Dienstag, 2. Mai 2017

Being a dick



Es wird viel beklagt, daß wir gar nicht mehr miteinander sprechen. Jeder lebt in seiner einigen Meinungsblase. AfD-Hörige, Montagsdemonstranten und Peginesen haben längst ihre eigenen Nachrichtenquellen, die unabhängig von der Realität funktionieren.
Genauso ist es in Amerika. In Harrisburg, PA, jubelten Tausende fanatische Trump-Anhänger frenetisch ihrem Führer zu, als ob es das 100-Tage-Desaster gar nicht gäbe.
Ein bizarrer Zeitreise-Trip zurück ins Jahr 2016.

[…..]  "This was the most divisive speech I've ever heard from a sitting American president," CNN’s David Gergen said.
Gergen complained that Trump played to his base and treated opponents like the enemy. "I think it was a deeply disturbing speech," said Gergen, who has served four presidents.
Kate Bennett, a White House reporter for CNN, […..]  later tweeted: “@realDonaldTrump proving again my ‘vampire’ theory. He needs to leave the bat cave (WH) for sustenance (rally cries) every few weeks.”
Any wonder why Trump hates the press?
On Saturday, he attacked CNN (“fake news”), MSNBC (“fake news”), The New York Times (“incompetent, dishonest people”) and the media in general (“a disgrace”).
Trump said he was happy to skip the White House Correspondents' dinner: “I could not possibly be more thrilled than to be more than 100 miles away from Washington's swamp, spending my evening with all of you and with a much, much larger crowd and much better people.” […..]

Während unsereins sich also am großartigen Hasan Minhaj beim WHCA labt, ejakulieren Myriaden Amerikaner vor Glück, daß Trump dort nicht erscheint und wie besessen auf die Presse eindrischt.

Ich vermisse die Zeit, als man noch um Konzepte stritt, als man sich die Köpfe darüber heiß diskutierte, mit welcher politischen Methode man ein Ziel erreichen könnte.
Politik, wie ich sie in der Schule lernte. Es gibt ein Konzept A und ein gegensätzliches Konzept B. Für beide gibt es eine Reihe Argumente, die man in einer sachlichen Diskussion austauscht und auf ihre Tauglichkeit prüft.

Erreicht man Frieden in Europa mit einseitiger Abrüstung oder eher mit der Stationierung von Pershing II-Raketen, um zu zeigen, daß man nicht angegriffen werden kann?

Kommt es eher zu Reichtum für alle, wenn man Unternehmen entlastet und entfesselt, damit sie investieren und die Wirtschaft ankurbeln? Oder ist es sinnvoller die Nachfrage und Verbraucher zu stärken, damit die Unternehmen ihre Waren absetzen können?

Funktioniert die Krankenversicherung eher mit einer von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechend der Lohnhöhe bezahlten Abgabe, oder sollte man mit einer Kopfprämie kalkulieren?

Bekommen die Verbraucher einen viel besseren Service von den Telefonanbietern, Wasserwerken und Stromerzeugern, wenn diese privatisiert sind und im Wettbewerb zueinander stehen, oder ist letztendlich eine staatliche Grundversorgung gerechter und sicherer für alle?

Macht man den Verkehr ökologischer, indem man Vielfahrer per Maut zur Kasse bittet, oder funktioniert so eine Steuerung besser über die Benzinsteuer?

Kann man mittels Trickle-down-Wirtschaftspolitik den einfachen Arbeitern nachhaltiger helfen, als mit direkten Sozialleistungen?

Es gab über solche Fragen immer viel zu diskutieren und diese Gespräche lohnten sich, weil man gemeinsam an einer Verbesserung der Verhältnisse interessiert war.
Diese Diskussionen blieben immer interessant, weil die Realität ein ständiger Test der Praxistauglichkeit war.
Zehn Jahre lang waren 90% der Wirtschaftswissenschaftler und gefühlte 95% der deutschen Journalisten Anhänger des Neoliberalismus. Alle Fesseln und Regulierungen sollten gelockert werden, der Staat müsse sich zurückziehen.
Friedrich Merz, Held der Springerpresse und aller Konservativen legte sein Programmbuch „Mehr Kapitalismus wagen“ vor. Der Mann sollte Kanzler werden.
Sharholder Value, Privatisierung der Konzerne und Privatvorsorge waren die Zauberworte, auf denen Guido Westerwelle in die Bundesregierung ritt.

