Montag, 11. Juni 2012

Famose Koalition.



Diese ewigen Nörgler mit den ewigen Aufzählungen der unerledigten Aufgaben der Koalition sollen einfach mal die Klappe halten!

Gut, es stimmt ja, daß Steuerreform, Energiewende, Atomendlager, Mehrwertsteuer, Euro-Regulierung, Fiskalpakt, Gesundheit, Bundeswehrreform, Infrastruktur, Kinderbetreuung, Hochschulen, Syrienpolitik, Waffenexportregeln, Afghanistanrückzug und Rente Megabaustellen sind, um die sich derzeit leider niemand kümmert.
 Aber man soll auch nicht immer darauf rumreiten. 
Immerhin sind das komplizierte Themen, die selbst für Fachleute schwer zu lösen sind. Wie sollten das erst geistig mittelmäßige Maulhelden wie Westerwelle oder Fachfremde wie Altmaier erledigen können?
Und dann auch noch ganz ohne Anleitung. Immerhin gibt die vor der Realität rätselnd entrückte Kanzlerin auch keinerlei Hinweis in welche Richtung es gehen soll.
Es wird Zeit, daß die nörgelnde Presse endlich die Erwartungen auf ein vertretbares Maß runter schraubt. Das hat doch früher schon geklappt.
Zum Beispiel 2005 in den TV-Duellen zwischen Kanzler Schröder und der Herausforderin Merkel.
Sie sah zwar gegen den Politprofi aus, wie eine zehnjährige Legasthenikerin im Literaturseminar einer Hochschule, aber extra für die grob Kompetenzbenachteiligte ließen sich die CDU-Claqueure unter den Journalisten ein neues Bewertungskriterium einfallen:

„Merkel war besser als erwartet!“ verkündeten sie anschließend ohne rot zu werden.
Peter Hahne und Co bekamen strahlende Gesichter. 
Ganz so als ob Lothar Matthäus soeben fehlerfrei das kleine Einmaleins aufgesagt hätte. Auch das wäre eindeutig „besser als erwartet“ gewesen.

Und wer auf diesem Planeten hat denn ernsthaft erwarten können, daß eine K.O.alition, die maßgeblich von Fipsi-Froschvergleich-Rösler, Angie-ich-sag-nix-Merkel und Guido-spätrömische-Dekadenz-Westerwelle geprägt wird Komplikationen wie das deutsche Steuerrecht entwirren könnte?
Es wird Zeit endlich mal die Erwartungen an Schwarzgelb in den realistischen Bereich zu verschieben.
Ich habe das getan und bin schon ernsthaft beeindruckt, wenn ein CDUCSUFDP-Minister zwei Tage am Stück ohne Lügenaffäre durchhält oder sich selbstständig die Schuhe zubinden kann.

Außerdem ist es ja nicht so, daß die Kabinettsstaffage der Kanzlerin gänzlich untätig ist.
Wir wissen zum Beispiel seit Jahrzehnten, daß wir auf eine gewaltige Pflegekatastrophe zusteuern, weil immer mehr Menschen immer älter und immer kränker werden.
Dafür hat Merkels Morologen-Kabinett neben der Antibildungsprämie nun den sogenannten „Pflege-Bahr“ verabschiedet, welcher die Pflegefinanzierung endgültig und langfristig sichern wird.

Zahl der Woche: 2483 Euro
 kommen zusammen, wenn jene fünf Euro, mit denen die schwarz-gelbe Koalition künftig private Pflegeversicherungsverträge fördern will, über 30 Jahre angespart und mit durchschnittlich zwei Prozent verzinst werden. Das reicht, um gut drei Wochen lang den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu bezahlen, der pro Monat derzeit etwa 3000 Euro kostet.
(SPIEGEL 24/12)

Dieser Pflegedurchbruch ist so gewaltig, daß ich es bedauere, wie er in der Begeisterung über die geniale Herdprämie untergeht.

