Freitag, 20. Dezember 2024

Unerträgliche gelbe Peinlichkeit

Kaum ein Gefühl ist so schlimm, wie das schockierte ohnmächtige Mitschämen, wenn ein anderer sich coram publico blamiert.

Sich für eigene Patzer zu schämen, ist harmloser, weil das Empfinden von Scham immerhin so viel Charakter und Anstandsgefühl voraussetzt, sich über die Peinlichkeit einer Situation oder des eigenen Verhaltens bewußt zu sein.

Als der Bundeskanzler am Montag nach seiner Rede zur Vertrauensfrage mit dem SPD-Fraktionschef Mützenich zusammenstand, kam die Parteivorsitzende Esken dazu; wurde aber von Scholz nicht bemerkt. Es sah so aus, als habe er sie brüsk stehen lassen. Die Medien diagnostizierten große Peinlichkeit.

Mein Mitschäm-Faktor war aber minimal, weil Scholz sich seines Fauxpas‘ sehr schnell bewußt wurde und souverän reagierte.

[….] SPD-Chefin Saskia Esken hat Bundeskanzler Olaf Scholz nach eigenen Worten verziehen, [….] "Olaf Scholz hat sich sehr warmherzig und umfangreich bei mir entschuldigt – und damit ist es für mich auch erledigt", sagte Esken nun der Nachrichtenagentur dpa. "Ich weiß, wenn man solche Reden hält, dass man sich dann in einer Art Tunnel befindet, wie auch jeder Künstler vor und nach dem Auftritt. Die Wahrnehmung nach außen ist ein Stück weit eingeschränkt und insofern habe ich Verständnis", sagte die SPD-Vorsitzende. [….] Zudem kritisierte die SPD-Politikerin die große Aufmerksamkeit, die das Thema erhielt. Dass von Medien aus der Szene eine "große Sache" gemacht werde und sie in sozialen Medien "auf eine Art und Weise missbraucht" werde, zeige, "auf welchem Niveau unsere Debatte stattfindet", sagte Esken.  Scholz hatte sich bereits kurz nachdem die Aufnahme online kursierte zu Wort gemeldet. "Saskia und ich haben uns das Video angeschaut. Peinlich von mir – zum Glück konnten wir beide darüber lachen", schrieb Scholz auf X und veröffentlichte dazu ein Foto, das ihn und seine Parteikollegin zusammen zeigt.  [….]

(Zeit, 18.12.2024)

Hier handelt es sich um eine unwillkürliche schuldlose Peinlichkeit, wie bei einem öffentlichen Furz. Ja, in dem Moment, in dem es dem Flatulierenden passiert, wirkt es auf die Umstehenden peinlich. Aber er kann nichts dafür und weiß selbst, wie unpassend das ist.

Hier handelt es sich also um minderes Mitschämen der untersten Kategorie.

Ganz oben in der Peinlichkeitsskala steht notorische Schamlosigkeit, bei der eine peinliche Tat stoisch und widerholt ausgeführt wird, weil der Scham-Verursacher gar nicht begreift, wie peinlich er wirkt. Donald Trump ist dafür ein gutes Beispiel. Die halbe Welt mokiert sich über seine unglaublich schlechte orange Schminke, seine abstruse Besessenheit von der fiktionalen Figur Hannibal Lecter oder den arhythmisch-grobmotorischen Double-Jerkoff Dance.

Trump ist aber zu borniert, um das wahrzunehmen. Er findet sich selbst immer fabelhaft und ist daher schlicht und ergreifend gar nicht in der Lage, Peinlichkeit zu empfinden. Die Frisur, seine Windeln und der offenbar üble Geruch, der ihn stets umgibt, zeugen davon. Es gehört zu seiner Grund-Dumpfheit, mit Klopapier am Schuh die Airforce One zu erklimmen.

Übertroffen wird der Mitschämfaktor nur noch von Typen wie Christian Lindner, die intelligenter als Trump sind. Linocchio passieren diese unglaublich peinlichen Momente nicht einfach wie Trump. Nein, er setzt sie bewußt ein, lässt sie von den Kameras ausleuchten und erfreut sich noch dabei.

Während Trump also achselzuckend in aller Öffentlichkeit in seine Windeln scheißt und ungerührt davon weitermacht, würde Lindner an seiner Stelle, auch noch stolz die exkremetierte Pampers hervorholen und direkt in die Kamera halten.

Als Lügenlindners Ampelsprengungs-Show aufflog, hatte er sich nicht nur öffentlich ausführlich selbst beweint, sondern inszenierte sich auch noch anschließend als Opfer, das auf die Straße gesetzt worden sei. Aber da fühle er sich wohl, auch wenn er nun finanziell so ausgeblutet sei, daß er nicht mehr für Kinder in Not spenden könne.

Der Lübecker SPD-Abgeordnete Klüssendorf verwies zwar auf die 11.000 Euro Abgeordnetendiät, die Lindner als monatlichen Notgroschen behält, aber Lindner ist so peinlich, daß er sich mit seinen 11K als obdachlos darstellt, während er vorrechnet, die Bürgergeldempfänger hätten es so dicke, daß man ihnen pauschal 24 Euro im Monat streichen müsse. Zum Mitschämen.

