Sonntag, 3. Dezember 2017

Ich sehe schwarz, und zwar dunkelschwarz



Man sollte das wirklich nicht tun, aber ab und an kann ich es mir nicht verkneifen und werfe doch mal einen Blick auf Maischberger, Will und Co.
Es ist und bleibt aber extrem ärgerlich, wie das Ein-links-ein-rechts-Schema und das Bemühen um die totale Ausgewogenheit jeden Erkenntnisgewinn blockiert.
Verroht unsere Gesellschaft?“ lautete zuletzt das Thema bei Maischberger.

Wie immer bereitete die ARD den AfD-Hetzern den roten Teppich aus. Alice Weidel (Betriebswirtin, keine Juristin) bezichtigte Heiko Maas (Volljurist, Justizminister) auf breiter Linie gesetzwidrig vorzugehen.
Die anderen Gäste, Prof. Pfeiffer (habilitierter Jurist, ehemaliger Justizminister Niedersachsens), Fleischhauer (konservativer Journalist) und Andreas Hollstein (promovierter Volljurist, CDU) wiesen das allesamt als abwegig zurück.
Maas, wie immer sehr kontrolliert und sachlich, bat Weidel zu erklären, wie und wo er gegen das Grundgesetz verstoße.
Maischberger ließ die Diskussion natürlich nicht zu, verhinderte eine tiefer Erörterung des Themas und sicherte so wieder einmal einer ultrarechten AfD-Person ihren PR-Erfolg vor ihren eigenen Leuten. Sie hatte nicht nachgegeben, war bei ihren Behauptungen geblieben und geriet nicht in Bedrängnis.

Wer an sachlichen Informationen interessiert ist, hat keinen Erkenntnisgewinn aus diesen hektischen Aufsagerunden, in denen jeder einmal kurz seine Position raushaut, bevor Einspielfilmchen und weitere Abfragerunden folgen.

Aber bei dieser erbärmlichen Art des Polit-Infotainments wird ohnehin nur an die eigene Basis appelliert.
Weidel zeigte das sehr schön, als der renommierte Kriminologie Prof. Dr. Pfeiffer ihre Thesen von der ansteigenden Gewalt in Deutschland durch Flüchtlinge widerlegte, ja sogar bewies, wie die Gewaltstraftaten in den letzten Jahren zurückgingen und nicht etwa durch die „Flüchtlingsströme“ zunahmen.
Statt inhaltlich auf Pfeiffers Faktenmaterial  einzugehen, grinste sie hämisch und wies mit gespielter Empörung auf Pfeiffers SPD-Mitgliedschaft hin.
Im TV-Studio hatte das natürlich keinen Effekt; Fakten bleiben Fakten, Weidel war weiterhin erkennbar als Lügnerin unterwegs.
Aber ihr war es egal, da sie an die AfD-Sympathisanten und Nazis vor den Bildschirmen dachte, denen in ihren Filterblasen erfolgreich eingehämmert wurde, die Altparteien steckten ohnehin aller unter einer Decke in ihrem Bemühen „Deutschland umzuvolken“ und die „Scharia einzuführen“.
Wer das glaubt, weiß schon nach dem Trigger „SPD-Parteibuch“, daß er den Pfeiffer-Ausführungen nicht glauben wird.
Wer einen starken Magen hat, möge während einer Maischberger/Will/Pasberg-Sendung mit AfD-Beteiligung unter den entsprechenden Hasch-Tagen die Twitter-Homepage aufrufen.
Das pure Grauen breitet sich da aus – Myriaden von braunen Verschwörungstheoretikern kriechen da aus ihren Löchern und verzerren die Realität.

