Sonntag, 17. September 2023

Wasserstofftechnologieoffenheit.

CDU, CSU, AfD, FDP, FW und Springer sind gegen Wärmepumpen.

Sie haben zwar einen überragenden Wirkungsgrad und werden daher seit vielen Jahren überall in Europa eingebaut, aber in Deutschland sind die Grünen dafür. Also sind die rechten alten Herren grundsätzlich dagegen.

[….] CSU-Chef Markus Söder sagte, dass der Einbau einer Wärmepumpe bis zu 300 000 Euro kosten könnte. Wo er diese Zahl herhat, sagte er nicht. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler bezeichnete das Heizungsgesetz als „Atombombe“ für Deutschland, ein Parteikollege sprach von einer „Wärmepumpen-Ideologie“. Und jetzt? Ist der Absatz von Wärmepumpen eingebrochen. Kein Wunder, wenn ständig von Technologieoffenheit die Rede ist und eine besonders effiziente Technologie wie die Wärmepumpe in die „woke, grüne Spinnerecke“ gestellt wird.  [….]

(Jan Schmidbauer, 31. August 2023)

Wer sich an den Chemie-Unterricht in der Schule erinnert, wird vermutlich gleich in den ersten Stunden von seinem Lehrer die Knallgasreaktion vorgeführt bekommen haben.

Sie ist pädagogisch naheliegend, weil es um im mehrfachen Sinne „elementare Dinge“ geht und mit einem ordentlichen Rumms für die chemisch noch ahnungslosen Schüler Eindruck macht.

Die Kinder sehen erst einmal nichts. Elementarer Wasserstoff ist ein farbloses Gas. Dann ein kleiner Funke, ein gewaltiger Knall und man erkennt ein paar wie aus dem Nichts entstandene Wassertropfen.

2H2 + O2 à 2H2O. Zwei gasförmige Wasserstoffmoleküle schnappen sich ein gasförmiges Sauerstoffmolekül aus der Luft und alle drei zusammen bilden zwei flüssige Wasser-Moleküle. So simpel ist das.

Für das was man als Schüler als einfache Buchstabenkombination mit klarem Ergebnis betrachtet, entwickelt man spätestens als Chemie-Student ein anderes Gefühl. In Wahrheit handelt es sich um eine nicht triviale Kettenreaktion. Man betrachtet das Gleichgewicht. Die Reaktion verläuft tatsächlich in beide Richtungen und es gibt Nebenreaktionen. Chemiker empfinden Chemie aber insbesondere als Jonglieren mit energetischen Zuständen.

Die Reaktion ist offensichtlich „exotherm“. Das zeigt der Knall. Es wird also Energie frei. Die Elektronen der Gasmoleküle befinden sich auf einem viel höheren Energiezustand, als in der gebundenen Form im Wasser-Molekül.

Die Enthalpie (vereinfacht gesagt, die Energie pro Stoffmenge) ändert sich erheblich, weil Energie frei wird, wenn die Elektronen auf ein niedrigeres Niveau absinken. Chemiker denken viel in Enthalpien, berechnen sie immer. Bei der Knallgasreaktion werden ΔrH0 = -571,6 kJ/mol frei.

An dieser Stelle wird es politisch. Für diese rund 570 Kilojoule interessiert sich nämlich ein bekannter Weingut-Besitzer namens Volker Wissing.

Als Jurist und Hepatitisgelber denkt er offenbar, eine unendliche und saubere Energiequelle gefunden zu haben.

Genau sieht es auch Hobby-Nazi Hubsi Aiwanger, der in seinem Wasserstoff-BMW umher fährt und im Wasserstoff die Geheimwaffe gegen die klimabewegten Grünen gefunden zu haben glaubt.

[….] Die Deutschen können Wasserstoffautos kaufen, diese Autos werden auch gefördert. Sie werden aber nicht gekauft. 198 Wasserstoff-Pkws wurden dieses Jahr bisher in Deutschland zugelassen, 362 534 Elektroautos. Und sogar der Ölkonzern BP, der Milliarden mit Wasserstoff verdienen will, geht davon aus, dass das so bleibt. In seinem „Energy Outlook“ hat er prognostiziert, wie viel Prozent der weltweiten Pkws bis 2035 mit Wasserstoff fahren werden: null. [….]

(Jan Schmidbauer, 31. August 2023)

Warum will keiner so ein Auto, wenn es doch laut Hubsi und Volker so einfach ist?

Man entnimmt einfach ein paar farblose und giftige Gase aus der Luft, erhält mit einem Knall sehr viel Energie frei Haus und dabei entstehen keinerlei Abfallprodukte außer reinem gesunden Wasser!

