Wenn die
christlichen Kirchen Deutschlands einen Funken Anstand hätten, würden sie im Unionsstreit massiv Stellung beziehen, Seehofer
auffordern das „C“ aus dem Parteinamen zu streichen und von Söder verlangen
seinen „Kreuzerlass“ zurückzunehmen.
Oder wie verträgt sich das mit Jesu Nächstenliebe Menschen in Not an den Grenzen wegzujagen?
Oder wie verträgt sich das mit Jesu Nächstenliebe Menschen in Not an den Grenzen wegzujagen?
Aber was
verwende ich das Wort „Anstand“ in einem Satz mit professionellen
Kinderfickerbeschützern und raffgierigen Homophoben?
[…..]
Die vergangenen Wochen haben gewaltigen
Schaden angerichtet. Vor allem CSU-Politiker haben massiv Ängste vor zu vielen
Flüchtlingen geschürt, haben mit Worten wie "Asyltourismus" oder
"Systemversagen" Fremdenfeinden und Verächtern des Staates und seiner
Institutionen in die Hände gespielt. Zwischen CDU und CSU, den Koalitionspartnern
in schwierigen Zeiten, herrscht nun ein noch viel tieferes Misstrauen als
bisher schon und hier und da auch Hass. [….]
Die
verzweifelten Heimatvertriebenen sind Seehofer und der CHRISTLICH-SU vollkommen
egal; die sollen jedenfalls woanders verrecken.
[…..] Mit seiner Agitation gegen Merkel befördert
Seehofer eine Politik, die Tausende von Opfern fordern wird. […..] Beim Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 waren
es militante Weltkriegsveteranen, die gegen Berlin marschierten, um die
Republik zu kippen. Beim Seehofer-Söder-Putsch vom Juni 2018 sind es militante
Wahlkämpfer, die gegen Angela Merkel marschieren, um - ja was eigentlich?
In vielem erinnert
das, was die CSU gerade anstellt, an den wütenden Aktionismus von autoritär
veranlagten Menschen wie Donald Trump oder ähnlichen, die einfach keine Lust
mehr haben auf demokratische Spielregeln und das politische Prozedere und
schlicht Taten schaffen wollen, kostete es, was es wolle, und ganz egal ist
dabei auch, dass sie keinen wirklichen Plan haben für das, was passieren soll,
wenn sie alles kurz und klein geschlagen haben. […..]
Die Toten des
Kapp-Lüttwitz-Putsches, mehr als 1000, liegen zumeist auf Friedhöfen, es gibt
Ehrengräber und Gedenktafeln. Die Toten des Seehofer-Söder-Putsches, die Zahlen
sind zukünftig und schwer abzuschätzen, mehrere Zehntausend sind bislang auf
der Flucht nach Europa umgekommen, sind oft Futter für die Fische.
[…..]
Safranski, der preiswürdige Putschist,
legt dann noch eines nach, er bestreitet den Erfolg von Integration, er
bestärkt den gesellschaftlichen Egoismus, das Ausgrenzen und die globale
Ungleichheit - der Reichtum des Westens aber kann nur mit Gewalt geschützt
werden, so suggeriert er, "und deshalb wird der effektive Schutz der europäischen
Außengrenzen kommen".
Europa, so sagt er,
und man sieht ihn schmunzeln, "wird sich hier etwas für die neue Situation
Angemessenes einfallen lassen".
Wie wäre es mit dem
Schießbefehl? […..]
Menschen,
die im Gegensatz zu AfD- und CSU-Fans auch nur Rudimente von Anstand und Moral
haben, würden Menschen in so einer Not helfen.
Konservative
und Christen wollen das aber nicht, obwohl gerade die Deutschen besonders viel Anlass
haben großzügig zu sein:
Deutschland ist das mit Abstand stärkste Land der EU. Deutschland ist der größte Profiteur der EU, weil es auf Export in die EU-Ländern angewiesen ist und zudem die sehr viel ärmeren europäischen Länder im Süden und Südosten die Außengrenzen bilden.
Deutschland ist das mit Abstand stärkste Land der EU. Deutschland ist der größte Profiteur der EU, weil es auf Export in die EU-Ländern angewiesen ist und zudem die sehr viel ärmeren europäischen Länder im Süden und Südosten die Außengrenzen bilden.