Jan Fleischhauer, nach Matusseks Abgang das größte Ärgernis des SPIEGEL, hatte an dieser Stelle einen lichten Moment, indem er von seinen Erfahrungen mit einem AfD-Fake-Profil auf Facebook berichtete. Es brauche nur wenige Klicks und schon befindet man sich in einer reinen rechtsradikalen Verschwörungswelt.
Die Algorithmen von Facebook, Twitter und Co sorgen dafür, daß man nur noch ins braune Weltbild passende Nachrichten von bösartigen islamistischen Horden hört, die brandschatzend und vergewaltigend durch Deutschland ziehen.
Den Müll, den Elsässers Compact, David Bergers Phimoseblog, Jürgen Fritz, PI, JF, Kopp, die Facebookauftritte von Höcke, Weidel, Gauland und viele andere ausschließlich verbreiten.
Schaltet man derart gefiltert die ganz normalen HEUTE-Nachrichten oder die Tagesschau ein und findet dort die ganzen Horrormeldungen über das Millionenheer von in Deutschland rumrockernden Islamisten nicht mal erwähnt, ist alles klar: Die Mainstreammedien lügen und verschweigen etwas.

So entstand Trump. Eine ganze Industrie aus ultraradikalen Verschwörungsmedien – Breitbart, Infowars, Fox – verbreitete ausschließlich Trumps grotesk verlogene Scheinrealität.
Schaltet ein derart braingewashener Trump-Hillbillie aus Alabama mal aus Versehen NBC oder CNN an, hält er die dort verbreiteten Fakten alle für Lügen.

[….] Vor drei Mo­na­ten habe ich ei­nen Selbst­ver­such als AfD-An­hän­ger be­gon­nen. Ich habe mir bei Face­book un­ter dem Nach­na­men mei­ner Frau ein neu­es Pro­fil zu­ge­legt, als Hin­ter­grund­bild wähl­te ich eine Berg­land­schaft von Cas­par Da­vid Fried­rich. Dann schick­te ich zehn Frem­den, von de­nen ich an­neh­men konn­te, dass sie mit der rech­ten Sa­che sym­pa­thi­sie­ren, eine Freund­schafts­an­fra­ge. Die Na­men hat­te ich aus Kom­men­ta­ren auf den Face­book-Sei­ten der AfD in Ber­lin und Sach­sen zu­sam­men­ge­sucht.

Es war ein Ex­pe­ri­ment. Ich woll­te her­aus­fin­den, wie sich der Blick auf die Welt ver­än­dert, wenn man plötz­lich mit Leu­ten in Kon­takt steht, die Lutz Bach­mann für ein Jus­ti­zop­fer und Frau­ke Pe­try für die nächs­te Bun­des­kanz­le­rin hal­ten. [….]
Es ist er­staun­lich, wie sich die Wahr­neh­mung ver­düs­tert, wenn Face­book ei­nen als AfD-Sym­pa­thi­san­ten iden­ti­fi­ziert hat. Man tritt in eine Welt, in die sel­ten ein Son­nen­strahl fällt. Die ver­gan­ge­ne Wo­che be­gann mit ei­nem Zu­sam­men­schnitt von Film­clips, in de­nen ara­bisch aus­se­hen­de Ju­gend­li­che auf Men­schen ein­schlu­gen, die laut um Hil­fe rie­fen. „Ach­tung!! Tei­len!!!“ stand dar­un­ter. „Die­ses Vi­deo zeigt die Ge­walt, die sich Ein­hei­mi­sche ge­fal­len las­sen müs­sen von Mi­gran­ten.“
Dann las ich die Nach­richt, dass in der Stadt Neuss auf Druck der Mus­li­me an ei­nem ers­ten Ki­osk statt Bock­wurst nur noch Hühn­chen­spie­ße ver­kauft wer­den. Spä­ter wur­den mir Schock­bil­der von Tier­schlach­tun­gen prä­sen­tiert, ver­bun­den mit dem Auf­ruf, mich für ei­nen Bann der Schäch­tung ein­zu­set­zen.
So geht es im­mer wei­ter, Tag für Tag. Auf die Mel­dung über das Bock­wurst-Ver­bot folgt die Nach­richt, dass jetzt die Spar­schwei­ne ver­schwin­den, nach dem Spar­schwein-Alarm kom­men neue Schlä­ger­vi­de­os. Wer das län­ger mit­macht, muss un­wei­ger­lich zu dem Schluss ge­lan­gen, dass Deutsch­land vor die Hun­de geht, wenn sich nicht bald et­was än­dert. Und das Irrs­te ist: Nichts da­von fin­det sich in den her­kömm­li­chen Me­di­en!
Die meis­ten Men­schen glau­ben, dass die Nach­rich­ten, die sie über Face­book emp­fan­gen, Teil ei­nes Face­book-Nach­rich­ten­diens­tes sei­en. Was sie dort le­sen, zeigt nach ih­rer Über­zeu­gung, wie es in Wirk­lich­keit zu­geht, so­bald man die Scheu­klap­pen ab­legt. Wenn man den Leu­ten sagt, dass ihr „News­feed“ an­ders aus­sieht als der ih­res Nach­barn und erst recht an­ders als der ei­nes po­li­ti­schen Op­po­nen­ten, sind sie über­rascht. [….][….]  [….]

