In Merkels
Welt gibt es keine Wähler mit eigenständigem Denkvermögen.
Man
folgt lieber platten Parolen ohne Inhalt. Die gesamte Ökonomie wird auf das
Prinzip der „schwäbischen Hausfrau“ retardiert. Wer nur hart genug spart, hat
am Ende wieder genug Geld.
In den deutschen
Massenmedien wird Austeritätspolitik meist fälschlicherweise als Sparpolitik
bezeichnet. Der Begriff „Sparen“ ist nun einmal positiv besetzt und legt nahe,
dass derjenige, der spart, später mehr Geld zur Verfügung hat. Wer auf der
Ausgabenseite spart, macht weniger Verluste und reduziert somit sein Defizit –
so zumindest die Theorie, die volkswirtschaftlich betrachtet, intellektuell auf
einer Stufe mit Angela Merkels Leitbild der schwäbischen Hausfrau rangiert. Ein
Staat ist nun einmal kein Privathaushalt und Ausgabenkürzungen schlagen immer
auch auf andere Teilnehmer der Volkswirtschaft zurück. Austeritätspolitik ist
jedoch mehr als „nur“ die Kürzung von Ausgaben in den öffentlichen Haushalten. […]
Die Befürworter der
Austeritätspolitik schaffen es jedoch nicht einmal, den ersten Schritt dieser
Kausalkette beweisen zu können – erst recht dann nicht, wenn die
Austeritätspolitik während einer globalen Krise stattfindet. Investitionen
werden nicht aus ideologischen Gründen, sondern auf Basis einer knallharten
Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen. Jede Form der Austeritätspolitik führt
zunächst immer dazu, dass die aggregierte Nachfrage zurückgeht. Da die
Einkommen der privaten Haushalte zurückgehen, haben diese auch weniger Geld für
Konsumausgaben zur Verfügung. Der Staat kann dieses Defizit nicht ausgleichen,
da er ja seine Ausgaben kürzt und somit ebenfalls weniger nachfragt. In einer
Rezession investieren in der Regel jedoch auch die Unternehmen weniger, da die
zurückgehende Nachfrage und die unsichere Zukunft eine Kosten-Nutzen-Analyse
negativ beeinflussen. In Zeiten einer starken Weltkonjunktur kann die Nachfrage
aus dem Ausland diese Faktoren ausgleichen, in Krisenzeiten ist jedoch das
Gegenteil der Fall. Wenn neben der Inlands- auch noch die Auslandsnachfrage
zurückgeht, ist dies nicht der Zeitpunkt, an dem Unternehmen investieren.
Ausgaben- und Lohnkürzungen verschärfen den ohnehin während einer globalen
Krise stattfindenden Rückgang der Nachfrage abermals. Ökonomen sprechen hier
von einem „prozyklischen“ Effekt, Konjunkturausschläge werden nicht ausgeglichen,
sondern verstärkt.
Dies alles führt in
erster Konsequenz zu einer Steigerung der Arbeitslosigkeit und damit auch zu
einem Rückgang der Nachfrage. […]
(Jens Berger 02.10.2012)
Blöd für
Südeuropa natürlich, daß Merkels Rezepte nicht von ihren eigenen Wählern
ausgebadet werden müssen.
Zuhause
in Deutschland machte Merkel in der Krise das Gegenteil von Sparpolitik, weil Sparen in einer Rezession oft nichts anderes als Kaputtsparen ist.
Das
stand an dieser Stelle schon vor drei Jahren:
Die
Griechen sparen bekanntlich dermaßen, daß es quietscht.
Große
Teile Athens mutieren zu Slums, Nierenpatienten können sich ihre Dialyse nicht
mehr leisten und Hunger wird wieder alltäglich.
Es
trifft, wie immer im Kapitalismus, diejenigen, die nichts dafür können.
Deutschland
ist der große Profiteur der Schande von Griechenland.
Dort
wird das einfache Volk ausgepresst nachdem die griechische Regierung Deutschen
Rüstungsfirmen Milliarden-Aufträge erteilt hatte, hunderte Panzer kaufte,
U-Boote bestellte.