Deutschland
ist zudem durch seine Vergangenheit, als Hunderttausende nur überleben konnten,
weil die aus Deutschland Flüchtenden großzügig von anderen Nationen aufgenommen
wurden, moralisch verpflichtet.
Und
schließlich ist Deutschland auch einer der größten Verursacher der Fluchtgründe,
weil es brutale Mörderregime wie das in Eritrea direkt polizeilich, logistisch
und finanziell stabilisiert.
(….)
Natürlich, auch Merkels Führungsversagen ist eklatant. Drei
Jahre hat sie Däumchen drehend verstreichen lassen, international zu keiner
Einigung gefunden, kontinuierlich durch ihre Politik die Fluchtursachen rasant
weiter angeheizt – Stichworte Waffenexporte in Krisenregionen, Aufgabe aller
Klimaschutzziele, katastrophale EU-Agrarpolitik zu Lasten Afrikas, Leerfischen
der afrikanischen Meere, Nichteinhaltung der Entwicklungshilfezahlungen, - und
sich schließlich aus Angst vor der AfD sukzessive auf eine völlige
Grenzschließung eingelassen. (….)
(Let’s go crazy, 16.06.2018)
(Let’s go crazy, 16.06.2018)
Abgesehen
vom moralischen Abgrund, den die CSU-Forderungen bedeuten, sind sie
insbesondere nicht praktikabel.
Nehmen
wir hypothetisch an, die Kanzlerin schwenke auf CSU-Kurs ein, was an sich schon
extrem unwahrscheinlich ist, da ihre Autorität aufgebraucht wäre:
Dann
wäre die Koalition ebenfalls zu Ende, weil das eklatant dem Koalitionsvertrag
widerspräche. Die SPD würde das keinesfalls mitmachen, weil es die ohnehin
extrem gebeutelte Partei, die nur unter größten Schmerzen und Mühen überhaupt
in die GroKo ging und gegenwärtig eine schwache, von vielen nicht akzeptierte
Führung hat, zerreißen würde.
Nehmen
wir hypothetisch an, Nahles ließe nicht die Groko platzen, schwenkte ebenfalls auf
CSU-Kurs ein, was an sich schon extrem unwahrscheinlich ist, weil sie den
folgenden Aufstand ihrer Partei nicht im Amt überleben würde, dann müssten am
01.07.2018 alle deutschen Grenzübergänge kontrolliert werden.
Das ist
gar nicht möglich; dafür fehlen mindestens 5.000 Stellen und das
Bundesinnenministerium scheitert ja schon seit Jahren daran die wenigen hundert
Stellen bei Bamf, Lageso und Co zu besetzen.
Nehmen
wir hypothetisch an, durch ein Wunder tauchten zehntausend motivierte und
ausgebildete Grenzpolizisten auf, die nur darauf warteten ihren Dienst zu
beginnen und alle Grenzübergänge 24/7 vollständig zu überwachen.
Der
Effekt wäre ein enormer ökonomischer Schaden für den „kleinen Grenzverkehr“ und
den örtlichen Tourismus. Flüchtlinge ohne entsprechende Papiere könnten
problemlos die offiziellen Übergänge meiden und die tausenden Kilometer nicht
befestigte grüne Grenze nutzen.
Deutschland
müsste vollständig eingemauert werden.
Nehmen
wir hypothetisch an, durch ein Wunder tauchten zehntausend motivierte und
ausgebildete Grenzpolizisten auf und Horst Seehofer könnte über Nacht 4.000
Kilometer überwachte Mauern bauen und finanzieren, was an sich schon extrem
unwahrscheinlich ist, wenn man an den gegenwärtigen Stand deutschen
Planungskönnens denkt – BER, Elphi, Stuttgart21 – dann würde zumindest
Österreich ebenfalls sofort seine Grenzen schließen und alle nach Europa
fliehenden Migranten würden im armen Griechenland, sowie Malta, Zypern und
Italien festsitzen. Die vier Staaten würden sich zu Recht gegen den
Groß-Profiteur und Großexporteur Deutschland wehren, indem sie die EU insgesamt
durch Vetos lahmlegten.
Oder,
die viel praktischere Alternative wäre, wenn Griechenland und Italien strandende
Migranten eben nicht mehr registrieten und sie unregistriert bis
Deutschland kämen. Dort könnte auch die CSU sie nicht abweisen, weil das nach
dem Dublinverfahren illegal wäre.