Flugs ernannte sich Wissing selbst zum „Mr. Wasserstoff“ und hält damit offenkundig alle umständlichen Investitionen in Klimaschutz – Wärmepumpen, Photovoltaik, Windkraftanlagen – für überflüssig. Man setze einfach „technologieoffen“ auf Wasserstoff und schon werde alles gut. Insbesondere für seine Freunde.

[….]  Ein hochrangiger Staatsbeamter im Verkehrsministerium soll Recherchen des Handelsblatts zufolge Fördergelder in Höhe von mehreren Millionen für Freunde gesichert haben.

Konkret geht es in den Vorwürfen um einen Beamten, der intern den Spitznamen „Mr. Wasserstoff“ tragen soll (Name der Redaktion bekannt). Er ist Abteilungsleiter im Verkehrsministerium und pflege demnach enge Freundschaften zum Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) und zu einem bayerischen Unternehmer. Sowohl der Verband als auch die Gesellschaften des Unternehmers hätten den Recherchen zufolge insgesamt rund 28 Millionen Euro an Fördergeldern aus dem „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ erhalten.

„Mr. Wasserstoff“ hat bisher nicht auf die Vorwürfe reagiert. Das Bundesverkehrsministerium sieht keinen Interessenkonflikt. Es gebe aktuell keine Erkenntnisse darüber, dass ein Abteilungsleiter Einfluss auf die Vergabe öffentlicher Mittel genommen habe, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Es werde aber, wie das bei Compliance-Vorwürfen generell der Fall sei, allen Hinweisen nachgegangen.

Der Unternehmer, der einst bei BMW gearbeitet hat und dessen Gesellschaften alleine 26 Millionen Euro an Fördergeldern erhalten haben sollen, sagte dem Handelsblatt, dass er keine Auskunft über „persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften“ geben würde. Neben den 26 Millionen für seine Gesellschaften leitet dieser Unternehmer noch den Bau eines neuen Wasserstoffzentrums, wofür weitere 72 Millionen Euro an Fördergelder geflossen sein sollen. [….]

(FR, 06.09.2023)

Es gibt allerdings einen Grund dafür, daß studierte Chemiker „Chemie“ unterrichten und nicht Juristen oder FDP-Mitglieder.

Volker Wissing fehlt offenkundig jede Fachkenntnis. Er muss natürlich kein Chemiker sein, aber es wäre doch ganz schön, wenn er nicht so beratungsresistent wäre, damit er ein paar thermodynamische Fakten zu Kenntnis nähme.

Die bei der Knallgasreaktion gewonnene Energie entsteht nicht aus dem Nichts. Die Gesamtenergie bleibt immer erhalten. Sie war also vorher schon da und steckte, vereinfacht gesagt, im höher schwingenden molekularen Wasserstoff H2.

Das ist die Crux. Woher will Wissing den vielen Wasserstoff nehmen?

Ein Chemiker kennt unendlich viele Reaktionen, bei denen Wasserstoff gewonnen wird. Im industriellen Maßstab erfolgt die Gewinnung aus fossilen Kohlenwasserstoffen (also Erdgas, Erdöl oder Kohle), so daß dieser sogenannte „graue H2“ für den Klimaschutz untauglich ist, weil dabei zwangläufig auch immer CO2 entsteht.

Um das Weltklima nicht weiter anzuheizen, eignet sich nur der sogenannte „grüne Wasserstoff“, der durch Elektrolyse von Wasser gewonnen wird. Das ist, simpel ausgedrückt, die umgekehrte Knallgasreaktion, bei der man aus zwei Wassermolekülen wieder ein Sauerstoff- und zwei Wasserstoffmoleküle macht. Für Volker Wissing klingt das gut. Der Chemiker erinnert sich allerdings an die Bildungsenthalpie und weiß, daß man bei der Elektrolyse die ganze Energie, die man bei der Knallgasreaktion gewinnt, wieder reinstecken muss, um die Elektronen der Gase wieder auf das höhere Niveau zu puschen.

Zu allem Übel gibt es da auch noch die Physiker, die jetzt den unangenehmen Begriff „Wirkungsgrad“ einwerfen.

Es ist technisch unmöglich immer mit derselben Energiemenge Knallgasreaktionen und Elektrolyse hin und her zu betreiben (sonst wäre das der perfekte Energiespeicher; eine Batterie), weil immer Energie verloren geht (Nebenreaktionen, chemische Gleichgewichte). Außerdem muss der H2 unter großem Energieaufwand verflüssigt werden, um ihn beispielsweise in einem Auto oder einer Heizung einzusetzen. Mit der Gewinnung durch Elektrolyse beginnen die Probleme erst.

