von der verbindlichen Kraft des christlichen Profils. EKD-Rechtsexperte Detlev Fey sagte dem Abendblatt: "Unsere Einrichtungen haben immer schon auch andersgläubige Menschen zur beruflichen Mitarbeit eingeladen. Diese Einladung gilt auch künftig. Dennoch setzen wir – auch nach unseren rechtlichen Grundlagen – für die kirchlich-diakonische Prägung der Einrichtungen darauf, dass in ihnen überwiegend Christinnen und Christen tätig sind." […]