Sonntag, 11. Juni 2017

Unzulänglichkeit menschlichen Planens.



Wahlen zu gewinnen ist das eine. Regieren ist das andere.
Bisher galt Guido Westerwelle als weltgrößter Versager in dieser Angelegenheit.
In elf Jahren Opposition war er jeden einzelnen Tag auf einem „Event“ aufgetaucht, schaffte es als einziger Politiker über Jahre in 52 Wochen am Stück im Register der BUNTEN aufzutauchen und erübrigte doch keine einzige Minute dafür irgendwelche politischen Pläne auszuarbeiten.

Der Mensch lebt durch den Kopf.
Sein Kopf reicht ihm nicht aus.
Versuch es nur, von deinem Kopf
Lebt höchstens eine Laus.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlau genug.
Niemals merkt er eben
Diesen Lug und Trug.

Er wollte das höchste Amt bekleiden, das für einen FDPler möglich ist: Außenminister und Vizekanzler. Und als er das erreichte, war er fertig. Mit Außenpolitik hatte er sich noch nie beschäftigt, war nie gereist, konnte keine Sprachen.

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlecht genug.
Doch sein höhres Streben
Ist ein schöner Zug.

Immerhin, als größter politischer Loser aller Demokratien wurde Westerwelle posthum schnell übertrumpft. Erst von David Cameron und jetzt natürlich von Donald Trump, der anderthalb Jahre lang jeden Tag auf NAFTA und Obamacare eindrosch und nach seiner Wahl zum Präsident freimütig bekannte erstmals gegoogelt zu haben, um festzustellen, was das eigentlich sei. 'Nobody knew health care could be so complicated'.

Ja, renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht anspruchslos genug.
Drum ist all sein Streben
Nur ein Selbstbetrug.

Guido, David und Donald sind sehr mächtig geworden mit ihrer unreflektierten antagonistischen Rhetorik. Aber außer, daß sie allesamt den Milliardären mehr Geld zuschaufeln wollten, wußten sie nichts anzufangen mit ihrer Macht. Da ist das Scheitern vorprogrammiert.
Zwei sind schon erledigt, one more to go.

Der Mensch ist gar nicht gut
Drum hau ihn auf den Hut.
Hast du ihm auf dem Hut gehaun
Dann wird er vielleicht gut.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht gut genug
Darum haut ihm eben
Ruhig auf den Hut!

Es geht allerdings auch anders und das zeigt gerade Emmanuel Macron.
Der gute Mann hatte offensichtlich nicht nur einen ziemlich guten Plan wie er französischer Staatschef werden könne, sondern scheint sich intensiv damit beschäftigt zu haben, was eine neue Regierung tun solle.
Sein Vorgänger, man hat jetzt schon vergessen wie der hieß, ging vor fünf Jahren nach gewonnener Wahl erst mal länger in den Urlaub, um sich von den Strapazen zu erholen.
Macron hingegen ist unzweifelhaft minutiös vorbereitet, wußte jeden einzelnen Tag seit seiner Wahl bis zu den heutigen Parlamentswahlen zu nutzen. Er setzte so viele Zeichen, daß ihn die liberale Welt jetzt schon liebt.
Mit wenigen aber klar gesetzten Worten an das amerikanische Volk schwang sich der französische Präsident zu so etwas wie dem neuen Führer der westlichen Welt auf. Nach vier Wochen.
Er stellte sich Trump bei den europäischen Gipfeln entgegen, hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für den Klimaschutz in englischer Sprache und lud die in Amerika diskriminierten Wissenschaftler ein  in Frankreich zu arbeiten und zu leben.
Schon jetzt hat Macron international mehr Gewicht als die seit 12 Jahren das viel größere Deutschland regierende Merkel.
Merkel ist nicht so dumm wie Guido, David und Donald, aber sie hat auch keine Überzeugungen. Sie verwirrt ihr tumbes Volk nicht mit inhaltlichen Aussagen, weiß sich an der Macht zu halten.
Außenpolitik kann sie allerdings gar nicht. Alles, das sie bisher anfasste, endete im Chaos. Einhegung Erdogans, der Minsker Friedensprozess, die internationale Koordination der Flüchtlinge, die Menschenrettung im Mittelmeer und ja, auch das ist nicht von der Hand zu weisen – die selbsternannte Klimakanzlerin Merkel hat dafür gesorgt, daß Deutschland die selbstgesteckten Klimaziele besonders krass verfehlt, weil sie nicht wagt ihren reichen Parteispendern aus der Automobilindustrie entgegen zu treten.

Ja, ich würde mir einen dezidiert linkeren französischen Präsidenten wünschen, aber bisher bin ich sehr positiv von Macron überrascht, weil er sich mit durchgedrücktem Rückgrat vor Europa stellt, Trump Grenzen aufzeigt und tatsächlich für europäische Werte eintritt.
Möge er all seine Pläne umsetzen. Ich wünsche ihm Erfolg. Möge er eine absolute Mehrheit erringen. Möge er Frankreich wirklich wieder stark und selbstbewußt machen und die EU (mit-)anführen. Merkel ist dazu nicht in der Lage. Möge er Frau Le Pen marginalisieren. Im Moment liegt der FN bei 13%, womöglich kommt die Chefin gar nicht ins französische Parlament.
Merkels CDU und leider auch große Teile der anderen Parteien, blicken arrogant auf Frankreich herab, geben öffentlich den Ratschlag, Paris möge sich an Deutschland orientieren. Möge Macron sie vom Gegenteil überzeugen.

 [….] Dass aus Frankreich jemals wieder ein wirtschaftlicher Herausforderer für Deutschland werden könnte, scheint aus Berliner Sicht ausgeschlossen. Das ist umso verwunderlicher, als das Phänomen eines modernen Frankreich und schlafmützigen Deutschland noch gar nicht so lange zurückliegt.
Wer aber in Deutschland umweltfreundlich mit den hierzulande ICE genannten Bummelzügen herumreist, aber im Nachbarland mit dem TGV sehr viel längere Bahnstrecken schneller abgefahren ist, dem kann als Bundesbürger nur zum Heulen zumute sein.
Gleiches gilt für den, der eine moderne Internetversorgung für selbstverständlich hält - also ein Glasfasernetz erwartet und nicht eines, das im Achtzigerjahrestil noch auf dem Kupferkabel basiert, dieser deutschen Datenschneckenpost. [….]