Seehofer
kann und will nur zuvor in anderen Ländern registrierte Flüchtlinge an der
Grenze abweisen und zurückschicken. Wenn das aber Realität würde, weshalb
sollten Athen und Rom sich die Mühe machen die Menschen vorher bei ihnen zu
registrieren?
Was
Seehofer, Söder, Scheuer und Doofbrindt wollen ist also großer Unsinn, der
praktisch nicht durchführbar ist.
Das
wissen sie auch, aber ihnen geht es nur darum die verhasste Kanzlerin zu
demütigen und vor ihrer xenophoben bayerischen Wählerschaft am 14.10.2018 sexy
zu sein.
Dabei
haben sich die Christsozialen so sehr in eine Sackgasse manövriert, daß
Seehofer eigentlich jetzt schon mit seiner Entlassung rechnen muss.
Aus dem
oben genannten Gründen und auch, weil Merkel aus Prinzip nicht den Kotau vor
der rechten Schwester machen kann, werden ihre Forderungen auch in zwei Wochen
unerfüllt bleiben.
Allein,
daß sich die 13 Jahre amtierende Kanzlerin von einem wirren Greis in
Wahlkampfmodus Ultimaten setzen lässt, hat sie schon schwer beschädigt. Da
hilft die heute ausgehandelte 14-Tage-Schonfrist auch nichts mehr.
[…..] Zwei
Wochen also. Zwei Wochen hat Angela Merkel als letzte Frist bekommen. Zwei
ganze Wochen will Bundesinnenminister Horst Seehofer seiner Kanzlerin im Streit
um seinen Migrationsplan gewähren, um eine europäische Lösung zu finden. […..][…..]
Das freilich sagt schon alles. Es sagt
alles aus über eine Union aus CDU und CSU, die diesen Namen nicht mehr verdient
hat. Was Angela Merkel und Horst Seehofer seit drei Jahren aufführen, ist ein
unwürdiger Akt. Dieses Land hat andere Probleme zu lösen als den
Rechthaberstreit zwischen dem Kanzleramt und der CSU. Trump, Putin, Chinas
Ambitionen - haben die beiden kein Gefühl mehr für wahre Prioritäten? Ist es
angemessen, trotz deutlich gesunkener Flüchtlingszahlen dieses Spektakel aufzuführen?
Es ist ein politischer
Skandal, dass Merkel wie Seehofer immer weiter streiten - und dabei
verschweigen, dass sie das Land in den letzten Jahren mit mehreren
Asylverschärfungspaketen längst massiv verändert haben. Merkel spricht es nicht
offen aus, weil sie um ihren Ruf fürchtet; Seehofer redet nicht drüber, weil
sonst jeder sehen würde, wie absurd er handelt.
Dabei ignorieren
beide, dass über die Schicksale von Flüchtlingen im Jahr 2018 kaum mehr
gesprochen wird, dafür aber über die vermeintlichen Nöte der AfD-Wähler. Merken
die Beteiligten nicht, wie sie die Rechtspopulisten stärken? Realisieren sie
nicht, wie sehr sich die Stimmung im Land verändert?
Bei alldem wirkt das Gerede
aus Bayern, man müsse den Rechtsstaat wieder vom Kopf auf die Füße stellen,
besonders vergiftend. Diese Sprüche ähneln so sehr der AfD-Rhetorik, dass man
sich fragen muss, was die CSU als Nächstes loslässt. […..]
Ihren
Amtseid haben die beiden christlichen Parteiführer schon so eklatant verletzt,
daß Gott schon an einem Herzinfarkt gestorben wäre, wenn es ihn gäbe.
Ein
derartiges Regierungsversagen ist Neuland in Berlin. In der größten bisherigen
Vertrauens-, Parteien- und Politikerkrise tun beide Unionschefs alles dafür die
AfD noch stärker zu machen; Nazis und Reichsbürger zu motivieren.
Fast entwickele
ich schon rudimentäre Sympathien für Merkel, weil sie sich immerhin nun doch
gegen Crazy Horst stemmt.
Aber sie
tut das aus rein egoistischen Motiven und ist nun zu einer europäischen Asyllösung
verpflichtet.
Eine Mission
Impossible innerhalb eines Zweiwochenzeitrahmens mit einem rechtsradikalen Putin-Bewunderer in Rom als
Hauptgesprächspartner.