Unfreiwillig unternehme ich gerade ein ähnliches Experiment, da Herr Zuckerberg mich gleich für einen ganzen Monat in den Giftschrank sperrte, nachdem ich (angeblich) etwas Unfreundliches über den gegenwärtigen US-Präsidenten gesagt haben soll (als ob ich sowas jemals täte. Ich bin doch ein guter US-Patriot).

Ein linkes Profil ist ebenso schnell erschaffen wie ein Weidel-Konformes.
Als überzeugter R2G-Anhänger sollte ich mich da eigentlich nicht so unwohl fühlen, wenn ich in FB-Gruppen wie „Linke in der SPD“ gesteckt werde.
Aber die Einseitigkeit erschreckt mich dann doch.
Natürlich ist Schröder schlimmer als Satan und Sauron zusammen. Für alle gegenwärtigen Schwierigkeiten der Sozis ist er verantwortlich. Oder die kriminellen Seeheimer, die in Wahrheit zur CDU gehören und rechte Politik durchsetzen wollen.
Alle SPD-Mitglieder hassen die Seeheimer.
Typen wie Gabriel (ist zwar kein Seeheimer, aber egal), Scholz und Oppermann sollen bloß „das Maul halten“ und „den Martin in Ruhe lassen.“ (Schulz ist zwar tatsächlich Seeheimer, aber was gerade nicht ins Weltbild passt, wird ignoriert).
Vorsichtig warf ich ein, daß Scholz als stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender gar nicht schweigen darf. Dann kommen solche Antworten:

Michael B.: Na dann kann edathy ja auch weitermachen...
(30. November um 13:07)

Scholz soll die Partei verlassen, weil ihn jeder hasst.
Meine kurze Intervention, daß eher das Gegenteil der Fall wäre, nach aktuellen Umfragen ist Olaf Scholz unter SPD-Mitgliedern der beliebteste Politiker, wird mit den üblichen Argumenten gekontert.
Der Forsa-Chef hasse die SPD und alle Umfragen wären gefälscht.
Tatsächlich ist der Hass auf die Realpolitiker in diesen linken Gruppen so übermächtig und konsistent, daß anderslautenden Ergebnisse über die Welt außerhalb dieser Gruppe völlig unglaubwürdig erscheinen.
Genau wie AfDler schmoren auch Linke in ihren eigenen Filterblasen und wollen alles andere nicht mehr wahrnehmen.

Ich sehe für die politische Diskussion nicht nur schwarz, sondern die ist endgültig hinüber.
Die Welt ist nicht mehr zu retten.
Man kann sich nur noch Mühe geben nicht selbst vollkommen in Filterblasen abzugleiten, indem man große seriöse Medien mit ihrer professionellen Gatekeeper-Funktion abonniert. Und wenn man dort jeden Tag etwas liest, das einem nicht gefällt, muss man dennoch dabei bleiben, ständig der Versuchung widerstehen sich auf Randmedien zurückzuziehen, die nur das schreiben, das der eigenen Meinung entspricht.