Dienstag, 18. Oktober 2022

Schlechte schaffen mehr Schlechtes – Teil I

 

In dieser Weltlage blickt kaum noch jemand optimistisch in die Zukunft. Der Pessimismus zieht sich von der Käsethekenbedienung im Supermarkt bis zum DAX-Vorstand. Alle gruseln sich ob der näheren Zukunft.

Für viele ist das ungewohnt und dementsprechend deprimierend.

Nur ich bin fein raus, weil ich ohnehin nie Optimist war und als Misanthrop nie Hoffnungen in die Menschheit setze. Für mich ist das alles erprobter Normalzustand. Ich kenne das Gefühl schon vom Lockdown, als in der veröffentlichten Meinung ausschließlich Menschen vorkamen, die unter der sozialen Isolation litten, die Freunde treffen wollten, sich nach Restaurantbesuchen sehnten, die es in Fußballstadien, zum Ballermann oder in den Puff zog. Was die sich alle verkneifen mussten und zu Hause an Langweile erlebten.

Als Sozialphobiker war ich hingegen fein raus. Ich vermisste gar nichts und kenne ohnehin keine Langweile.

Die drohende Atomapokalypse stört mich ebenfalls fast gar nicht, weil meine Elterngeneration bereits vollständig weggestorben ist. Da ist niemand mehr, um den ich mich sorgen müsste. Kinder, Neffen oder Nichten, habe ich ohnehin nicht. Noch nicht mal ein Hamster oder eine Meersau, die ich behüten müsste.

Da fühlt man sich so frei.

Es gibt einen vierten Vorteil, den ich gerade genieße: Im Gegensatz zu großen Mehrheit in Deutschland, bin ich froh Olaf Scholz als Kanzler zu haben.

Über all die Eigenschaften, welche die veröffentlichte Meinung von ihm einfordert – mehr Charisma, auf den Tisch schlagen, flammende Reden halten, menschelnde Homestories, polterndes Vorangehen – verfügt er eben zufälligerweise nicht. Mir gefällt genau das. Ich will gar keinen Kanzler, der wie Söder oder Merz, jeden Tag danach trachtet, die Schlagzeilen zu bestimmen. Der dafür populistische Sprüche, Beleidigungen, oder donnernde Drohungen an die BILD durchsticht.

Ich will jetzt keinen Kanzler, der söderig im Bierzelt rumgrölt, sich halbnackt am Strand zeigt, oder manisch Katzen, Welpen und Bäume befummelt.

Ich habe ganz gern einen Kanzler, der genau nachdenkt, nicht dauernd vorprescht und von dem ich sicher sein kann, daß er nicht plötzlich irgendeinen Unsinn verzapft, der Deutschland in Riesenprobleme bringt.

Viele andere Nationen haben bekanntlich keineswegs das Glück, relativ entspannt auf ihre Regierung sehen zu können. Orbán, Erdoğan, Trump, Truss, Putin, MBS, Lukaschenko, Bolsonaro, Meloni, May, Johnson – es gibt hunderte von Millionen Menschen, die sich völlig zu Recht insbesondere vor dem Wahnsinn ihrer eigenen Führung fürchten müssten.

Genau genommen, ist es allerdings nur eine Minderheit der Bürger, die man für diese Schildaeske Trotteltruppe an der Staatsspitze bedauern muss. Die meisten haben diese Kanaillen selbst gewählt, oder konnte wie einhundert wahlberechtigte US-Amerikaner 2016 nicht ihren faulen Arsch hochbekommen, um ein Kreuzchen gegen Donald Trump zu machen.

Wir erleben gerade eine Zeit, in der in den westlichen Staaten so viele Menschen zu Wohlstand gekommen sind, daß sie konservativ wählen, ohne zu bemerken, daß die rechten Parteien längst keine konstruktive Politik mehr betreiben können, weil ihnen die Ideen ausgegangen sind. All konservativen Kernüberzeugungen haben sich entweder überlebt oder wurden als hanebüchene Irrtümer enttarnt.

Im Zeitalter der Globalisierung der Klimakatastrophe, ist Nationalismus nur noch Unsinn. Minderheiten zu unterdrücken, Schwule zu diskriminieren, Frauen schlechter zu behandeln, wurde zwar von den konservativen Religionen vorgegeben, aber der Säkularismus macht Homophobie, Antisemitismus und Xenophobie zunehmend unpopulär. Das betrifft aber fast alle konservativen Talkingpoints. Umweltschutz, Schonung der Ressourcen, Nachhaltigkeit, Fleischverzicht – all das worüber Fritze Merz noch spottet – ist längst wissenschaftlicher Konsens.

Insbesondere die konservative Wirtschaftspolitik, die hundert Jahre überall versucht wurde, ist empirisch gescheitert. Trickle Down funktioniert nicht. Wer wie Merz und Lindner immer noch tumb die Steuern der Superreichen senken will, erlebt lediglich wie sich ihre Vermögen exponentiell vermehren und gerade deswegen die Wirtschaft abschmiert. Die Mittelklasse kann keine Nachfrage mehr generieren, breite Schichten verarmen so sehr, daß immer mehr Transferleistungen notwendig sind.

Sie versuchen es noch, weil sie so mächtige Medienkonzerne und Interessengruppen an ihrer Seite haben, daß die Konservativen genügend verblödete Wähler dazu bringen können, sie zu Regierungschefs zu machen.

Aber wo diese Politik umgesetzt wird – Trump, Truss – wird das Land ins ökonomische Chaos und hochgefährliche soziale Spannungen geführt.