CDUCSUAFD setzen stolz auf den Zwang zum männlich gendern. Menschen sollen nicht so schreiben dürfen, wie sie wollen. Der störrische Widerstand gegen die sich kontinuierlich verändernde Sprache – nein, wir sprechen nicht wie im mittelhochdeutschen Nibelungenlied vor 800 Jahren aufgeschrieben – bleibt ein beliebter, weil billiger, Topos. Damit lässt sich wunderbar ablenken, man braucht keine Gegenfinanzierung und kann bequem an dumpfe rechtspopulistische Emotionen appellieren. Man muss nur ein paarmal mit grimmigen Gesicht „Zigeunerschnitzel, Negerkuss, Winnetou, Weihnachtsengel“ sagen und schon sind die primitiveren Hirnrinden des rechten Packs genügend getriggert, um den Aussender dieser Worte zu wählen.
Sprache war immer dynamisch, ist dynamisch und wird auch immer dynamisch bleiben. Wer, wie der bayerische Innenminister suggeriert, Sprache müsse auf dem Stand, den er als Jugendlicher gewöhnt war, eingefroren werden und daher könne das Wort „Neger“ auch nicht diskriminierend sein, offenbart sich als echter Idiot.
Joachim Herrmann, CSU: „Roberto Blanco war immer so ein netter Neger!“
Würden Goethe, Schiller und Kleist heute immer noch leben, schrieben sie ganz sicher auch nicht mehr das Deutsch von vor 200 Jahren, sondern verwendeten Vokabeln, die in die Zeit passen. Alte Menschen machen sich lächerlich, wenn sie auf immer ein „Wording“ ihrer Kindheit konservieren wollen. Im Alter wird man unflexibler. Meine Wortwahl passt sich also auch noch partiell der Gegenwart an, aber nicht mehr so schnell, wie es Teenager tun.
Daher sprechen Jugendliche anders als ich und das ist auch gut so. Wie jede ältere Generation, rümpfe ich über einiges die Nase, das mir gar nicht gefällt.
Aber mein Mittel der Gegenwehr ist die Meidung. Beispielsweise geht mir eine bestimmte Form des Youtuber-denglisch, das fast ausschließlich germanisierte englische Verben verwendet, so auf die Nerven, daß ich keine Rezo-Videos gucken kann. Es geht einfach nicht. Obwohl ich den Typen durchaus sympathisch finde. Aber ich halte diese Sprache nicht aus.
Die linguistischen Veränderungen unterliegen nicht nur Moden und kulturellen Einflüssen, sondern selbstverständlich auch einer sozialen Weiterentwicklung.
Manchmal verändert sich die die Konnotation.
Zum meiner frühen Schulzeit war „schwul“ ein echtes Schimpfwort, das man höflicherweise vermied und mit „homosexuell“ umschrieb. Aber die „Betroffenen“ kaperten das Wort, machten es sich demonstrativ zu eigen, so daß es heute bei den meisten Erwachsenen wie eine neutrale Begriffsbeschreibung wirkt.
Das ursprünglich aus der Botanik stammende Wort „geil“ wurde in meiner frühen Jugend sexuell gekapert und schließlich aufgrund seiner Anrüchigkeit, als besonders drastisches Lob verwendet. „Geil“ war aber so derb, daß meine Mutter mir sofort drohte, mich zu enterben, sollte ich das schlimme Wort zu Hause verwenden.
Diese Konnotation wurde allerdings in den nächsten 40 Jahren fast ganz weggeschliffen. Zwar gelangte „geil“ nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch, wird also von meiner Elterngeneration immer noch nicht verwendet, schreckt aber auch nicht mehr ab. Ähnlich drastisch wie „geil“, waren in meiner Schulzeit „ficken“ und „Fotze“. Ersteres schwächte sich in der Rezeption zwar auch ab, wurde aber im Deutschen nie so Allgemeingut, wie das englische „Fuck“. Letzteres hingegen blieb nahezu unverändert schmuddelig, sogar noch wesentlich tabuisierter, als das englische Pendant „cunt“, das zwar auch in Amerika deutlich derber als „fuck“ ist, aber durchaus in der Popkultur und Jugend verwendet wird.