Die Monsterfinanzkrise von 2008/2009 widerlegte diese Theorien eindrucksvoll.
So eindrucksvoll, daß auch CDU-MPs und Bürgermeister heute mühevoll und teuer die eben noch privatisierten Stadtwerke zurückkaufen.

Trickle-Down wurde in den USA sogar mehrfach mit Gewalt versucht. Reagan, GHB und GWB regierten so und endeten jedes Mal in einem gewaltigen Staatsdefizit und mehr Arbeitslosigkeit.
Auch diese Wirtschaftspolitik kann man als widerlegt ansehen.

Schön wäre es also mit einem Herrn Trump, der genau das offensichtlich wieder versucht zu diskutieren, ob das eigentlich sinnvoll ist.

Wir haben es aber bei heutigen Rechten zumindest in den USA mit postargumentativen Fanatikern zu tun, die nicht etwa auf anderen Wegen das Gute wollen, sondern aus offensichtlicher Bosheit anderen schaden möchten.

Trump ist kein politischer Präsident und seine Anhänger sind auch keine programmatische Partei.
Er ist nur ein rechter Humunculus der sozialen Netzwerke, mit dem die Doofen der USA ihren Hass kultivieren können.

 [….] Er lädt den philippinischen Mörder-Präsidenten Rodrigo Duterte ins Weiße Haus ein, wenige Tage nachdem er Recep Tayyip Erdogan zu seinem Referendums-Erfolg gratulierte. Und hat er nicht kürzlich eine Art Wahlempfehlung für Marine Le Pen ausgesprochen? [….] Trump ist, wenn man ehrlich ist, ein schlechter Populisten-Präsident. Das ist die gute Nachricht. Er folgt keiner Ideologie und hat sich offenbar kein größeres Ziel gesetzt, als sich selbst zu gefallen. [….] Er ist ein lausiger Autokrat; er nutzt seine populistische Macht nicht, um auch seine politische Macht zu festigen.
Kein vernünftiger Populist und Autokrat wäre auf die Idee gekommen, in den ersten hundert Tagen den eigenen Wählern die Gesundheitsvorsorge wegzunehmen oder alleine den Reichen einen Steuernachlass zu schenken. Jeder Autokrat hätte als erstes seine Anhänger im Parlament mit Geschenken gefügig gemacht, sich zweitens mit einer Dreierkette von loyalen Zuträgern umgeben und drittens das Regelbuch der Demokratie zu den eigenen Gunsten manipuliert.
[….] Trump aber ist kein Erdoğan oder ein Putin, er ist lediglich ein eitler Bauunternehmer aus Manhattan. Er interessiert sich nicht für die Maschine Washington und glaubt, eine Supermacht mit einer Handvoll Vertrauter steuern zu können. [….]

Man kann nicht vernünftig mit Anhängern eines derart dummen Mannes diskutieren.


Trump und seine Anhänger sind nicht satisfaktionsfähig. Sie sind mächtig, aber erschreckenderweise und gleichzeitig glücklicherweise mächtig doof.

Chef-Ignorant
[….]  "Wer hätte gedacht, dass Gesundheitspolitik so schwierig ist", hat Trump einmal gesagt, kurz bevor sein erster Versuch scheiterte, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama abzuschaffen. Das war ein entlarvender Spruch, denn natürlich weiß jeder, der sich in den USA auch nur am Rande mit Politik beschäftigt, dass es nichts Schwierigeres gibt als Gesundheitspolitik. In diesem Satz steckte Trumps gesamte Ahnungslosigkeit - samt der Frustration darüber, dass er weder wusste noch weiß, wie er eigentlich regieren soll.
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Themen, bei denen Trump und die Amateure, mit denen er sich im Weißen Haus umgeben hat, derartige Wer-hätte-das-gedacht-Momente erlebt haben. Mexiko will nicht zig Milliarden Dollar für die Mauer an der Grenze bezahlen und der Kongress auch nicht? Wer hätte das ahnen können? In Syrien ist ein komplizierter Krieg, und Russland hat dort andere Interessen als die USA? Wer hätte das gedacht? Der Präsident kann nicht einfach Millionen Muslimen die Einreise in die USA verbieten? Wer hätte wissen können, dass in einem Rechtsstaat das Wort eines Richters mehr Gewicht hat als das des Präsidenten? [….] Wer respektiert einen Präsidenten, der davon schwärmt, dass er "eine Armada" Richtung Nordkorea entsandt habe, wenn der zu dieser Armada gehörende Flugzeugträger in Wahrheit 5000 Kilometer entfernt durch die See dampft? Außer der Tatsache, dass er unberechenbar ist, hat Trump bisher keine politische Strategie entwickelt. Aber es ist eine Unberechenbarkeit, die nicht in Überzeugungen und Kalkül, sondern in Unwissen und Sprunghaftigkeit wurzelt. [….]

