Dienstag, 17. April 2012

Im Stress….



Ob es in Bayern denn auch diese Piraten gäbe, fragte Papst Benedikt XVI bei seinem gestrigen Geburtstagsempfang den Bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer.

Die halbe deutsche Presse jubilierte.
 Das sei ja erstaunlich wie detailliert Herr Ratzinger informiert wäre.
Naja, Piraten-Experte Seehofer wird ihm sicher eine objektive Einschätzung gegeben haben. (Bayerns Innenminister Joachim Hermann wirft den Piraten vor, zu Chaos und Anarchie aufzurufen.)

Statt Chaos und Anarchie merken einige Piraten gerade, daß die praktische Politik erheblich anstrengender und zeitaufwändiger als anonymes Herumkritisieren ist. 
Gestern schockte Schatzmeister Rene Brosig seine Mit-Segler mit der Nachricht seinen Job hinzuwerfen. 

Nach nur 3h Schlaf heute Nacht und einem vollen Arbeitstag 
fühle ich mich jetzt wie betrunken
(Rene Brosig 6:55 PM - 17 Apr 12 via TweetDeck)

Wer hätte das gedacht; in der Bundespolitik und im Focus des Medieninteresses kommt man nicht dazu eine ruhige Kugel zu schieben!

Jeder Bundesvorstand muss die viele Zeit die sie/er in die Parteiarbeit einbringt, an anderer Stelle wegnehmen. Wir alle haben unsere Auszeiten, die Zeit zur Regeneration, auf ein Minimum reduziert. Eine Nacht ist bei mir heute nach etwa 4-5 Stunden Schlaf zu Ende und freie Wochenenden gibt es praktisch nicht mehr. Einige Vorstandsmitglieder reduzierten zudem ihre beruflichen Verpflichtungen. Andere und zu denen gehöre auch ich, reduzierten die Zeit für Freunde und Familie.   Nachdem ich praktisch keine Regenerationszeiten mehr habe und durch Beruf und Partei sehr viele Aufgaben zu erledigen sind, befinde ich mich in einem Zustand der permanenten Anspannung. Das Gefühl noch etwas erledigen zu müssen, sich keine Auszeit nehmen zu dürfen, ist seit Monaten mein ständiger Begleiter. Selbst ein Tag Garten- oder Haushaltsarbeit führt zu einem schlechten Gewissen. Während ich die Arbeit an Haus und Hof noch mit Hilfe von außen kompensieren kann, fehlt es mir an ausreichender Zeit für Familie und Freunde. Die permanente Anspannung führt dazu, dass ich nicht mehr ausgeglichen bin.

Die politische Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, hatte mit einer ganz ähnlichen Begründung auf ihre erneute Kandidatur verzichtet.

Über so viel Naivität kann man sich nur wundern.
Das ist doch alt bekannt, daß sich Spitzenpolitiker in eine körperlich unglaublich auszehrende Mühle begeben.
Sie ruinieren ihre Gesundheit, bekommen Herz-Probleme, muten ihrer Familie Unzumutbares zu. Ehen scheitern, Kinder wenden sich ab. 

Hochinteressant ist daher die Photo-Dokumentations-Langzeitstudie „Gesichter der Macht“ von Herlinde Koelbl, die von 1991-1999 jährlich je ein Portrait von 15 Spitzenpolitikern anfertigte. Man kann nur staunen wie enorm sich der Dauerstress in Gesichtsfurchen und tiefen Augenringen ablesen läßt.

Nicht daß ich Angela Merkels Europa-Politik auch nur ansatzweise vernünftig fände, aber bei der Gipfeleritis der letzten Jahre kann man tatsächlich nicht behaupten, sie wäre faul. 

Ich frage mich allerdings, ob nicht einige zeitaufwändige politische Prozesse effektiver zu handhaben wären.

Anders als Brosig ist Merkel mit einem Apparat ausgestattet, der es ihr erlauben sollte zu delegieren.

Andere Bundeskanzler waren dazu durchaus in der Lage.
Der ebenfalls durch außerordentlich komplizierte außenpolitische Großkrisen manövrierende Bundeskanzler Schröder konnte sich auf seinen Vizekanzler stützen. 
Schickte er Fischer zur UN oder in den Nahen Osten, konnte dieser ihm ein gewaltiges Stück Arbeit abnehmen; möglicherweise sogar mehr erreichen als der Chef.

Merkel hätte 2009 niemals akzeptieren dürfen einen Volldödel wie Westerwelle auf den entsprechenden Posten zu setzen.
 Gaga-Guido ist nicht nur keine Hilfe, sondern verschlimmbessert die Situation eher noch, so daß das Bundeskanzleramt anschließend die Scherben beseitigen muß, wenn der Außenminister mal wieder irgendwo in der Welt Deutschland blamiert hat.

Die Zusammenarbeit der Ministerien sollte eigentlich der Kanzleramtsminister koordinieren und Reibungsverluste vermeiden. 
Stattdessen hat sie die Vollpfeife Pofalla („ich kann deine dumme Fresse nicht mehr sehen“ - Pofalla zu Bosbach) an der Backe, die immer noch zusätzliches Chaos auslöst. 
Was für ein Unterschied zu Schröders höchsteffektiven Frank-Walter Steinmeier in dem Job.

Dasselbe Problem hat Merkel in ihrem zweiten Chefposten als CDU-Vorsitzende.
Auch dort ist sie von mittelmäßigen Ja-Sagern umgeben, bei denen man schon froh sein muß, wenn sie sich ohne sich zu verlaufen im Konrad-Adenauer-Haus einfinden. 

Die Chaotisierung der CDU findet derzeit auf den Schlachtfeldern Herdprämie, Entfernungspauschale und verbindliche Frauenquote statt, bei denen alles munter durcheinander gackert.

Als Ausweg gäbe es zwei Möglichkeiten.

 Zunächst einmal eine alle überzeugende Argumentation. Diese Möglichkeit entfällt natürlich bei in Schilda ausgebrüteten Idiotien, wie der Herdprämie.

Bleibt zweitens das „Basta“, also eine Entscheidung von ganz oben, der sich alle fügen müssen.
Das allerdings ist Merkels Sache nun erst Recht nicht.

Robert Roßmann kommentierte in der gestrigen SZ „Die CDU, ein Betreuungsfall“ und schloss seine vernichtende Analyse der debakulierenden Unions-Führung mit folgender Einschätzung:

Und so wird die CDU weiter streiten. Bis die Frauen doch noch einknicken - oder Wolfgang Schäuble das Problem für die Kanzlerin löst. In Zeiten der Schuldenbremse hat der Finanzminister keine Milliarden für das teure Betreuungsgeld übrig. Es wäre ein Ergebnis à la Merkel: Die Kanzlerin entscheidet nicht, sondern wartet, bis etwas sich entscheidet.

So entsteht Arbeit durch Kanzlerische Arbeitsverweigerung.

Die Frau mit der Richtlinienkompetenz verweigert sich konsequent der Einsetzung derselben.