Sonntag, 27. Oktober 2013

Deutschland, Deutschland,…




Heute habe ich die geschenkte Stunde (ich finde alle Tage sollten mindestens 25 Stunden haben!) genutzt, um noch einige wichtige Artikel zu lesen, die ich extra ausgedruckt hatte.
Dabei waren einige Analysen über die Bundestagswahl. Geschrieben am 23.09.13. Absolut ungeheuerlich erschien es da was gerade mit der FDP passiert war. Man konnte sich ein Parlament ohne Freidemokraten gar nicht vorstellen.
Was für ein Irrtum!
Gerade mal einen Monat später hat man die FDP schon völlig vergessen und wundert sich über alle Maßen, daß in Ermangelung einer neuen Regierung, der formal entlassene Guido Westerwelle noch mal seinen Senf zur Abhör-Affäre von sich gibt.
Guido wer? Den hatte ich schon erfolgreich verdrängt. Wenn man sich nie wieder an ihn erinnert, ist das immer noch zu früh.

Aber mal spaßeshalber: Was hat der FDP-Ruinator denn zu sagen?
Er, hihi, bitte nicht lachen,…, er haha, WARNT noch mal!
Zu seinen bisherigen 795 offiziellen und extrem sinnlosen Warnungen fügte er nun hinzu:

Westerwelle warnt vor deutsch-amerikanischem Bündnisbruch!
[…]  Die Bundesregierung verschärft den Ton gegenüber den USA. "Nicht alles, was technisch möglich sein mag, ist auch politisch vernünftig", teilte Außenminister Guido Westerwelle am Sonntag mit. [….]
Abhören unter Freunden und Partnern sei politisch höchst schädlich, so Westerwelle weiter. "Denn es droht die Bindungen zu untergraben, die uns zusammenhalten und die wir für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts mehr denn je brauchen", warnt der deutsche Außenminister.

Na, das wird Obama ja ungeheuer beeindrucken, was Guido, der baldige Ex-Außenminister und Ex-Chef einer bald nicht mehr existierenden Partei zu vermelden hat.
Im Oval Office wird man sofort eine Krisensitzung einberufen haben und um Beistand durch Notfallseelsorger ersucht haben.

Wenn der dämliche Westerwelle nicht aus reinem Prestigedenken seinem Vorbild Genscher folgend das Außenamt als persönliches Spielzeug gewollt hätte, sondern sich auch mal vorher mit AUSSENPOLITIK beschäftigt hätte, wäre Deutschlands internationale Rolle auch nicht so marginal wie sie jetzt ist.
Ein Witz, daß Rumsfelds Diminutiv von Deutschland als irrelevanten Teil des „alten Europas“ heute unter einer so amerikafreundlichen Kanzlerin wahr geworden ist.
2002/2003 traf die Einschätzung der Bush-Administration nämlich noch nicht zu. Das mächtige Amerika schaffte es nicht gegen den engagierten Joschka Fischer und den standhaften Gerd Schröder den UN-Sicherheitsrat auf Linie zu zwingen. So wurde dank Deutschland ihre Kriegslust nie legitimiert. Amerika konnte die Berliner nicht niederringen. Das alte Europa war noch ganz schön stark.
Heute ist das anders. Merkel interessiert sich nicht für außenpolitische Strategien und Westerwelle ist schlicht zu dämlich dazu. Sein Ansehen ist so gering, daß ohnehin keiner seiner internationalen Amtskollegen auf ihn hören würde – selbst wenn er außer seinen extrem lächerlichen andauernden Warnungen mal mit einer außenpolitischen Initiative in Erscheinung träte.
Amerika kann es sich leisten Deutschland zu überfahren.
Als politischer Laie könnte man auf den Gedanken verfallen, es müssen Obama ja furchtbar peinlich sein, daß die Bespitzlungen Merkels nun aufgeflogen sind, nachdem er das noch vor ein paar Monaten ihr gegenüber ausdrücklich verneint hatte.
Aber das ist wieder so eine Fehlinterpretation, die davon ausgeht Obama bedeute die Meinung des politischen Berlins irgendetwas.
Dem ist aber nicht so. Merkls lächerliche Regierung taucht auf dem Schirm des Weißen Hauses gar nicht mehr auf.
Vier Jahre Westerwelle-Merkel-Außenpolitik mußten dazu führen.

