Dienstag, 10. Januar 2017

Elitenverachtung



Das schockt sie, das schockt die Staatsspitzen, Medien und sonstige Respektspersonen sichtlich, wenn sie von einem grölenden Mob ausgebuht werden und als „Volksverräter“ angeschrien werden.

Daher wurde „Volksverräter“ zum Unwort des Jahres. Zu Recht, wie ich meine.

Aber ist es auch Elitenverachtung, wenn sich Minister und Promis mal einem Auditorium gegenübersehen, welches sie nicht vorbehaltlos adoriert?

Heute tobt auf Facebook und Twitter ein unglaublicher Shitstorm gegen Meryl Streep, weil sie bei den Golden Globes Donald Trump kritisierte.


Das sei ja wohl eine Frechheit, wenn so eine reiche Elitentusse auf die armen Durchschnittswähler eindresche, die Autorennen und MMA mögen.
Trump selbst war natürlich am meisten empört und zickte auf Sandkastenniveau zurück. Er, das arme Opfer, das von einer völlig überbewerteten Frau ungerecht behandelt werde.
Auf CNN schlugen die Trump-Fans in dieselbe Kerbe. Dieses arrogante elitäre Hollywood sei eben der Grund für Trumps Aufstieg. Der kleine Mann auf der Straße habe keine Lust mehr sich was von den Eliten sagen zu lassen.

Was für eine wirre Welt.
Trump wurde eben nicht von einer Mehrheit gewählt, sondern landete geradezu abgeschlagen drei Millionen Stimmen hinter Hillary Clinton.
Noch viel erstaunlicher, daß es immer noch gelingt einen Typen wie Trump, der selbst seit Jahrzehnten Celebrity ist und über Milliarden verfügt, nicht als Elite wahrzunehmen.
Es gab noch nie in der amerikanischen Geschichte so ein Elitenkabinett wie zukünftig unter Trump. Es besteht ausschließlich aus weißen Milliardären und Militär-Generälen.
Wer das öffentlich kritisiert, wird dafür als Angehöriger einer Elite, der sich arrogant über das einfache Volk erhebt, beschimpft.

Natürlich liebt das Volk immer noch seine Eliten.
Es bestehen allerdings große Unterschiede bei der Definition wer oder was eigentlich Elite ist.

Fußballer, Helene Fischer, Michael Schuhmacher und viele andere Multimillionäre mehr werden weiterhin mit Ehrungen überhäuft und vom Volk bejubelt.

Klug, integer, gebildet, vorbildlich zu sein ist kein Kriterium für die Zugehörigkeit zur Elite.

Das selbsternannte Intellektuellen-Magazin Cicero kürte auch dieses Jahr wieder eine Rangliste der bedeutendsten Intellektuellen Deutschlands.


So eine Rangliste ist grundsätzlich unseriös.
Ich schätze Eliten - auch wenn ich solche Luftnummern wie Thilos Sarrazin und Hans-Werner Sinn noch nicht mal unter die Top 500; geschweige denn unter die Top 5 setzen würde.

Offensichtlich werden die Begriffe Prominenz, Bekanntheit, Popularität, Bedeutung, Elite, Wichtigkeit und Vorbildhaftigkeit munter miteinander verwechselt.

Das gilt auch für Amtsinhaber.

Joachim Gauck ist für mich in keiner Weise Elite. Er ist selbstzufrieden, intellektuell desinteressiert, egozentriert und zudem auch noch einerseits ungepflegt (die Zähne!) und gleichzeitig eitel.
Das sind alles Begriffe, die in meiner Definition von „Elite, Intellektueller oder Vorbild“ nicht vorkommen.

Es gibt genauso wenig Grund Christian Wulff oder Horst Köhler zu achten.

Das Amt des Bundespräsidenten ist Mythen-umwoben; die meisten Bundespräsidenten werden absolut zu Unrecht verehrt.

Eine Bundespräsidentin, die im besten Sinne „Elite“ sein könnte, wäre Hertha Müller, die aber bekanntlich keine Chance hatte, weil der völlig überschätzte Steinmeier auf den Schild gehoben wurde.

