Dienstag, 9. Dezember 2025

EU-Killer.

Wieso autokratische Schurkenstaaten die EU hassen, lässt sich in der Regel leicht verstehen.

Europas Freiheit und Demokratie sollen nicht die drangsalierten Völker anstecken und somit die Herrschaft der Diktatoren gefährden. Freie Presse und Rechtsstaatlichkeit bringen nur Ärger. Homo- und Frauenrechte verwirren das Volk.

Aus russischer Perspektive ist Brüssel zudem die Hauptstütze der Ukraine; schon deswegen unternimmt Putin alles, um die westeuropäischen Nazi-nationalen Parteien zu stärken und damit die EU zu schwächen.

Aus chinesischer Perspektive kann man einzelnen schwachen Staaten besser seine Handelspraktiken aufzwingen, als einer geeinten und starken EU.

Aber niemand scheint die EU so dermaßen zu hassen und zu verachten, wie Donald Trump, der als glühender Brexit-Anhänger die politische Weltbühne betrat.

[….] Wovon zur Hölle reden die?

Die Regierung von Donald Trump meint, mit kulturkämpferischem Furor über Europa herfallen zu müssen. Woher diese Wut, dieser Hass, diese Verachtung bei der amerikanischen Rechten kommen, das ist nicht leicht zu erklären.

Einer der seltsamsten Vorwürfe, die in der an seltsamen Vorwürfen nicht armen US-Sicherheitsstrategie erhoben werden, ist dieser: Europa drohe eine – selbst verschuldete – „zivilisatorische Auslöschung“ und zwar wegen „einbrechender Geburtenraten“. Wer es nachlesen will – Seite 25, Abschnitt C, dritter Absatz.

Als halbwegs vernünftiger Mensch kommt man da ins Grübeln. Wer denkt sich so was aus? Es gibt ja durchaus Dinge, über die die Amerikaner sich ärgern könnten, wenn sie nach Europa schauen. Manche davon werden in dem Dokument auch benannt. Wenn es zum Beispiel um Europas Unwillen oder Unfähigkeit geht, sich selbst zu verteidigen, ist die neue Sicherheitsstrategie erfrischend klar.

Aber Geburtenraten? Das ist nicht nur bizarr, weil die Frage, wie viele Kinder eine europäische Durchschnittsfrau zur Welt bringt, auch bei sehr viel Fantasie keine Angelegenheit der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten ist. Es ist auch deswegen absonderlich, weil der Vorwurf von einer Regierung kommt, deren Land eine Geburtenrate von 1,6 Kindern pro Frau hat, und an einen Kontinent gerichtet ist, auf dem dieser Wert bei 1,4 liegt. [….]

(Hubert Wetzel, 08.12.2025)

Eigentlich ist Trump stolz auf seine weißen deutschen Wurzeln. Aber er fühlt sich nicht genug wertgeschätzt und das springt bei ihm schnell in blanken Hass um.

Ähnlich handhabt er seine Hassliebe zu New York und der New York Times. Beides fand er einst ganz großartig, wollte auch stolz sein, weil es seine Heimatbiotope sind. Aber die feine New Yorker Gesellschaft erkannte ihn nie wirklich an, weil er zu proletig, zu ungebildet und zu kulturlos ist. Auch die NYT lobte den Präsidenten Trump nicht als einen der ihren. Der nach Lob und Arschküssen gierende Taco kann das nicht verzeihen. Also will er Rache. Die NYT soll Pleite gehen und ihre Lizenz verlieren. Dem undankbaren NY sollen alle Bundesmittel gestrichen werden. Die EU soll aktiv zerstört werden.

[….] Die neue Sicherheitsstrategie der USA setzt ganz auf Profit, stößt die europäischen Verbündeten vor den Kopf und hält sich dafür bei China und Russland zurück. Für das Papier verantwortlich sind Trumps engste Vertraute. [….] Die Reaktionen in Europa waren deutlich. Der ehemalige französische Botschafter in den USA, Gérard Araud, schrieb auf X, das Papier lese sich wie »eine rechtsextreme Broschüre«. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte, Bezug nehmend auf die kritischen Äußerungen zur Meinungsfreiheit in dem Papier: »Ich glaube nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss.« CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht in der neuen Sicherheitsstrategie eine große Bedrohung für die Demokratie in Europa.  [….]