Deutsche
Anleger freuen sich über die Dividenden, die ihnen griechische Staatsanleihen
bringen. Deutsche Banken, als die griechischen Kreditgeber verdienen üppig am
Hellas-Desaster.
Ganz
Griechenland fungierte als Absatzmarkt für deutsche Waren, die mit hartem Euro
bezahlt wurden.
Aber
der Krug ist inzwischen doch gebrochen.
Nun
breitet sich Elend aus, während es Deutschland gut geht.
Nachdem
immer mehr Berichte aus griechischen Schulen auftauchten, in denen Kinder vor
Hunger in Ohnmacht fielen, war die Athener Regierung gezwungen Essensmarken
auszugeben.
Das griechische Bildungsministerium will arme
Schüler und Familien mit Lebensmittelmarken unterstützen. Von kommender Woche
an sollen an 18 Schulen in neun Arbeitervierteln kostenlos Coupons für Milch,
Früchte und Kekse verteilt werden, sagte die Staatssekretärin im
Bildungsministerium, Evi Christofilopoulou, dem Parlament nach Angaben der
halbamtlichen Nachrichtenagentur ANA. Die Marken bekommen dabei nur jene, die
von den staatlichen Sparmaßnahmen am härtesten betroffen sind.
Seit Monaten steht die Regierung unter Druck
diesbezüglich zu handeln. Denn Medien hatten über unterernährte Schüler
berichtet, die im Unterricht vor Entkräftung in Ohnmacht fielen.
Die
Lehrer können ihren Schülern kaum behilflich sein. Der Durchschnitts-Jahreslohn
eines griechischen Lehrers sank aufgrund der Sparanstrengungen von rund €
20.000 auf € 12.000.
Die
zynische Reaktion der christlichen Bundeskanzlerin:
Es werde eben noch nicht genug gespart; Athen solle ein EU-Sparkommissar zur Seite gestellt werden.
Es werde eben noch nicht genug gespart; Athen solle ein EU-Sparkommissar zur Seite gestellt werden.
An
dieser Stelle betone ich immer wieder, daß die Merkel/Steinmeier-Regierung für
das eigene Volk genau die gegenteilige Kur durchführte.
Statt
zu sparen, wurden gigantische Konjunkturpakete geschnürt und die
gepumpten Milliarden mit dem Füllhorn über die Deutschen geschüttet.
Am
05. November 2008 legten Steinbrück und Co das Konjunkturpaket I (Maßnahmenpaket
„Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“) auf, welches Dutzende
Maßnahmen umfasste - darunter die wichtige Verlängerung des staatlichen
Kurzarbeitergeldes.
Finanz- und Wirtschaftsministerium betonten stolz:
Finanz- und Wirtschaftsministerium betonten stolz:
„Die Maßnahmen der Bundesregierung fördern in den
Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen, privaten
Haushalten und Kommunen in einer Größenordnung von rd. 50 Mrd. €. Darüber
hinaus gewährleisten Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierung und Liquidität
bei Unternehmen die Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut 20 Mrd. €.
Zusammen mit den vom Kabinett am 7. Oktober 2008 beschlossenen Maßnahmen werden
allein in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt rd. 32 Mrd. € aus den öffentlichen
Gesamthaushalten zur Verfügung gestellt.“
(BMWi und BMF Nov 2008)
(BMWi und BMF Nov 2008)
Der hyperaktive Bundesfinanzminister Steinbrück ruhte aber auch anschließend nicht und schob sofort ein weiteres staatliches Ausgabenprogramm an.
Das Konjunkturpaket II („Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes“) wurde im Januar 2009 beschlossen und hatte sogar einen noch größeren Umfang.
Es umfasste 13 Beschlüsse - darunter die berühmt-berüchtigte „Abwrackprämie“, den „einmaligen Kinderbonus“ von 100 Euro, massive Investitionen in den Breitbandnetzausbau und einen zehn Milliarden-Euro-Zuschuss für kommunale Investitionen.
