Samstag, 16. Juni 2018

Let’s go crazy


Franz-Josef Strauß, 1915-1988, war 27 Jahre CSU-Vorsitzender, ab 1953 Bundesminister, 1980 Kanzlerkandidat der CDU/CSU und von 1978 bis zu seinem Tod legendärer bayerischer Ministerpräsident.
Franz-Josef Strauß, Wehrmachtsoffizier an der Ostfront, Rottenführer des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK), Referent beim NSKK-Sturm 23/M 86 und Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB). Strauß war notorisch unehrlich, stolperte durch unzählige Sex- und Bestechungsaffären. Er war so gierig und korrupt, daß er es aufgrund seiner politischen Funktionen zum Multimillionär brachte. Firmen wie Daimler-Benz, Bertelsmann, BMW und Dornier überwiesen kontinuierlich Geld auf das Konto einer FJS-Briefkastenfirma.

[….] Die Liste der Unternehmen, die Strauß über das Büro Geld zahlten, reicht von BMW und Bertelsmann über Daimler-Benz und Dornier bis hin zu Firmen aus dem Flick-Imperium und der Taurus-Film GmbH des Medien-Moguls Leo Kirch. Allein in den Jahren 1964 bis 1968 addierten sich die Zahlungen auf insgesamt 490.892 Mark. Eine für die damalige Zeit immense Summe: Das Jahresgehalt eines Bundesministers betrug seinerzeit etwa 90.000 Mark. [….]

Er war nicht nur der Rechtsaußen der Bundesrepublik, sondern weltweit Förderer und Freund der faschistischen und rassistischen Regime in Südamerika und Südafrika.
Der FJS-Bundestagswahlkampf 1980 war der erste, den ich bewußt miterlebte. „Stoppt Strauß“ war nicht bloß irgendein Slogan, sondern die Furcht vor einem Bundeskanzler Strauß war damals so real und bedrückend, daß viele (Nord)-Deutsche, unter anderem meine Mutter, in dem Fall ausgewandert wären.
Ich war Student und hockte nachts in einer schummerigen Kiez-Kaschemme, als die Musik abgedreht und das Radio aufgedreht wurde: Der bayerische Ministerpräsident liege im Sterben bei den „barmherzigen Brüdern“. Es brandete spontan Applaus auf, wir tranken alle auf die gute Nachricht.
Er starb seinem Leben entsprechend.
Seine Adlaten Stoiber und Tandler hatten ihm wie üblich zu seinen Jagdausflügen nach dem Ballern zwei Nutten und sehr viel Alkohol besorgt.
Ficken, fressen, volltrunken – nach dem Motto krepierte er an seiner eigenen Kotze.
Im Zeitalter vor dem Internet und der sozialen Medien galt Strauß Millionen Menschen als die Inkarnation des Bösen, als ebenso gefährlich wie hässlich.

Nur moralisch völlig Verkommene erwärmten sich für FJS, aber daran herrschte in Bayern nie Mangel.


Ebenso wie bei George W. Bush fehlte es mir bei Strauß schlicht und ergreifend an der Phantasie, daß es noch schlimmer kommen könne.
Aber ebenso wie bei GWB habe ich mich offenbar geirrt.

Die neue braune Troika aus Bayern – Söder, Dobrindt, Seehofer – ist gefährlicher als FJS. Den drei Radikalen fehlt es ganz offensichtlich an intellektueller Substanz, um zu begreifen was ihr zersetzender Egotrip anrichtet.
Ich kann es genauso wenig glauben das zu schreiben, wie ich mir angesichts Trumps gewahr wurde mit GWB noch Glück gehabt zu haben; aber auch Strauß war immerhin klug genug, um zu begreifen wie wichtig Europa und friedliche außenwirtschaftliche Beziehungen für Deutschland sind.
Er war sich durchaus bewußt darüber, daß es noch eine Welt außerhalb der deutschen Grenzen gab.
Sein einstmals junger Fan Markus S. ist noch erheblich skrupelloser als das korrupte Mitglied der NSDAP-Studentenverbindung.
Anders als sein Vorvorvorvorvorgänger ist Söder bereit aus purer Machtgier den ganzen Kontinent zu sprengen.

