Sonntag, 8. Juli 2018

Persönliche Dimension


Es gibt es unterschiedliche, teilweise auch diametral entgegen gesetzte Interessen zwischen Deutschland und den USA.
Die Amerikaner geben traditionell extrem viel Geld für ihre Armee aus, in Deutschland sieht man (auch aus historischen Gründen) militärische Außenpolitik skeptischer.
Die USA haben einen legendär stabilen Binnenmarkt voller konsumlustiger Bürger, der die ganze Welt dazu bewegt dort Geld zu investieren; Deutschland ist eher eine Exportnation mit sparsamen Bürgern.
Staaten haben Interessen; das ist ganz natürlich.
Man könnte diese verschiedenen Perspektiven sachlich darstellen und sich an einen Tisch setzen.
Das scheitert an der Persönlichkeit Trump. Er soll zwar die Interessen von 330 Millionen Menschen wahren, aber in vielerlei Hinsicht zählt nur ein einziges Individuum. Trump.


Die Kabale in NATO, WTO und UN kann man erst auflösen, wenn die Person Trump aus dem Oval Office verschwunden ist.

Bibi Netanjahu ist eine ähnlich problematische Persönlichkeit.
So lange er an der Spitze der Israelischen Regierung steht, kann es keine Fortschritte im Friedensprozess mit den Palästinensern geben.

Ich wünsche mir auch eine EU-Mitgliedschaft einer säkularen, rechtsstaatlichen Türkei, aber selbstverständlich ist das mit der Person Recep Tayyip Erdoğan unmöglich.

Ein konstruktives Bündnisverhältnis zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ist ebenfalls unmöglich, obwohl ihre beiden Parteien nur marginale programmatische Unterschiede aufweisen.
Aber Horst Seehofer hasst Frau Merkel seit zwei Dekaden wie die Pest.
Sein ganzes Trachten ist an dieser Person ausgerichtet.
Schon deswegen konnte er nicht „um der Sache Willen“ als Bundesinnenminister zurücktreten, weil damit seine übelste Nemesis gewonnen hätte. Merkel immer noch an der Macht und Klein Horst kapituliert und aus dem Spiel genommen? Die Vorstellung ist für ihn absolut unerträglich.
Mit ihrem radikalen wechselseitigen Hass schaffen es Kanzlerin und Heimat-Horst, die Reihen hinter ihnen zu schließen. Man muss gegen den äußeren Feind zusammenhalten. Dabei gibt es in der CDU durchaus Personen, die eher Seehofer nahestehen und Politiker in der CSU, die eher Merkel mögen.
Das Wohl und Wehe der Regierung hängt in diesem Fall nicht an unterschiedlichen Konzepten oder unüberbrückbaren Differenzen, sondern an den Persönlichkeiten der Altvorderen, die sich an die Macht klammern.

Das können die eher Linken selbstverständlich genauso gut.
Rot-Rot-Grün hat seine rechnerische Mehrheit kontinuierlich auf addiert deutlich unter 40% geschrumpft, weil die handelnden Personen sich seit 20 Jahren spinnefeind sind.


Natürlich gäbe es beispielsweise mit Kevin Kühnert, Stegner, Stefan Liebig, Kipping, Baerbock und Hofreiter Führungsfiguren, die sich recht schnell auf eine R2G-Koalition einigen könnten. Es gibt in Berlin, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern Beispiele für gut funktionierende konstruktive rot-rote Zusammenarbeit.
Auf Bundesebene kann das aber nicht funktionieren, weil insbesondere die Linke lange Jahre leidenschaftlich die SPD mit Wagenknecht und Lafontaine plagte.
Lafontaine, der Abtrünnige, der die SPD im Stich ließ und sich anschließend für viel Geld von der xenophoben ultrarechten BILD-Zeitung kaufen ließ, um in seinen Kolumnen seinem Hass auf die Sozis so lange freien Lauf zu geben bis er seinen Willen hatte: Eine CDU-Kanzlerin und eine gedemütigte SPD.
Ich habe volles Verständnis dafür, daß die erfahrenen seriösen SPD-Abgeordneten darüber tief verletzt sind und daraus die Konsequenz ziehen den Linken nicht trauen zu können.
Das querfrontlerische ausländerfeindliche Ehepaar Lafontaine/Wagenknecht ist fast täglich damit beschäftigt die Linke (im Sinne von alle Parteien links der Mitte) weiter zu spalten und eine Zusammenarbeit unmöglich zu machen.
Sie gehen sogar offensiv gegen ihre eigene Parteiführung vor, indem sie kontinuierlich mit der Gründung einer „linken Sammlungsbewegung“ drohen, die natürlich nichts anderes bedeuten würde als ein Schisma der Linken. Dann gäbe es eine humanistisch orientierte Kipping-Riexinger-Fraktion und einen linksnationalistischen populistischen Flügel.
Sozis, die seit 1999 im Bundestag erleben, wie Lafontaine ausschließlich seinem persönlichen Hass auf sie frönte, dafür sogar lieber eine CDU-FDP-Regierung herbei schrieb, ja sogar lieber Donald Trump als US-Präsident wollte, als die von ihm immer wieder als „Killary“ geschmähte Clinton, können sich natürlich nicht enthusiastisch für R2G engagieren, solange Wagenknecht der Fraktion vorsitzt.

Die politische Option links der Mitte besteht erst wieder, wenn die derzeit an der Spitze stehende Politikergeneration von SPD, Linken und Grünen in Rente geht.
An ihren Personen hapert es. Nicht an unüberbrückbaren inhaltlichen Differenzen.

In der Katholischen Kirche verhält es sich genauso.
Aus der Bibel kann man alles und auch das Gegenteil dessen ableiten.
1000 Jahre gab es keinen Zölibat, 1000 Jahre gab es ihn.
Die RKK bekämpfte 1500 Jahre Zinsen und Geldverleih, besitzt heute aber viele Banken und verdient prächtig mit Zinsen.
Sie ließ 200 Jahre Wissenschaftler verbrennen, die sich für ein heliozentrisches Weltbild aussprachen, betreibt heute im Vatikan ein eigenes Observatorium und lacht über geozentrischen Unsinn.
Natürlich könnte ein neuer Papst Schwule akzeptieren und Priestern die Ehe erlauben.
Aber das noch unmöglich, weil der immerhin unfehlbare Ratzi im Vatikan hockt, der es sich in neun Lebensdekaden zur Hauptaufgabe gemacht hat, Schwule und Liberale zu diskriminieren.
Ratzinger und Bergoglio (auch er über 80!)  müssen erst tot sein und einem sehr viel Jüngeren Platz gemacht haben, bis es Änderungen gibt.

Scheinbar völlig verfahrene staatliche Konfrontationen, eigentlich unlösbare Konflikte können sich entspannen mit einer neuen Führungsperson, die in der Lage ist outside the box zu denken.
Nelson Mandela, Zoran Đinđić, Albino Luciani, Michael Gorbatschow, Anwar as-Sadat, Jitzchak Rabin, Egon Bahr und Willy Brandt waren solche Leute.