Fast alle Parteien und Wirtschaftswissenschaftler sahen die Maßnahmen als notwendig an - außer der FDP, die heftig gegen die Maßnahmen wetterte.
Schließlich führten die staatlichen Ausgaben dazu, daß kein anderes EU-Land (außer Polen) so gut wie Deutschland durch die Krise kam.
Die
damaligen Wohltaten gönnte Merkel aber nur den Deutschen. Von den anderen
EU-Problemstaaten verlangt sie das diametrale Gegenteil.
Sie
meint, daß man die Verhungernden am besten durch Essensentzug heile. (…………………)
Drei
Jahre später entfaltet „Merkels Gift für Europa“ seine volle Wirkung.
Griechenland am Boden, die Austeritätspolitiker sind weggejagt. Und all das
nur, weil Merkel den Hosenanzug wie immer zu voll hatte, um ihren Wählern
reinen Wein einzuschenken
[….]
Alles sorgt sich um Athens neuen Kurs.
Doch nicht Griechenland ist das Problem, sondern Deutschland. Denn das rigide
Spardiktat der Kanzlerin hat die Griechen in die Rezession gestürzt. Nun muss
ein Linker den Kapitalismus retten.
Das Spiel ist
eröffnet. Die Spieler heißen Alexis Tsipras und Angela Merkel. Der linke
Volkstribun gegen die Frau ohne Eigenschaften. Auf dem Tisch liegt die
griechische Staatsschuld in Höhe von rund 320 Milliarden Euro. Auf dem Tisch
liegt die griechische Jugendarbeitslosigkeit, die bei über 50 Prozent liegt.
Auf dem Tisch liegt die griechische Selbstmordrate, die seit Beginn der Krise
gestiegen ist. Und auf dem Tisch liegt das deutsche Dogma, dass Schulden von
Schuld kommen und es keine Gnade gibt.
Aber es liegt beileibe
nicht nur an den Griechen, dass die Zukunft des Euro, die Zukunft Europas zu
einem Pokerspiel geworden ist. Die Griechen haben Fehler gemacht. Aber die
Fehler der Europäer, der Deutschen vor allem, waren schlimmer.
Was war denn das für
eine Idee - dass ein Land sich aus der Krise heraussparen kann? Paul Krugman
hat jetzt in der "New York Times" geschrieben, dass das in der
Geschichte noch nie funktioniert habe. Und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat
im amerikanischen Fernsehen noch mal vorgerechnet: Als die Krise begann,
machten die griechischen Staatsschulden 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
aus. Inzwischen stehen sie bei 170 Prozent. Das Rezept, das Frau Dr. Merkel und
die europäischen Chefärzte fürs Sparen den Griechen ausgestellt haben, war in
Wahrheit Gift.
Angela Merkel - und
hier kann man mal einen historischen Prozess an einer einzelnen Figur
festmachen - hat Griechenland in eine Rezession gestürzt, die schlimmer ist als
die berüchtigte Große Depression der USA. Manche Griechen vergleichen Merkel
jetzt sogar mit Hitler.
Im Zweiten Weltkrieg
wollten die Deutschen Europa erobern. Das ging schief. Man hat ihnen nach der
Niederlage dennoch die Hälfte ihrer Schulden erlassen und beim Wiederaufbau
geholfen. Die Griechen, denen man von Korruption bis Schlamperei alles Mögliche
vorwerfen kann, sind nicht einmal in die Nähe solcher Schuld geraten. Dennoch
wurde ihnen ein Sozialvernichtungsprogramm zugemutet, das keine demokratische
Gesellschaft aushalten kann.
Es sollte den
Deutschen, der Amerika-Freundin Merkel zumal, zu denken geben, dass man ihren
volkswirtschaftlichen Dogmatismus von der anderen Seite des Atlantiks aus nur
mit Kopfschütteln quittiert. Um Recht zu behalten, riskiert man keine
Rezession. [….]