Der Triumph des Absurden.
Die Öffentlichkeit will es nicht. Viele CDU und sogar einige CSU-Politiker lehnen es ab. Liberale, Sozis, Grüne, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kirchen sowieso. Und dennoch hat das Kabinett gestern die Herdprämie auf den Weg gebracht. Eltern werden also tatsächlich ab 2013 belohnt, wenn sie staatliche Betreuungsangebote ablehnen. Berlins Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hat diesen Irrsinn bislang am treffendsten auf den Punkt gebracht: Zahlen wir künftig auch Prämien an Eltern, die den Schwimmunterricht in kommunalen Hallenbädern boykottieren? Und an Eltern, die öffentliche Bücherhallen meiden? Ein Jahrzehnt nach dem PISA-Schock hat die politische Dummheit triumphiert – und alle Beteiligten wissen es. […] Statt das eine Unsinnsgesetz zu stoppen, haben sich die Liberalen ihre Zustimmung mit einem weiteren Unsinnsgesetz – der Privatpflege – abkaufen lassen. Angela Merkel, Herrscherin in Absurdistan!

Sogar die Opposition ist voll des Lobes.

Das Betreuungsgeld ist eine besonders bittere Pille für Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien und Kinder aus Familien mit Einwanderungsbiographie. Sie profitieren am stärksten vom Kita-Besuch. Wir wissen: Je früher ein Kind eine Kita besucht, desto besser sind ihre  Aussichten auf eine gute Sprachkompetenz und ihren späteren Bildungserfolg. Mit dem Betreuungsgeld konterkariert die Bundesregierung den erheblichen Nachholbedarf bei der Betreuung von Kindern unter drei aus Einwandererfamilien. Das Betreuungsgeld ist ein bildungs- und integrationspolitischer Rückschritt in Siebenmeilenstiefeln, der erhebliche  soziale Folgekosten nach sich zieht. Auch die Studie der OECD über die  Erfahrungen mit dem Betreuungsgeld in Österreich, Norwegen und der Schweiz bestätigt dies.   Das Betreuungsgeld bietet finanzielle Anreize für eine traditionelle Rollenverteilung und fördert die ungleiche Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern. Insbesondere Mütter mit Migrationshintergrund bleiben verstärkt zuhause. In der derzeitigen Fachkräftediskussion muss die Bundesregierung aber auch das Arbeitskräftepotenzial von Müttern mit Einwanderungsbiographie fördern. Stattdessen beordert sie die Frauen an Heim und Herd. Das Betreuungsgeld ist eine bildungs-, integrations-, und gleichstellungspolitische Bankrotterklärung.

Kaum hat die Regierung der Ratio diese beiden Pflöcke eingeschlagen, widmet sich die dynamische Kanzlerin schon dem nächsten Thema: Teppichluder Niebel.

Die Bundesregierung zieht Konsequenzen aus der Teppichaffäre von Entwicklungsminister Dirk Niebel. Ein Gesetzentwurf, der den Umgang von Spitzenpolitikern mit geknüpfter Auslegware neu regle, sei in Arbeit, sagte ein Regierungssprecher am Wochenende.    Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, „zeitnah, detailliert und umfassend über das Teppichverhalten des politischen Personals“ unterrichtet zu werden, argumentierte er. […]
Die Initiative fördert Differenzen bei den Koalitionspartnern zu Tage: In der Union gibt man hierzulande gefertigten Teppichen den Vorzug, um die einheimische Wirtschaft zu stärken, und liebäugelt damit, Zollgebühren für ausländische Produkte zu erhöhen. „Alles andere tritt den deutschen Teppich mit Füßen“, hieß es in der Fraktion.  […] Die Grünen forderten mehr demokratische Beteiligung. „Alle Bürger müssen über Niebels Teppich abstimmen können“, sagte ein Grünen-Stratege. Regierung und Opposition einigten sich darauf, andere Themen wie den Fiskalpakt zu vertagen, um die Teppich-Offensive mit aller Kraft anschieben zu können.