Das Phänomen Trump macht die klassische Herangehensweise an Politik – Analyse, Diskussion, Urteil – unmöglich.

Es gibt außer diffusem Hass auf alles Linke und Multikulturelle keine inhaltliche Richtschnur der GOP in Amerika.

Auch der republikanische Kongress entscheidet nicht mehr gemäß einer Überzeugung wie man etwas Gutes erreichen kann, sondern sie folgen tatsächlich Bill Mahers Vorgabe „Was würde ein Arschloch tun?“.

Auch wenn es keinen Gewinner gibt und allen geschadet wird, setzt die gegenwärtige US-Regierung Dinge nur für das wohlige Gefühl durch anderen weh zu tun, ihnen etwas zu nehmen.

Republikanisches Regieren erinnert mich sehr an den antitürkischen Witz, der von Deniz Yücel nacherzählt direkt ins Gefängnis führte.

„Ein Türke und ein Kurde werden zum Tode verurteilt. ‚Was ist dein letzter Wunsch?‘, wird der Kurde vor Vollstreckung gefragt. Er überlegt kurz und sagt dann: ‚Ich liebe meine Mutter sehr. Bevor ich aus dieser Welt scheide, möchte ich noch einmal meine Mutter sehen.‘ Dann darf der Türke seinen letzten Wunsch äußern. Ohne zu zögern antwortet er: ‚Der Kurde soll seine Mutter nicht sehen.‘“

Auf die GOPer übertragen erklärt es Bill Maher so:


Selbst wenn die großen Öl-Konzerne sich für den Klimaschutz aussprechen, selbst wenn die großen Tech-Industrien für Immigration und Steuererhöhungen votieren, sind Republikaner dagegen. Auch wenn sie allen schaden, es keine Gewinner gibt. Sie sind zutiefst destruktiv.

Ein klassisches Beispiel für die What-would-a-dick-do-Ideologie meldet das Weiße Haus auch heute wieder.
Da machte das Land mit den dicksten Menschen der Welt und den höchsten daraus resultierenden Gesundheitskosten endlich mal ganz langsame Schritte, um die Adipositas-Epidemie einzudämmen  - selbst GWB engagierte sich schon dafür – und nun kommt Trumps pure evilness.

[….] Trump-Regierung kippt Vorgaben für gesundes Schulessen
[….] Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat sich eines der wichtigsten politischen Anliegen von Michelle Obama vorgeknöpft - den Kampf der früheren First Lady für gesünderes Essen für Kinder. [….] Offiziellen Zahlen der Gesundheitsbehörden zufolge ist jedes sechste Kind in den USA übergewichtig oder fettleibig. Laut einer aktuellen Studie der Bloomberg School of Public Health an der Johns-Hopkins-Universität könnten in den USA Gesundheitskosten in Milliardenhöhe eingespart werden, wenn Kinder sich gesünder ernährten und mehr bewegten.
Die US-Regierung hat jedoch offenbar Sorge, das Essen könnte den Kindern nicht mehr schmecken. [….] Laut CNN und "Washington Post" will die US-Regierung unter Trump auch das Programm "Let Girls Learn" einstampfen. Das Projekt wurde ebenfalls von Michelle Obama ins Leben gerufen und soll die Bildung junger Frauen in Entwicklungsländern fördern. [….]

Dank Trump werden amerikanische Kinder nicht nur noch fetter, sondern er bekämpft auch Bildung.

Trump administration memo calls for ending Michelle Obama's girls education program. [….]

Das schadet zwar allen, aber das Weiße Haus kann sich darüber freuen der extrem beliebten Michelle Obama eins auszuwischen.


Immerhin also eine Konstante in Trumps erratischem Tun: What would a dick do?