Was für
ein unerträglich heuchlerisches Gejammer jetzt in Deutschland herrscht: “Hilfe,
jetzt sind in Athen die Radikalen am Ruder!”
Daß
jemand wie Tsipras Regierungschef wird, war einerseits so absehbar wie das Amen
in der Kirche und ist andererseits ein vergleichsweise großes Glück, wenn man
das Erstarken der Rechtsradikalen in Ländern wie Frankreich betrachtet.
In den vergangenen
fünf Tagen ist das Ausmaß von Angela Merkels katastrophaler Anti-Krisenpolitik
so deutlich geworden wie nie zuvor. Die von ihr erzwungene Sparpolitik führte
zu Deflation im Euroraum und zu Dauer-Rezession in Südeuropa. Die Gegenreaktionen
auf diese Politik kamen binnen weniger Tage aus Frankfurt und Athen.
Die Europäische
Zentralbank kauft jetzt Staatsanleihen. Und in Griechenland regiert fortan wohl
eine Koalition aus Linken und Rechten, die letztlich vor allem eines eint: die
Wut auf Merkel.
Ich
prophezeie hiermit, daß es nicht nur die Pasok zerreißen wird, daß außer
Griechenland noch weitere EU-Länder Regierungen bekommen werden, die nicht
buckelnd „ja und Amen“ zu Schäubles Diktat sagen werden.
Als
nächstes könnte Spanien „kippen“.
Und
womit? Mit Recht!
[….]
Podemos ("Wir können") heißt
die spanische Entsprechung zur griechischen Syriza. Nach dem Wahlsieg der
Syriza sieht sich die Partei im Aufwind - und auch in Umfragen liegt sie vorn.
Beide Parteien haben neben gemeinsamen Zielen ein gemeinsames Feindbild.
Pablo Iglesias von
Podemos hat es immer gesagt: der Wandel in Europa geht vom Süden aus. Das ist
zumindest sein Plan. Und schon in der Nacht sagt der Spitzenkandidat der
radikalen Linkspartei Podemos im Fernsehsender la sexta zur Wahl in
Griechenland: "Ich glaube, der klare Sieg von Syriza wird etwas Neues
bewirken: Die Griechen werden einen wirklich griechischen Präsidenten haben,
keinen Abgesandten von Angela Merkel, und dieser griechische Präsident wird die
Interessen seines Landes und seines Volkes in den Vordergrund stellen."
[….]
Überhaupt Angela Merkel: Eigentlich
vergeht kein Tag, an dem die Podemos-Spitzenkräfte ihren Namen nicht in
irgendeinem negativen Zusammenhang in den Mund nehmen. Im Wahlkampf ist
Iglesias eigens nach Athen gefahren und hat Alexis Tsipras dort unterstützt.
Schon vorher hatte er eigene deutliche Videobotschaften verschickt: "Meine
Botschaft an die Griechen ist klar", sagt er darin: "Es gibt nur zwei
Kandidaten im griechischen Wahlkampf: der eine Kandidat ist Angela Merkel und
dieser Kandidat wird repräsentiert durch Pasok und Neue Demokratie und der
andere Kandidat, der griechische Kandidat ist Alexis Tsipras."
[….]
Das Besondere an Iglesias ist: Der
Uniprofessor spricht zunächst einmal Englisch, was ihn von den meisten
spanischen Spitzenpolitikern unterscheidet. Er ist charismatisch, sein
Spitzname lautet "coletas" wegen des Pferdeschwanzes. Er trägt sein
Haar lang, bleibt immer freundlich.
Die anderen Politiker
in Spanien kriegen offensichtlich langsam ein bisschen Angst: Podemos führt
konstant seit Wochen in den Umfragen, liegt vor der regierenden Partei Partido
Popular (PP) und weit vor den Sozialisten. Und das in einem Jahr, in dem in
Spanien im Herbst Parlamentswahlen abgehalten werden, im Frühjahr
Kommunalwahlen und jetzt auch noch in der größten autonomen Gemeinschaft
Andalusien vorgezogene Neuwahlen im März vor der Tür stehen. [….]