Wie außerordentlich
unerträglich. Die AfD holt bei den Kommunalwahlen in Hessen aus dem Stand fast 12% und möglich macht es
die Wahlbeteiligung von gerade mal 48%.
Obwohl
seit Monaten das Thema Rechtsruck, Nazi-Parteien und Ausländerfeindlichkeit die
Medien dominiert, schaffen es 52% der hessischen Wahlberechtigten nicht sich
überhaupt aufzuraffen zur Wahl zu gehen.
Was ist
los mit dem mitteldeutschen Urnenpöbel, daß er sich mehrheitlich dem Phlegma
hingibt und achselzuckend die AfD-Schande hinnimmt?
Null
Bock auf gar nichts?
Der
deutsche Wähler ist offensichtlich überfordert damit aus grundsätzlichen
Erwägungen für die Demokratie einzutreten, politische Weichen zu stellen und
erwartet immer noch „abgeholt zu werden.“
Nicht
von irgendjemand, sondern es soll auch noch die Traumpartei sein.
Willkommen
in der Realität! So funktioniert Demokratie nicht. Wahlen sind vielmehr mühsam,
man muß Kompromisse machen, das kleinste Übel aussuchen und sich informieren.
Die
gebratenen Kandidaten fliegen einem nicht einfach so vor die Wahlurne.
Eine
normale Wahl, ohne Glamour, ohne Hochspannung, ohne Drama reicht offenbar nicht
mehr aus, um den deutschen Michel hinterm Ofen hervor zu locken. Er will
mitgerissen werden, sich emotional involviert fühlen und klare Alternativen
erkennen können.
Was
jedenfalls nicht ausreicht ist, daß ein stellvertretender Ministerpräsident ein
guter und anständiger Typ ist, der solide Arbeit leistet und weitsichtige,
richtige Entscheidungen für das Land fällt.
Zu öde.
Sowas straft der Wähler durch Missachtung ab.
Keiner kann Schlechtes
über den Spitzenkandidaten Schmid sagen, dennoch droht der SPD ein historisches
Tief.
[….]
Und
so steht dieser Nils Schmid, 42 Jahre alt, der 2011 beinahe jüngster deutscher
Regierungschef geworden wäre, exemplarisch für seine Partei. Guter Mann, gute
Arbeit, aber: zweite Reihe. Der Mann hinter Kretschmann eben.
16 Prozent prophezeite
am Freitag das Institut Forsa Schmids SPD. Das wäre ein historisches Tief, noch
unter dem Niveau der Nachbarn aus Bayern, eine neue Hiobsbotschaft aus der
brüchigen SPD-Südschiene, von der es immer wieder heißt, an ihr liege es, dass
die SPD im Bund nicht auf die Beine kommt. Und genaugenommen wären die 16 Prozent
auch ein schlechter Witz angesichts der Leistung der SPD in dieser Regierung.
Innenminister Reinhold
Gall hat sich in der Flüchtlings- und Terrorkrise als Garant der Inneren
Sicherheit profiliert. Kultusminister Andreas Stoch konnte nach anfänglichem
Chaos Ruhe in die Schulen bringen. Schmid konnte als Finanzminister viermal
eine "schwarze Null" vorweisen. Bilkay Öney (Integration) und Katrin
Altpeter (Soziales) komplettierten die Ministerriege, und bei aller Kritik an
der Arbeit der Fünf: Niemand würde behaupten, die SPD sei der schwächere Teil
der Koalition. Laut Umfragen sind fast zwei Drittel der Bürger mit der Arbeit
der grün-roten Regierung zufrieden, auch Schmid verfügt über beachtliche
Popularitätswerte. Doch wer profitiert? Kretschmanns Grüne. Sie liegen
gleichauf mit der CDU bei 30 Prozent.
[….]
Nein,
der Daily-Soap-bequemte Wähler möchte schon eine Geschichte erzählt bekommen.
Er wählt
nicht, weil es das richtige ist, sondern er möchte unmittelbar partizipieren.
Zumindest
indem er sich anschließend zu denen zählen kann, die auf der Gewinnerseite
stehen.
Keiner
will mehr eine Partei wählen, nur weil sie Richtiges und Vernünftiges
postuliert, aber nicht gewinnt.
So wie
auch die Fußballmannschaft, die immer gewinnt, am beliebtesten ist, rottet sich
der Urnenpöbel am liebsten hinter der Partei zusammen, die vermutlich auch
gewinnen wird.
Zumindest
muß es aber spannend sein.
Wenn bei
der letzten Landtagswahl in Bayern bei identischem Personal und Programm SPD
und CSU beide eine Woche vor der Wahl bei exakt gleichen 47% gelegen hätten,
könnten die Sozis gewinnen, weil die Chance ohnehin dagewesen wäre.