Was für ein Bundespräsidentenwahn mal wieder.

Die Mopo zitiert den Zukünftigen und tut so als ob damit ein neues Zeitalter ausbreche:

„Als Bundespräsident will ich ein Gegengewicht sein zu den Tendenzen der grenzenlosen Vereinfachung“
(Frank-Walter Steinmeier)

Gaucks Nachfolger sollte erst mal sein eigenes Denken auf bedenkliche Vereinfachungen überprüfen.

Ich wage aber zu bezweifeln, daß ein derart kirchenhöriger Frömmelnder wie Steinmeier überhaupt zu echter Intellektualität fähig ist.
Seine Doktorarbeit soll brillant gewesen sein; vielleicht leidet der Mann wie so viele Religioten nur an einer Inselverarmung.

Für meinen Geschmack hat der zukünftige Bundespräsident aber bereits viel zu viel von seiner schwer religiotischen Seite gezeigt, um noch viel von ihm zu erwarten.

Steinmeier ist aber der beliebteste Politiker Deutschlands – hier sind sich öffentliche Meinung und VERöffentlichte Meinung offensichtlich einig.

Wie immer bei Bundespräsidenten gibt es keine Elitenverachtung, sondern nur Jubel.

Die ARD kniet ehrfürchtig vor Joachim-ich-bin-der-geilste-Gauck und widmet ihm eine kritiklose Jubel-Doku.

[….] Mit dem Film, für den Eva Lodde, Matthias Deiß und Robin Lautenbach den Bundespräsidenten fünf Jahre lang begleitet haben, beginnt am Dienstag der Reigen der Abschiedsporträts vom Bundespräsidenten Joachim Gauck und seiner Gefährtin Daniela Schadt. [….] Wo bleiben zwischen all den schönen Bildern und liebevollen Blicken kernige Fragen nach Gaucks Haltung zum deutschen Nie-wieder-Krieg, zu Holocaust und Israel? Warum hat er sich in schwerster Flüchtlingsstunde von der Kanzlerin distanziert? Warum sagt er so wenig zum Terror? Die Autoren stellen kritische Fragen, aber Gauck darf sie allesamt selbst beantworten. Der Präsident erklärt da den Präsidenten. [….]

Noch ein aufgrund des Amtes in den Himmel gehobener Mensch ist der heute verstorbene Roman Herzog.
Auch er war Bundespräsident und wird somit automatisch über die Maße bejubelt.

Auch hier keine Spur von Elitenverachtung.

Der Ruckruf-Präsident
[….] Ein Mann - ein Wort, und das hieß Ruck. Bundespräsidenten haben unterschiedliche Wege gefunden, um ihren Abdruck im kollektiven Gedächtnis zu hinterlassen. Roman Herzog, der siebte im Amt nach Richard von Weizsäcker, tat es auf seine Weise, doch kaum minder prägnant als dieser. Jetzt ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.
Es wäre nicht einmal fair, in Herzog ein Gegenbild zu seinem Vorgänger sehen zu wollen. Dazu war er zu eigenständig, zu originell im besten Sinne: ein Spitzenjurist mit glanzvoller akademische Karriere bis hin an die Spitze des höchsten Gerichts, versierter Politiker. Ein konservativer Protestant aus dem niederbayerischen Landshut, hoch gebildet und weltläufig, unprätentiös, selbstironisch und ausgestattet mit Drang und Gabe zu einer Deutlichkeit, die sich nicht immer um Konventionen scherte. Ein Intellektueller, der es vermochte, so zu reden, dass ihn jeder verstand. [….]

 Ruck, Ruck-Präsident, Ruck-Rede – das schreiben sie heute alle voneinander ab.
Was für ein Popanz.
Herzog war ein durchschnittlich guter Redner mit starkem Akzent, der das Glück hatte, daß eine seiner Reden offensichtlich in eine Medienflaute fiel, so daß jeder das Wort „Ruck“ aufgriff.
Diese Rede hatte aber wie auch der Rest von Herzogs Präsidentschaft keinerlei Wirkung erzielt. Sie blieb politisch folgenlos und sozial irrelevant.