(SPON, 08.12.2025)

Gegen dieses Scheidungspapier aus Washington kann es natürlich nur eine Strategie geben: Engsten Schulterschluss in Brüssel. Europa steht ohne Freunde da. Es wird von den Mächtigen der Welt in die Zange genommen. Ökonomisch; aber auch militärisch. Die NATO ist de facto bereits lahmgelegt. Was nützt eine Beistandsgarantie, wenn die gesamte militärische Stärke bei der USA liegt, von der aber nahezu sicher anzunehmen ist, daß sie sich an ihre §5-Verpflichtungen nicht halten wird? Europa muss nun enger denn je zusammenstehen, Verteidigungs-, Außen- und Sicherheitspolitik in die eigenen Hände nehmen, mit einer Stimme sprechen.

Da wird aber in der Trottel-Republik Merz leben, ist ja klar, was unser Kanzler tut: Das Falscheste und Dümmste, das man tun kann.

Der Fritzekanzler frönt seinem Signature-Move: Alles falsch machen, das man nur falsch machen kann.

[….] Wenn ich es selbst nicht bei n-tv gesehen hätte, ich hätte es nicht für möglich (weil einfach nur dämlich) gehalten: Merz hat fast beiläufig #Washington ein Angebot gemacht, das für Europa wie eine Ohrfeige wirken muss. Oder ist es diese blanke Not, wenn man nichts mehr zu verlieren hat und selbst die irrwitzigsten Strategien noch versucht? Auch das wäre dumm, es so deutlich zu zeigen.

Das Angebot: Wenn die #USA mit der EU nichts anfangen können, könnte #Trump ja mit Deutschland „alleine“ eine Partnerschaft schließen. - Das muss man erst mal wirken lassen. Mit anderen Worten also: Während die europäischen Partner mühsam an Geschlossenheit arbeiten, spielt Merz den Solokünstler, als sei die #EU ein lästiger Ballast, den man bei Bedarf einfach abwerfen kann. Ein diplomatischer Stilbruch ersten Ranges – und ein Stich ins Herz des europäischen Zusammenhalts.

Politikwissenschaftler Thomas Jäger nennt das „verstörend“ - und trifft den Kern. Merz umgarnt ausgerechnet eine US-Administration, die Europa und gerade #Deutschland zuletzt als Problemfall, als Kostenfaktor und lästige Pflicht betrachtet hat. Trotzdem signalisiert der Kanzler: Deutschland könne die Brücke alleine schlagen. Was hat ihn da schon wieder geritten? Wer von europäischer Einheit spricht, kann nicht gleichzeitig den Alleingang bewerben, ohne alle #Glaubwürdigkeit in Brüssel zu verspielen.

Die Begründung Merz’ ist die altbekannte Leier: Europa müsse unabhängiger werden. Doch daraus eine deutsch-amerikanische Sonderbeziehung abzuleiten, während die EU unter Druck steht, ist mehr als nur naiv. Es riecht nach 90er-Jahre-Politik: #Berlin als selbsternannter Leader, Washington als Bühne für Prestige. Fakt ist: Mit diesem Schritt torpediert #Merz genau die europäische Position, die er angeblich stärken will – und spielt mit der Geduld seiner Nachbarn.

Am Ende entsteht der Eindruck, dass Merz lieber in Washington Eindruck schinden will als in Brüssel #Verantwortung zu übernehmen. In einer Zeit, in der Europa Zusammenhalt und Rückhalt dringend braucht, riskiert er bewusst #Spaltung und Misstrauen - für einen fragwürdigen Soloauftritt an der Seite der USA. Politisch waghalsig? Ja. Provokant? Absolut. Europaschädlich? Kaum zu übersehen. [….]

(Marc Raschke, 09.12.2025)