[….]  Vor dem Plenarsaal des Bayerischen Landtags steht am Donnerstag eine an sich bedächtige Frau, sie sagt: "Ich könnte so kotzen, das kann ich gar nicht sagen." Die Frau ist Abgeordnete der Grünen, doch in diesem Moment steht sie Angela Merkel näher als jeder Christsoziale. Alles, was die CSU da in Berlin veranstalte, mache sie doch "nur wegen dieser blöden Landtagswahl" am 14. Oktober. Die milliardenschweren neuen Projekte des Ministerpräsidenten Markus Söder, das harte Polizeigesetz, der Kreuzerlass - und dennoch verharrt die CSU in Umfragen bei gut 40 Prozent. "Denen fällt nichts mehr ein", vermutet die Grünen-Frau. Deshalb jetzt diese unglaubliche Eskalation in Berlin.
Die Unionsschwestern CDU und CSU haben im Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen das Stadium maximaler Zerrüttung erreicht. Seit Donnerstag steht der Bruch der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag im Raum. Und das Ende von Merkels Kanzlerschaft. [….]

Die CSU des Jahres 2018 ist zu einer ausschließlich destruktiven, debilen und dämonischen Kraft retardiert. Verglichen mit den grenzdebilen Gestalten, die derzeit die Parteiführung in München stellen, wirkt Strauß wie ein besonnener weiser Mann.

[…..] Es gab eine Zeit, da war die CSU eine große Europapartei, konservativ und weltoffen zugleich. Sie arbeitete kraftvoll an der Einigung des Kontinents, und Franz Josef Strauß, ihr bedeutendster Politiker, sagte: "Ein geeintes Europa soll die Vorstufe zu den Vereinigten Staaten von Europa sein."
In diesen Tagen fordert kein Führungspolitiker der CSU mehr den europäischen Bundesstaat, jedenfalls nicht vernehmlich. Im Gegenteil. Die Partei legt unter dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Bundesinnenminister Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Axt an den Baum, den sie selbst mit gepflanzt hat. Und nun verarbeitet sie den Stamm zu Schlagbäumen. Das ist Kahlschlagpolitik.
[….] Multilateralismus ist ein sperriges Wort für eine einfache Idee: Probleme lassen sich eher miteinander als gegeneinander lösen. Und Konflikte bereinigt man besser durch Kompromisse als durch Konfrontation. Die Geschichte Europas gibt dieser Idee recht. [….] Seither erleben die Europäer, trotz aller Probleme im Einzelnen, die längste und reichste Friedenszeit ihrer Geschichte.
Das alles wird gerade von einer Allianz der Zerstörer angegriffen, deren Paten in Moskau und Washington sitzen, deren Mitglieder aber auch bereits in Warschau, Budapest und Rom regieren. Und womöglich auch schon in München. Diese Kräfte nähren sich - so wie der Monsterclown in Stephen Kings Horrorroman "Es" - an den Ängsten der Menschen. Sie greifen diese auf und verstärken sie, um dann den starken Nationalstaat als Lösung zu präsentieren, der die vermeintlichen Interessen des Volkes kraftvoll gegen die anderen Länder durchsetzt. Das Problem ist nur: Wenn alle so handeln, gibt es am Ende wieder Krieg. [….]
Noch freie Staaten wie Deutschland und die anderen EU-Länder stehen heute mit dem Rücken zur Wand. Sie werden von den USA unter Handelskrieger Trump, vom Sowjetnostalgiker Wladimir Putin und der totalitären Weltmacht China bedrängt. In dieser Lage die Bundesregierung aufs Spiel zu setzen, Europa kaputtzureden und auf nationale Alleingänge zu setzen, ist verwerflich. Markus Söder und Horst Seehofer sind zum Sicherheitsrisiko für die Zukunft Deutschlands geworden. [….]


Natürlich, auch Merkels Führungsversagen ist eklatant. Drei Jahre hat sie Däumchen drehend verstreichen lassen, international zu keiner Einigung gefunden, kontinuierlich durch ihre Politik die Fluchtursachen rasant weiter angeheizt – Stichworte Waffenexporte in Krisenregionen, Aufgabe aller Klimaschutzziele, katastrophale EU-Agrarpolitik zu Lasten Afrikas, Leerfischen der afrikanischen Meere, Nichteinhaltung der Entwicklungshilfezahlungen, - und sich schließlich aus Angst vor der AfD sukzessive auf eine völlige Grenzschließung eingelassen.
Drei Jahre zu spät dämmert ihr nun die Erkenntnis endgültig die EU zu sprengen, wenn Deutschland als stärkstes Land wie von Seehofer gefordert alle Flüchtlinge auf die unglücklich im Süden liegenden EU-Grenzstaaten Griechenland, Italien und Spanien abwälzt.
Denn anders als AfD- und CSU-Anhänger kann sich auch ein Grundschüler ausmalen, was passiert, wenn man den Plan der sofortigen Grenzschließung des senilen Bundessuperinnenminister umsetzt:
Schengen stirbt, die deutsche Wirtschaft erleidet massive Schäden, Österreich wird sofort auch seine Grenzen hermetisch schließen, weil die Rechts-Rechtsextrem-Regierung in Wien nicht riskieren will allein alle Flüchtlinge aufzunehmen.
In der Folge würden aufgrund der brachialen Fluchtursachen-verstärkenden Brüsseler und Berliner Politik Griechenland, das so pleite ist, daß die staatlichen Strukturen schon zusammengebrochen sind und außerdem Italien, das bereits von irren Rechtsextremen regiert wird, allein den ganzen Migrationsdruck auf die EU abbekommen und sich verweigern, indem sie die EU lahmlegen.
Die AfD hätte noch mehr Auftrieb.