Wenn ich an Roman Herzog denke, fällt mir eine für meinen Geschmack unangemessene Hemdsärmeligkeit ein – gleich bei einem seiner ersten öffentliche Auftritte, zog er sich das Sakko aus, ergriff auf einem Bahnsteig eine Maß Bier und schlang sie so gierig runter, daß ihm das Bier über die feisten Bäckchen lief.
Unverkrampft und so. Aber eben auch unappetitlich und proletenhaft.

Schlimmer ist aber seine mangelnde Sensibilität in den Fragen der deutschen Vergangenheit.

Als Martin Walser am 11.10.1998 in seiner skandalösen Paulskirchenrede verkündete, die Juden seien schuld, wenn er leide, blieben Ignatz und Ida Bubis, geschockt und versteinert sitzen. Sie hatten es nicht für möglich gehalten so öffentlich als Juden wieder gedemütigt zu werden.
Roman Herzog, der nur zwei Plätze weiter saß, hatte natürlich nicht im Geringsten die Brisanz der Walser-Keule begriffen und sprang begeistert applaudierenden von seinem Sitz.

Man möge sich das gerade gestern in der ARD gelaufene „Letzte Gespräch“ Ignatz Bubis‘ noch einmal ansehen, um diese entsetzliche Kaltherzigkeit des Bundespräsidenten noch mal vor Augen zu halten.

Unfassbar peinlich auf Herzogs Fauxpas bei seinem Staatsbesuch 1994 in Polen, als er, ausgerechnet der DEUTSCHE Präsident scheinbar gar nicht den Unterschied zwischen dem Aufstand im Jüdischen Ghetto Warschaus und dem Warschauer Aufstand kannte.

Der Warschauer Aufstand fand statt vom 01. August bis 03. Oktober 1944, als die deutschen Truppen die gesamte Polnische Hauptstadt dem Boden gleichgemacht, 20 % aller Polen getötet und dabei noch nie dagewesene Grausamkeiten begingen.

[….] Himmler hatte im Sinne Hitlers bereits Tage zuvor den Befehl gegeben, sämtliche nichtdeutschen Einwohner Warschaus ohne Ansehen von Alter, Geschlecht oder Beteiligung am Aufstand zu töten und die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Durch diese Anordnung wollte er den Widerstand des polnischen Volkes gegen die NS-Herrschaft ein für alle Mal brechen. Infolgedessen endete der Angriff der „Kampfgruppe Reinefarth“ gegen den westlichen Stadtteil Wola mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Schätzungen zufolge töteten die deutschen Einheiten zwischen 20.000 und 50.000 polnische Zivilisten. Die Einheiten vermieden es sogar, den Kampf gegen die Heimatarmee aufzunehmen. Der Kommandeur der in Wola liegenden AK-Einheiten bezeichnete seine Verluste an Soldaten mit 20 Toten und 40 Verwundeten. Reinefarth beschwerte sich unterdessen bei seinen Vorgesetzten, dass die ihm zugeteilte Munition nicht ausreiche, um alle gefangenen Zivilisten zu erschießen. [….]

Wieso ausgerechnet der 03.10. später zum deutschen Nationalfeiertag erhoben wurde, weiß wohl nur der Historiker Helmut Kohl.

Der Aufstand des Jüdischen Ghettos in Warschau fand zwischen dem 19. April 1943 und dem 16. Mai 1943 statt. Die Warschauer Bevölkerung hatte damals noch relativ teilnahmslos zugesehen wie die deutschen Besatzer das gesamte Ghetto zerstörten und alle Juden umbrachten.

Roman Herzog kannte aber den Unterschied gar nicht so genau.
Er verkündete er werde „am 1. August 1994 aus Anlass des 50. Jahrestages im Warschauer Ghetto" nach Polen reisen.

Er hätte zurücktreten müssen.