Während wir „geil, schwul, ficken, scheiße“ nicht nur im vollen Bewußtsein ihrer Obszönität verwenden, sondern genau diesen Schockfaktor auch benutzen wollen, wirken andere Begriffe eher unbewußt diskriminierend.
In diesen Fällen sind wir als Gesellschaft gefordert, den Sprachgebrauch aktiv zu verändern. „Neger“ oder „polnische Wirtschaft“, „getürktes Ergebnis“, „bis zur Vergasung“, „durch den Rost fallen“, „Jude“ (für von Malern beim Streichen übersehene Stellen).
Es ist wichtig, sich eine aufmerksame und präzise Sprache zu bemühen. Nicht, um Markus Söder und die AfD zu ärgern, sondern um solidarisch mit den Diskriminierten zu sein.
[….] Fremdenfeindlichkeit wird in der deutschen Berichterstattung zu häufig synonymisch für rechtsextremistische und rassistische Gewalttaten verwendet. Durch die Verwendung des Begriffs wird Othering betrieben und Struktur wie auch Systematik solcher Taten verkannt. Es geht mehr als um die „Angst vor der Fremde“, sondern um die tief verwurzelte Vorstellung von über- und untergeordneten Menschen.“ – Tupoka Ogette.
„Der oft durch unpräzise Wortwahl in den Medien bestärkte Automatismus, alle rassistisch, fremdenfeindlich oder ausländer*innefeindlich motivierten Gewalttaten pauschal Rechtsextremen zuzuordnen, hat zur Folge, dass das Gros unserer Gesellschaft sich nicht mit den eigenen alltäglichen rassistischen Tendenzen auseinandersetzen muss, da diese Taten einzelnen sogenannten „Randgruppen“ zugeschoben und damit verbal aus der Mitte der Gesellschaft entfernt werden. Dass sich rechtsextremes und rassistisches Gedankengut aber sehr wohl quer durch die Gesellschaft zieht, belegen jüngere Studien und Phänomene eindeutig. Im Ergebnis gehen viele „gegen Nazis“ auf die Straße, reagieren jedoch weiterhin kaum, wenn rassistische Tendenzen jenseits eines organisierten politischen Rahmenprogramms auftauchen: im deutschen Alltag.“ (Sow 2018: S. 38).
Eine differenzierte Wortwahl, die verschiedenen Hintergründe genau benennt, ermöglicht so erst, die Wurzeln des Übels zu identifizieren und letztlich zu bekämpfen. Mit einer Art der Sprache, die ohne Vor-Ausgrenzung der von Rassismus unmittelbar Betroffenen und ohne Täter*innenschutz auskommt, und die stattdessen die Dinge, Hergänge und Menschen differenziert benennt, kann es gelingen, rassistischen Tendenzen aktiv entgegenzuwirken ( ebd. S. 42) [….]
(Rassismus-kritisches Wörterbuch, Uni Kiel)
Manchmal braucht es für das einfachere Volk eben auch Reality-TV in Form des Berliner Schauspielers Pierre Sanoussi-Bliss, 62, der beim 2025er Dschungelcamp seinen Lager-Genossen stoisch erklärt, er käme aus Berlin, sei in der Charité geboren, wenn er mit offenkundigem Bezug auf seine Hautfarbe nach seiner Zugehörigkeit befragt wurde.
Jobangebote bekommt der Schauspieler in den letzten Jahren nicht mehr. Die Castingchefs sagen ihm, mit ehrlichem Bedauern, es gäbe halt keine Rollen für jemanden wir ihn – alt und schwarz und schwul. Worauf hin er entgegnet „ich habe doch bloß ein paar Pigmente mehr.“
Nein, wir, die weiße Mehrheitsgesellschaft merken es vielleicht nicht, wenn unsere Sprache verletzend wirkt, indem wir Menschen verbal in „schwarz“ und „weiß“ unterteilen, aber gleichzeitig alle Kofferworte mit „schwarz“ negative Bedeutungen haben: Schwarzfahren, Schwarzarbeit, schwarzsehen, schwarze Seele, Schwarzgeld.
Sanoussi-Bliss aber schon.
Joachim Herrmann, der CDU, CSU und AfD sind Rücksichtnahme und Anstand fremd. Daher würden sie „Schwarze“ am liebsten immer noch als „Neger“ bezeichnen. Aber hoffentlich gibt es genügend viel bessere Menschen, um die Sprache doch langsam zu verändern.