[…..] Donald Trump zerstört gerade den Westen, wie man ihn seit dem Zweiten Weltkrieg gekannt hat. In Europa breiten sich die Rechtspopulisten aus. Und auch in Deutschland schwindet das Vertrauen in die Demokratie. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat das kraftvoll beschrieben: Längst nicht mehr alle Bürger seien davon überzeugt, dass das westliche, europäische Modell überlegen sei. Stattdessen würden sie sagen: "Ihr kriegt nix hin." Und was machen Merkel und Seehofer in dieser Lage? Sie riskieren ohne Not, dass die Regierung platzt. Denn inhaltlich ist der Dissens zwischen Merkel und Seehofer gar nicht so unüberbrückbar, wie oft behauptet wird. [….]

In Brüssel kann man es nicht fassen was Seehofer und Söder anrichten.
Als Strauß das legendäre Kreuth-Desaster anrichtete, in Windeseile wieder umfiel und vor Helmut Kohl kuschte, war er vermutlich betrunken oder aus sonstigen Gründen kurzzeitig verwirrt.
Er riskierte damals die Existenz der CSU, was er auch sehr schnell einsah. Es wäre aber ein regionales deutsches Ereignis geblieben. Die EG wäre nicht tangiert worden; in Bonn hätten weiterhin europafreundliche CDU/FDP- oder SPD/FDP-Regierungen geherrscht. Strauß hätte seinen Hals und seine Partei auf’s Spiel gesetzt. Heute ist die gesamtpolitische Situation erheblich gefährlicher.

Sollte die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU 2018 platzen, weil sich die drei bayerischen Blöden gegenseitig aufstacheln, würde Merkels CDU bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober 2018 antreten und der CSU endgültig den Nimbus der Partei für absolute Mehrheiten nehmen. Söder schlimmster Alptraum; er müsste fortan auch zu Hause auf seine verhasste Schwester Rücksicht nehmen. Er wäre extrem geschwächt und würde auf Dauer die CSU überflüssig machen.


In meinen Augen also ein positives Szenario.
Vorher wäre aber die Bundesregierung implodiert und damit Macron als letzte EU-Kraft der Vernunft übrig bleiben.
Europa wäre womöglich am Ende.

[….] Im Moment ist nur eines klar: Bekäme die CSU ihren Willen, wäre es schnell vorbei mit dem Europa ohne Grenzen. "Den Schaden hätten alle", warnt der niederländische Migrations-Staatssekretär Mark Harbers, "Pendler, Touristen, Lkw-Fahrer."
Außerdem entstünde der befürchtete Domino-Effekt: Wenn Deutschland zusperrt, folgt Österreich, und am Ende bleiben Griechen und Italiener auf den Migranten sitzen. "Deshalb können wir uns nicht nur auf die Außengrenzen konzentrieren", sagt ein EU-Diplomat, "sondern müssen auch die Verteilungsfrage lösen." Das soll auf dem Gipfel gelingen, ist aber höchst unwahrscheinlich. Eine echte Lösung werde es wohl erst nach den Europawahlen im kommenden Jahr geben können, heißt es in Brüssel.
Bis dahin kann alles anders sein. Sollte Merkel stürzen, gewännen die illiberalen Kräfte in der EU, die Grenzschließer und Durchgreifer, wohl endgültig die Oberhand, befürchten viele - nicht zuletzt die französische Regierung, die den Berliner Vorgängen mit offenem Mund zuschaut.
Die andere Sorge ist noch größer, sie bezieht sich auf das gesamte europäische Projekt, das in Gefahr gerät. "Das Letzte, was die EU angesichts der Lage in der Welt gebrauchen kann, ist eine Regierungskrise in Deutschland", sagt ein zweiter EU-Diplomat. "Was gerade passiert, können wir uns nicht leisten." [….]