Aber wer
will schon seine Stimme einer Partei gegen, die mutmaßlich bei unter 20%
ankommt und ohnehin in der Opposition landet?
Es
braucht schon eine besondere Konstellation, außergewöhnliche Umstände, um
größere Verschiebungen bei einer Landtagswahl zu erreichen.
Übermorgen
könnte das allerdings in Magdeburg, Stuttgart und Mainz der Fall sein.
In allen
drei Ländern steht die AfD auf dem Sprung zweistellig in den Landtag
einzuziehen. Dadurch sind die „großen“ Parteien nervös, weil sie eine Schrumpfung
fürchten.
In
Sachsen-Anhalt, wo eine glanzlose GroKo regierte, kann niemand vorhersehen,
welche Koalition gewählt wird.
Rheinland-Pfalz
und Baden-Württemberg sind beides strukturkonservative Flächenländer, die durch
eher ungewöhnliche Umstände nicht von der CDU regiert werden. Ein
charismatischer CDU-Spitzenkandidat könnte eigentlich leicht gewinnen.
Bizarrerweise
gibt es aber jeweils eine deutliche Mehrheit der Landesbevölkerung, die den
Flüchtlingskurs der CDU-Bundeskanzlerin stützt, während ausgerechnet die
jeweiligen CDU-Landeskandidaten von ihr abgerückt sind.
Wer
inhaltlich Merkel zustimmt, fühlt sich bei Maly Dreyer und Winfried Kretschmann
wohler als bei Wolf und Klöckner.
Der
CDU-Spitzenkandidat im tiefkonservativen Südwesten, Guido Wolf, ist selbst für Unions-Verhältnisse extrem unsympathisch und
rechtslastig.
Anders
als Roland Koch hat er dabei weder seine eigene Partei hinter sich, noch agiert
er besonders geschickt.
Der Mann
macht so viel falsch, daß ihm das Kunststück gelang das katastrophale
Sonderfall-Niedrigst-Ergebnis der CDU von 2011 noch einmal deutlich zu
unterbieten.
Gut
möglich, daß die CDU in 48 Stunden in ihrem konservativen Stammland hinter die
Grünen zurück fällt.
[….] Welche
Schmach für die CDU. Hier ist ja nicht die Rede von einem x-beliebigen
CDU-Landesverband. Sondern vom dem Landesverband schlechthin.
Baden-Württemberg, das war einmal das wichtigste CDU-Land dieser Republik. Die
Christdemokraten im Ländle waren Staatspartei, eine Machtbastion der
Konservativen:
Fast sechs Jahrzehnte, von 1953 bis 2011,
stellte die CDU ununterbrochen den Ministerpräsidenten in der Stuttgarter Villa
Reitzenstein. Das ist länger, als Fidel Castro in Kuba geherrscht hat.
Zwischen 1972 und 1992 regierten die
Christdemokraten sogar mit absoluter Mehrheit, Höhepunkt Mitte der
Siebzigerjahre: 56,7 Prozent bei der Landtagswahl 1976. Man gefiel sich als
"einzige Volkspartei der Mitte" (CDU-Ministerpräsident Hans
Filbinger).
[….]
Per Mitgliederbefragung macht die CDU einen
Mann namens Guido Wolf zum Spitzenkandidaten für die Wahl 2016. Der frühere
Kommunalpolitiker kommt im Wahlkampf nicht gut an, erstmals muss die CDU in
Baden-Württemberg aus der Opposition heraus kämpfen. Wolf schwankt in der
Flüchtlingskrise zwischen Unterstützung und Kritik an Merkel. Die Umfragewerte
fallen. Beharrlich. [….]
Das ist immerhin eine spektakuläre Meldung. Das mobilisiert den Urnenpöbel und könnte somit zu einer self-fulfilling prophecy werden. Nachdem zwei Umfrage Institute meldeten, die Grünen würden stärker als die CDU wollen nun noch mehr auf den Zug aufspringen und ebenfalls am Montag, den 14. März zu den spektakulären Siegern gehören.
Dieser
Spin nützt Kretschmann und schadet Schmid.
Bei
Wahlen gibt es keine Gerechtigkeit.
Allerdings,
das muß man objektiv anerkennen, präsentiert sich die BW-CDU auch bemerkenswert
tölpelhaft. Was für eins Saftladen!
Immerhin
könnte der SPD in Mainz, anders als in Stuttgart und Magdeburg ein Erfolg gelingen. Ministerpräsidentin
Malu Dreyer ist beliebter als Julia Klöckner und holt auf. Das freut
mich als SPD-Mitglied, aber ich gebe zu, daß weniger das überzeugende Auftreten
Dreyers dafür verantwortlich ist als die Doofheit der RLP-CDU, die sich mit
vollen Hosen an die AfD-Wähler heranwanzt und dann auch noch schäbige Bemerkungen
über Dreyers Behinderungen macht. Das kommt nicht an.