Aber bevor ich Merkel und Co in den Himmel hebe, muß auch ich zugeben, daß es an einer für Deutschlands Zukunft besonders essentiellen Frage noch Abstimmungsbedarf zwischen den IQ-Größen des Kabinetts gibt. 
Der tiefste Graben verläuft - wieder einmal - zwischen FDP und CSU.

Die CSU-Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner ist zwar offensichtlich ungeaignert, um die Konsumenten vor immer neuen Lebensmittelskandalen zu schützen. 
Aber nun erinnerte sie sich daran im Nebenberuf auch Landwirtschaftsministerin zu sein.
Als demütige Befehlsempfängerin der Milliardenschweren Agrarlobby kann sie natürlich nicht für gesündere, fairere oder umweltverträgliche Produkte sorgen, aber sie hat immerhin in einer Nische ein Pünktchen gefunden, um sich als Tierschützerin zu inszenieren.

Es geht um dem berüchtigten „Schenkelbrand“:

Immer noch wird bei vielen Fohlen ein Brandzeichen am Schenkel angebracht, obwohl die Jungtiere dadurch eine hochgradige Verbrennung erleiden. Durch die gezielte Verbrennung bleibt die Brandnarbe als permanentes Markenzeichen, mit dem das jeweilige Zuchtgebiet repräsentiert wird, zurück.
Der Eingriff ist schmerzhaft und die Schmerzen halten mehrere Tage an. Das Brandzeichen dient in erster Linie als Werbezweck für den jeweiligen Zuchtverband und stellt keine unverwechselbare Kennzeichnungsmethode dar. Eine individuelle und unverwechselbare Kennzeichnung ist nur durch einen Transponderchip gewährleistet, mit dem seit dem 1. Juli 2009 alle Fohlen EU-weit gekennzeichnet werden müssen.

Da sich Aigners überraschend faunophile Linie abzeichnet, gehen CDU’ler und FDP’ler schon mal auf die Barrikaden:

Gleich mehrere Bundesminister und CDU-Ministerpräsidenten machen Front gegen den Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), den sogenannten Schenkelbrand bei Pferden zu verbieten. […] Der Streit um die Abschaffung der Brandzeichen ist sogar bei der Sitzung des Bundeskabinetts am vorvergangenen Mittwoch aufgeflammt.

Endlich war auch mal wieder unser Außenminister in seinem Element. 
In letzter Zeit war er selten zu vernehmen, weil fremde Länder das Thema waren. 

Panzer nach Israel, Syrienkatastrophe, EUROPA-Schlamassel - was sollte Guido schon dazu sagen? 
Von Außenpolitik hat der Mann, der geistig nie über Bonn-Bad Honnef hinausgekommen ist und vor seinem Amtsantritt als Vizekanzler noch nie in Frankreich oder Amerika war, natürlich keine Ahnung.

Aber Schenkelbrand ist schon eher sein Thema.
 Damit kennt sich Westerwelle aus. 
Oder korrekter formuliert: Über Schenkelbrand weiß „der Herr Mronz“, Westerwelles Ehemann, Bescheid. 
Und wenn Guido schon politisch nichts im Bundeskabinett beizutragen hat, so kann er wenigstens seine familiären Privatinteressen vortragen.

Er halte das Schenkelbrand-Verbot für "unverhältnismäßig". Westerwelles Lebenspartner organisiert in Aachen das sogenannte "Weltfest des Pferdesports" CHIO. Zu den Befürwortern des Schenkelbrands im Bundeskabinett zählt auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die selbst reitet.

Arme Angie. In dieser konfrontativen Konstellation ist die causa Schenkelbrand vermutlich unlösbar.

Aber für solche Fälle hat die Kanzlerin bekanntlich eine sehr taugliche Methode parat:

Verschieben wir’s auf den St. Nimmerleinstag!