Tja Merkel, dafür hätte man drei Jahre früher
aufstehen müssen und nicht vorher vom ollen Schäuble das europäische Porzellan
zerschlagen lassen dürfen.
[….]
Ganz Berlin ist ja eine Bühne und im
Moment spielt auch in der Bundesoper ein Stück schottischer
Familienaufstellung: das große Drama um Merkels Ende. Schade, dass Verdi und
Shakespeare tot sind. Sie könnten hier eine Menge lernen, was Wahnsinn angeht
und Skrupellosigkeit.
[…..]
Bei Verdi singt Lady Macbeth: "Der
Weg zur Macht ist voll von Verbrechen, und wehe dem, der unentschlossen ist und
zurückschreckt!" Keine Sorge: Die Neigung, Verbrechen zu begehen, steigt
bei der CSU mit jedem Tag, den die Bayernwahl näher rückt. Verdis Libretto
liefert das Skript für den CSU-Wahlkampf: "Oh Wollust der Macht! Szepter,
endlich bist du mein! Jedes irdische Verlangen verstummt und wird durch dich
gestillt." Das ist gewissermaßen O-Ton Markus Söder.
[…..]
Merkel hätte nicht noch einmal antreten
dürfen. Da vom ersten Tag an klar war, dass diese Amtszeit ihre letzte sein
würde, läuft seit dem ersten Tag die Suche nach der Nachfolge. […..] Die Deutschen könnten es mit einer schwachen
Regierung schon ein paar Jahre aushalten. Dann bleiben die unerledigten
Probleme dieser Kanzlerschaft - Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur,
Integration, Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit - halt noch länger unerledigt.
Die Deutschen haben sich an niedrige Löhne und fehlende Lehrer gewöhnt, und
daran, dass die Bahn zu spät oder gar nicht kommt. Die Deutschen sind genügsam.
Aber Europa kann nicht warten. Europa braucht eine starke deutsche Regierung so
dringend wie nie zuvor. Und genau die kann Merkel nicht mehr gewährleisten.
[….]
Nun ist
die CDU in gewaltigen Schwierigkeiten; Merkel könnte statt der angestrebten 16
Jahre bloß 13 Jahre an der Macht bleiben.
Die
Bayern sind so hoch auf die Bäume gekraxelt, daß sie nicht mehr zurückkommen
können, ohne sich zu Tode zu stürzen.
[…..] zu sehr
sind Peter Altmaier, Volker Kauder und andere bemüht, "alles zu
versuchen", um den Crash zu verhindern. Solche Hinweise freilich können
viele in der Partei auch nicht mehr wirklich beruhigen. Als zu hart wird
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mittlerweile wahrgenommen, als zu
widersprüchlich der Bundesinnenminister. Und es gibt eine nicht unerhebliche
Zahl derer, die Merkels Politik für falsch - und den anti-europäischen Duktus
der CSU trotzdem für einen hochgefährlichen Orientierungsverlust halten. Ihr
Grundgefühl, ausgedrückt von einem besonders prominenten Konservativen:
"Für die Union ist es scheiße - und für Deutschland ist es eine
Katastrophe."
Merkels Vertraute
kämpfen gleichwohl um deren politisches Überleben - und sind entsetzt darüber,
wie sehr Söder einen internationalen durch einen nationalen Blick eingetauscht
hat. "Der agiert strammer als die AfD", schimpft einer aus der
Parteispitze. Das schmerzt und wirkt, als seien Brücken unmöglich geworden.
[…..]
Nicht viel besser fällt das aktuelle
Urteil über Horst Seehofer aus. Kopfschüttelnd reagierten viele in der Führung
auf die Doppelbotschaft, die er am Sonntag ausstreute. Erst wurde bekannt (und
in der CDU geglaubt), dass der Innenminister in einer kleinen CSU-Runde am
Donnerstag gesagt habe, mit Merkel könne er nicht mehr kooperieren. […..] In der CDU-Spitze hat sich der Eindruck
festgesetzt, dass es der CSU wider alle öffentlichen Erklärungen mittlerweile
fast nur noch darum geht, die Kanzlerin loszuwerden, notfalls auch mit einem
Bruch der Fraktionsgemeinschaft. […..] Ja,
so die Furcht unter Berliner Christdemokraten, es gehe um das Ziel, die
nationalistische Karte zu spielen. "Kurz, Orbán, auch Trump sind die
Vorbilder", heißt es in Führungskreisen. […..]