Das ist die deprimierende Botschaft, gewonnen aus der Düpierung der deutschen Kanzlerin: Hinter der Festkulisse - zuletzt aufgeführt im Juni vor dem Brandenburger Tor oder beim State Dinner für die Kanzlerin zwei Jahre zuvor - regiert das blanke Interesse. Und offenbar haben die USA inzwischen so wenig Interesse an Deutschland, dass der Präsident die Bundeskanzlerin abhören lassen kann, ohne Nachteile daraus befürchten zu müssen.
Lässt man nämlich all den Zorn beiseite, dann drückt sich in der Abhöraktion eine Missachtung aus, die den politischen Zustand dieser transatlantischen Beziehungen durchaus spiegelt. Nicht mal mehr der Anstand verbietet es, die Respektlosigkeit gegenüber Merkel zu unterlassen. Einen ernsthaften Schaden hat in Washington offenbar niemand befürchtet, sollte die Abhörerei auffliegen. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland den USA keinen Schaden zufügen kann. Oder umgekehrt formuliert: Allzu viel Nutzen scheinen sich die USA von dieser Partnerschaft mit Berlin nicht zu erwarten. Das Risiko ist also gering.
In Washington wird ein Verhältnis an den machtpolitischen Hebeln gemessen, die der anderen Nation gegeben sind. Deutschland ist inzwischen in die Kategorie jener Staaten gewandert, die nicht wirklich hilfreich sind, um die man sich nicht bemühen muss, die man aber gerne an seiner Seite weiß. Nice to have eben. [….] Im geostrategischen Puzzle der USA taucht Deutschland kaum auf: Der Libyen-Einsatz (in all seiner Unzulänglichkeit)? Ohne Deutschland. Syrien, Ägypten, Nahost? Verschwunden von der deutschen Agenda. Wenigstens ein kleiner Hebel via Russland? Hat Deutschland gerade nicht zur Hand. Ein bisschen mehr Standfestigkeit gegenüber China trotz aller ökonomischen Verlockungen? Nicht zu erwarten von Deutschland. Eine klare sicherheitspolitische Alternative aus EU-Europa, inklusive Armeen, Aufklärung, Handelsdruck, Hilfszahlungen, Mittler-Missionen? Gibt es nur sehr, sehr begrenzt.
Die Deutschen haben es sich bequem eingerichtet im Schatten der Euro-Krise, die ihnen nicht schadet, die sie aber auch nicht schnell lösen werden. Aus der kalten, machtkalkulatorischen Sicht Washingtons verdient indes Respekt, wer Respekt einflößt. Die Bundesrepublik jedenfalls wirkt da eher niedlich mit einer Kanzlerin, die auf einem alten Nokia-Handy telefoniert, und mit einer Infrastruktur zu Cyber- und Datensicherheit, die vielleicht einem Staat im Mittelfeld der Weltökonomien zum Ruhme gereichte.
(Stefan Kornelius, SZ, 26.10.13)

Es ist an Jämmerlichkeit nicht zu übertreffen, daß Merkel nun auf ein „no-Spy-Abkommen“ drängt und Herr Friedrich noch mal die Berichte aus Washington über  Prism prüfen lassen will.
Merkel hat nicht nur keine Chance die Einhaltung so eines Vertrages zu kontrollieren; sie hat sogar die Gewissheit, daß sich Amerika ohnehin nicht an solche internationalen Papiere hält.
Wenn Merkel ein Rückgrat HÄTTE und beweisen wollte, daß sie es ernst mit der Aufklärung meint und nicht wie üblich devot buckelnd in Washington auftritt, sollte sie als Erstes Herrn Snowden offiziell nach Deutschland holen und ihn durch eine deutsche Staatsbürgerschaft schützen. Man könnte mit ihm zusammenarbeiten und ihn erzählen lassen was er noch weiß. Unter dem Schutz der Bundesregierung.
Das wäre ein Ass im Ärmel beim nächsten Gespräch mit Obama.

Noch wichtiger als so eine kurzfristige Piesackung der großen transatlantischen Partners, wäre es aber die Nichtaußenpolitik der letzten vier Jahre sofort grundsätzlich zu ändern und mit einem starken sozialdemokratischen Außenminister international wieder so stark in Erscheinung zu treten, daß Amerika es sich gar nicht mehr leisten kann einfach über Berlin rüber zurollen.
Bei den meisten geostrategischen Großbaustellen Amerikas könnte Deutschland durchaus eine wichtige, womöglich sogar entscheidende Rolle spielen.
Wir haben exzellente Beziehungen in den Nahen Osten und könnten auch zu Russland wieder engere Bande knüpfen (und dabei auch wieder mäßigend auf Putin einwirken).
Natürlich gilt das erst Recht auf EU-Ebene. Dort könnte es durch deutschen Druck endlich entscheidend mit einer gemeinsamen Außenpolitik voran gehen.
Und ja, verdammt noch mal, Europa soll endlich eine eigene starke Blauhelmtruppe aufstellen, damit nicht bei jeder Krise irgendwo in der Welt sowieso wieder alle jammernd nach Amerika rufen.
Wir könnten so viel weiter sein, wenn nicht diese elenden Vier Jahre Schwarzgelb Europa mehr gespalten und den Hass auf Deutschland angefacht hätten.
Nur wenn Berlin, bzw Brüssel international stark sind, kann man Amerika und China daran hindern völlig verantwortungslos zu agieren.