[….] Street Credibility bei Christian Lindner? Warum der ehemalige Finanzminister von Bundeskanzler Olaf Scholz natürlich nicht „auf die Straße“ gesetzt wurde. [….] mir war auch wichtig, nochmal die Bemerkung des ehemaligen Finanzministers Christian Lindner aufzugreifen, dass er von Olaf Scholz „auf die Straße“ gesetzt worden sei.

Was viele Menschen nicht wissen: natürlich ist Christian Lindner weiter Abgeordneter im Deutschen Bundestag und bekommt eine auskömmliche Diät. Ich finde diese Bemerkung einfach dreist und unverschämt den Menschen gegenüber, die wirklich den Winter auf der Straße verbringen müssen. Einen auf „Vom Bordstein bis zur Skyline“ machen, in Wahrheit aber nicht viel weiter als von der Wilhelmstraße* bis zur Paul-Löbe-Allee** kommen - nicht mit uns!

*Sitz des Finanzministeriums  **Straße am Reichstag [….]

(Tim Klüssendorf, 19.12.2024)

Aber Lindner legt noch einen drauf, indem er sich bei rechtsradikalen Kriminellen anbiedert. Musk und Milei sind seine neuen Vorbilder.

Zu Linocchios großem Pech, kennt sein angehimmelter Musk ihn gar nicht und läßt via der rechtsradikalen Schwurblerin Naomi Seibt wissen, nur die AfD könne Deutschland retten.

[….] Die AfD feiert ihn, die FDP bemüht sich um seine Gunst und aus anderen Parteien kommt scharfe Kritik: US-Milliardär und Tesla-Gründer Elon Musk hat sich öffentlichkeitswirksam als AfD-Fan zu erkennen gegeben und damit mitten im Bundestagswahlkampf großen Wirbel ausgelöst. „Only the AfD can save Germany“, schrieb Musk auf seiner Plattform X über den Post einer AfD-nahen Influencerin. Auf Deutsch: „Nur die AfD kann Deutschland retten“.

AfD-Chefin Alice Weidel bedankte sich postwendend mit einem, „Ja! Da haben Sie vollkommen recht, Elon Musk!“ und schickte später noch ein an „Dear Elon“ gerichtetes Video auf Englisch hinterher. Dieses teilte Musk wiederum später, was dem Clip enorme Reichweite verschafft haben dürfte. Allein Musks Ursprungspost wurde nach Angaben von X bis zum Nachmittag mehr als 25 Millionen Mal angezeigt. [….] FDP-Chef Christian Lindner schrieb an Musk, die AfD sei gegen Freiheit und Wirtschaft und eine rechtsextreme Partei. Musk möge keine voreiligen Schlüsse aus der Ferne ziehen, sondern sich mit ihm treffen und über die FDP sprechen. [….] Aus verschiedenen anderen Parteien kam hingegen scharfe Kritik an Musk. Wenn er mit seiner Plattform X aktiv in den Wahlkampf eingreife, um der AfD Rückenwind zu verschaffen, sei das „ein alarmierendes Signal“, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch [….]. Deutschland brauche weder fremde Einflüsse noch Trumpismus. „Stay out, Elon“ („Bleib draußen, Elon“), forderte er.

Der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Reinhard Brandl (CSU), sagte Welt: „Eine solche Konzentration von Macht und Reichweite bei einer Person ist eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie.“ [….]

(SZ, 20.12.2024)

Die Schweizer Nazi-Lesbe ist entzückt, weil der ultrareiche südafrikanische Nazi und Klimaleugner sie kennt, aber Lindner ist all das offenbar noch nicht peinlich genug, also biedert er sich, um Musks Aufmerksamkeit heischend, nun auch noch auf Englisch an. Zum Mitschämen

[….] Stuttgart - Ricarda Lang hat ihr Versprechen, auf vieles nur noch mit Humor zu reagieren, gehalten. [….] Diesmal erwischte es erneut Christian Lindner (FDP), der bei X auf einen Post von Elon Musk antwortete. Der Trump-Vertraute hatte zuvor getwittert, dass nur noch die AfD Deutschland retten könne. Daraufhin richtete Lindner das Wort an Musk und schrieb: „Elon, ich habe eine politische Debatte angestoßen, die durch Ideen von dir und Milei inspiriert wurde. [….] Lass uns zusammenkommen, und ich zeige dir, wofür die FDP steht.“

Über diese Worte amüsierte sich wiederum Lang und nahm Lindner aufs Korn: „Dear Slim, I wrote you, but you still ain‘t callin…“. Mit dieser Punchline, wie man in der Rapper-Szene sagt, spielt die einstige Grünen-Chefin auf den Song „Stan“ von Eminem an, in dem es um einen vom Sänger besessenen Fan geht. Der schreibt Eminem mehrere Briefe, die unbeantwortet bleiben. [….]

(BW24, 20.12.2024)