[….] Anschließend müssen die Wasserstoffmoleküle auf einen Druck von bis zu 700 Bar komprimiert werden, damit genug in den Tank passt.

Wenn der Wasserstoff dann im Auto ist, wird er mithilfe einer Brennstoffzelle noch einmal umgewandelt, in Strom. [….] Um es kurz zu machen: Man verbraucht große Mengen Strom, um Wasserstoff zu gewinnen, verbraucht weitere Energie, um ihn zu komprimieren. Und danach wandelt man ihn wieder um, nur um das zu bekommen, womit ein Elektroauto rumfährt: Strom.

Der große Vorteil ist, dass so ein Wasserstoff-Auto keine schweren Batterien braucht und in wenigen Minuten vollgetankt werden kann. Der große Nachteil ist, dass sehr viel Energie verloren geht, bis so ein Auto mal fährt. Der Energieaufwand sei zwei- bis dreimal so hoch wie bei einem Elektroauto, sagt Prof. Volker Quaschning. Noch ineffizienter seien die E-Fuels, mit denen die FDP den Verbrenner am Leben halten will. Faktor fünf. Mindestens.

Entsprechend irre und gefährlich findet Quaschning, wie die Autonation Deutschland sich gerade verheddert in Debatten um E-Fuels und Wasserstoff, während der Markt schon anders entschieden hat. [….] Gilt übrigens auch für Heizungen. Der Energieaufwand für eine Wasserstoffheizung sei etwa fünfmal so groß wie für eine Wärmepumpe, sagt er. Das sind so die Sachen, die ihm durch den Kopf gehen, wenn er das Wort Technologieoffenheit hört. „Man kann es auch mit technologischer Ahnungslosigkeit übersetzen.“ [….]

(Jan Schmidbauer, 31. August 2023)

In einer ferneren Zukunft wird es vielleicht gelingen, Wasserstoff in großem Maßstab mit reiner Sonnenenergie zu elektrolysieren. Wenn man sich die energieverschwendenden Umwandlungen in Strom, Speicherungssysteme und die Komprimierung spart, könnte dieser grüne Wasserstoff industriell verwendet werden. Möglicherweise wäre das auch eine sinnvolle Energiequelle für bestimmte sehr energieintensive Techniken, wie zB Langstreckenflüge. Für die Massen, private PKWs und Heizungen wird H2 lange Zeit nur ein Wissing/Aiwangerisches Hirngespinst bleiben, um die Grünen zu attackieren und das Weltklima zu ruinieren.

[….] Florian Bieberbach [….] der Stadtwerke-Chef [in München hat] ein Interesse daran hat, dass in Zukunft mit Wasserstoff geheizt wird. Auch sein Unternehmen betreibt ja ein Gasnetz, durch das theoretisch mal Wasserstoff strömen könnte. Aber Florian Bieberbach sagt: „Wir kommen immer wieder zu dem Schluss, dass Wasserstoff nur für einen sehr kleinen Teil sinnvoll sein wird.“ Fünf Prozent, maximal.

Auch der Praktiker beruft sich dabei auf die Wissenschaft, auf viele Studien. Eine davon ist 300 Seiten lang, heißt „Klimaneutrale Wärme München 2035“, und was da drinsteht, spricht überhaupt nicht gegen Wasserstoff, aber gegen den Einsatz von Wasserstoff in Heizungen. Weil grüner Wasserstoff selbst 2040 noch sehr knapp bleiben wird zum Beispiel. Sehr teuer. Und weil bei der Erzeugung viel Energie verloren geht.

Dass Wasserstoff nicht nur das häufigste Molekül im Universum ist, sondern auch das kleinste und durch alle Ritzen kriecht, ist übrigens nicht das Problem, sagt er. Die Leitungen umzurüsten, das würden sie hinkriegen. „Das Problem ist das Kostenthema.“

Ist oft beschrieben worden, dass Wärmepumpen nicht billig sind. Aber was die Effizienz angeht, sind sie kaum zu schlagen. Aus einer Kilowattstunde Strom macht die Wärmepumpe drei bis vier Kilowattstunden Wärme, weil sie zusätzliche Energie aufnehmen kann, zum Beispiel aus der Umgebungsluft. „Das ist ja gerade der Witz der Wärmepumpe“, sagt Bieberbach. [….]

 (Jan Schmidbauer, 31. August 2023)